Schreiben von Ernst Schädler an Woldemar von Falz-Fein in Zürich [1]
28.10.1940, Vaduz
Sehr geehrter Herr Baron!
Also ich lag zwischendurch wieder einmal, sonst hätte ich mein Versprechen, Sie über die Delegierten–Versammlung zu unterrichten, einen Tag früher ausgelöst. Ich bitte Sie also, dieses Versäumnis meinem Weggefährten „Bang“ [2] auf das Schuldkonto zu buchen.
Ja, Freitag war die Sitzung! [3] 21 Delegierte aus den verschiedenen Sportvereinen unseres Ländchens sassen Gericht über das Oberste Sportkomitee, vor allem über die grossen Übeltäter und politischen Verbrecher Dr. [Alfons] Goop und meiner Wenigkeit. In echt liechtensteinischer und föhniger Art taten sie dar, dass sie in einer internen Vorsitzung in Triesen feststellten, das Oberste Sportkomitee wäre auf ihr Verlangen hinsichtlich der Termine und des Inhaltes nicht eingegangen. [4] Sie verlangen nun endgültig, dass der Sportabteilung der Volksdeutschen Bewegung die Bewilligung, den Landessportplatz zu Trainingszwecken zu benützen, entzogen werde. Denn, so sprach einer, erstens sei das kein Turnen und zweitens könne man von ihnen als treue Liechtensteiner nicht verlangen, dass sie auf demselben Platze wie diese Sport treiben sollten. Der Präsident teilte ihnen mit, dass das Oberste Sportkomitee, um den Landesplatz zu schonen, einen Trainingsplatz in Mühleholz gemietet habe, auf welchen die Turnabteilung der V.D.B. verwiesen werde. [5] Aber auch diese Lösung fand nicht die Zustimmung der Versammelten. Die Erklärungen, die Präsident Hans Ritter im Sinne der Sitzung des O.Sp.K. abgab, waren in die Luft gesprochen. Zwischendurch und immer wieder wurde mir in sehr schmutziger Art und Weise gesagt, dass Dr. Goop und ich aus dem Obersten Sportkomitee heraus gehören. Das Ziel der Haupthetzer war, eine Neuwahl des Obersten Sportkomitee's durchzudrücken. Nach dreistündigem unschönen Hin und Her liess Hans Ritter abstimmen, wie folgt:
"Ist die Versammlung mit dem Beschlusse des Obersten Sportkomitee’s hinsichtlich der Bewilligungserteilung an die Sportabteilung der V.D.B., den Landesportplatz zu Trainingszwecken zu benützen, einverstanden, ja oder nein."
Ergebnis: 14 nein, 3 ja, 3 leer.
Hierauf teilte Hans Ritter mit, er bringe die Abstimmung dem O.Sp.K. zur Kenntnis, die Delegierten hätten im Januar 1941 bei der ordentlichen Jahresversammlung Gelegenheit Neuwahlen vorzunehmen und schloss die Sitzung. [6] Damit hatten sie nicht erreicht, was sie wollten, aber gezeigt was sie sind.
Um der Sache gerecht zu werden, muss ich sagen, dass einige, darunter auch Xaver Frick, feststellten, dass die Angelegenheit durch die Aufklärung des Präsidenten auf eine neue Grundlage gestellt worden sei, sodass er mit dem Komitee einiggehen könne. Er hat sich aber damit bei den Hetzern und Verhetzten nur Missachtung zugezogen.
Ich hoffe, Ihnen ein ungefähres Bild der Sitzung gegeben zu haben und gratuliere Ihnen dazu, dass Sie nicht daran teilnehmen mussten. Denn nur dadurch kann Ihnen der Glaube an die Anständigkeit und Sportkameradschaft der Liechtensteiner erhalten bleiben.
Ich wünsche Ihnen frohe Tage in Zürich, die beste Gesundheit und grüsse Sie als Ihr
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[1] LI LA PA 109/031 (a).
[2] Der Morbus Bang (Brucellose) ist eine Infektionskrankheit, die durch verunreinigte Lebensmittel oder durch direkten Kontakt von Rindern auf Menschen übertragen wird.
[3] D.h. am 25.10.1940. Die Sitzung wurde anberaumt, weil mehrere Sportvereine und -verbände dagegen protestierten, dass das Oberste Sportkomitee der Volksdeutschen Bewegung die Bewilligung zur Benutzung des Landessportplatzes in Vaduz erteilt hatte. Das Oberste Sportkomitee beschloss an seiner Sitzung vom 21.10.1940, an der Bewilligung festzuhalten, da diese "nicht der V.D.B., sondern deren Sportabteilung gegeben wurde und zwar unter dem gleichen Gesichtspunkt, wie es [das Oberste Sportkomitee] auch die Platzbenützung dem liechtensteinischen Pfadfinderkorps, den Auslands-Deutschen in Liechtenstein und dem Colleg Marianum in Vaduz bewilligte, nämlich unter dem Gesichtspunkt der Förderung des allgemeinen heimischen Volkssportes." Mit "allen gegen eine Stimme" beschloss es zudem, die "augenscheinlich vorhandenen Missverständnisse, dem Sekretär [Ernst Schädler] wird unterschoben, die Bewilligung mit Umgehung des O.Sp.K. aus eigener Initiative gegeben zu haben, zu klären" und beraumte für den 25.10.1940 eine Delegiertenversammlung an (LI LA PA 001/020, Protokoll in Sachen Bewilligungserteilung des O.Sp.K. an die Sportabteilung der Volksdeutschen Bewegung in Liechtenstein; ebd., Tätigkeitsbericht des Obersten Sportkomitees 1940, 1.3.1941. Vgl. auch die Korrespondenz in LI LA PA 109/031 und in LI LA PA 001/020).
[4] Vgl. zu dieser Versammlung LI LA PA 001/020, Xaver Frick und Marzell Sele als Vertreter von zehn Sportvereinen an das Oberste Sportkomitee, 22.10.1940.
[5] Das Oberste Sportkomitee wies am 31.10.1940 den Turn- und Leichtathletikverband, den FC Vaduz und die Sportabteilung der Volksdeutschen Bewegung an, für alle "Übungen, die den Rasen überanspruchen (wie Fussballtraining, Diskus und Speerwurf und Marschübungen)" ins Mühleholz auszuweichen (LI LA PA 001/020).
[6] Die Neuwahlen fanden im Mai 1941 statt. Präsident Hans Ritter sowie die Beisitzer Maurice Arnold de Forest und Woldemar von Falz-Fein wurden bestätigt, Falz-Fein lehnte die Wiederwahl jedoch ab. Neu gewählt wurden Alfons Marxer als Sekretär anstelle von Ernst Schädler und Florian Kindle und Oskar Ospelt als Beisitzer anstelle von Alexander Frick und Alfons Goop (LI LA PA 109/023, Protokoll der ordentlichen Generalversammlung vom 8.5.1941; LI LA PA 109/031, Woldemar von Falz-Fein an das Oberste Sportkomitee, 13.5.1941). Trotz der Neubesetzung durfte die Sportabteilung den Landessportplatz zumindest im Sommer 1941 weiterhin benutzen (LI LA PA 109/031, Xaver Frick an das Oberste Sportkomitee, 24.6.1941).