Die Vaterländische Union verlangt im Interesse des Parteienfriedens die Wegweisung des Juden Sally Isenberg aus Liechtenstein


Amtsvermerk der Regierung, ungez. [1]

18.5.1938

AV.

Über Vorladung erscheint Sally Isenberg, Vaduz, dem bekanntgegeben wird, dass in den Kreisen der Vaterländischen Union die Auffassung bestehe, seine Anwesenheit sei untragbar, wenn die Parteienbefriedigung [2] anhalten sollte. Isenberg äusserte sich hiezu folgendermassen:

Ich habe in den 7 Jahren, da ich hier bin, nicht das geringste mir zu Schulden kommen lassen. Ich bin nie bestraft worden und habe nur Gutes getan. In 7 Jahren habe ich Frs. 30'000.- für Wohltaten ausgegeben, in Triesenberg habe ich 143 Familien 60 Zentner Lebensmittel gespendet. Ich gebe armen Kindern jedes Jahr einen Mittagstisch und habe einer grossen Anzahl mit Darlehen ausgeholfen. Ich finde es deshalb unglaublich, dass man mich vom Lande entfernen will und ich werde noch von mir hören lassen. Ich werde mir noch überlegen, ob ich die deutsche Vertretung in der Schweiz um Intervention ersuchen wolle und ersuche um Angabe der Gründe, wegen welcher man mich wegweisen will. Wenn ich gehen muss, werde ich gehen, werde meinem Dienstpersonal kündigen und ebenso die Kapitalien, die ich ausgegeben habe. [3] Auf jeden Fall werde er dann jenen gegenüber, die seine Ausweisung verlangen, noch von sich hören lassen.

______________

[1] LI LA RF 180/309/002/001. Unten auf der Seite findet sich der handschriftliche Vermerk: "162 Dankbriefe", auf der Rückseite der undatierte Vermerk "a.a." (ad acta), verm. von Alois Vogt.
[2] Im Rahmen des Friedensschlusses zwischen der Bürgerpartei und der Vaterländischen Union war es am 30.3.1938 zur Regierungsumbildung gekommen. Mit dem Amt des Regierungschefstellvertreters wurde Alois Vogt (VU) betraut (LI LA RF 180/443/001/018).
[3] Vgl. das Schreiben Isenbergs an die Regierung vom 25.5.1938. Darin erklärte sich Isenberg bereit, Liechtenstein freiwillig zu verlassen (LI LA RF 180/309/002/002).