Die Polizei untersucht den Bölleranschlag auf die Spielwarenfabrikation der jüdischen Flüchtlinge Max Alexander und Bernhard Lämmle in Schaan


Anzeige des Sicherheitskorps an das fürstliche Landgericht, gez. Wachtmeister Josef Brunhart und Karl Gantner [1]

12.1.1942

Gefährdung der öffentlichen Sicherheit u. boshafte Sachbeschädigung z.N. d. Frick Ferdinand. Unbekannte Täter

Tatgeschichte 

In der Nacht vom 7. auf den 8. Jänner 1942 um ca. 0.15 Uhr wurde durch unbekannte Täter offenbar ein Papierböller vor dem Schaufenster des Hauses von Ferdinand Frick, Schreinermeister in Schaan, zur Explosion gebracht, wodurch das Schaufenster demoliert und auch der Holzrahmen des Schaufensters zum Teil in Stücke gerissen wurde. Durch diese Explosion bekam auch die Hauswand oberhalb des Schaufensters links einen Riss. Der angerichtete Schaden beträgt über 400 Fr.

Beweismittel

Ferdinand Frick, Schreinermeister in Schaan, erstattete am 8.1.1942 um ca. 2.30 Uhr die telefonische Anzeige von dem Vorgefallenen.

Schutzm. [Josef] Beck begab sich gleich zum Hause des Ferdinand Frick und fand dort auf dem Platze vor dem Hause eine 62 cm lange verbrannte Zündschnur. Ferner konnte im neu gefallenen Schnee zwei Fussspuren festgestellt werden, die vom Hause des Frick, d.h. von der Landstrasse durch einen Feldweg gegen die Wiesengasse und von dort zur Landstrasse führten. Ebenso konnte man auf dieser Strecke auch die Spur eines Fahrrades sehen.

Bezüglich den zwei Fussspuren stellte es sich heraus, dass der Gemeindepolizist Georg Schierscher und Robert Wenaweser von Schaan um ca. 23.30 Uhr diesen Weg gegangen sind und diese Spuren also von diesen herrühren. Die Radspur, die bis auf die Landstrasse bei der Garage Hilti führte und dort aber nicht mehr weiter verfolgt werden konnte, dürfte mit aller Wahrscheinlichkeit vom Täter herrühren.

Wie durch Schutzm. Gantner am 8.1.42 um ca. 9 Uhr festgestellt wurde, lagen auf dem Platze vor dem Hause des Ferdinand Frick in Schaan viele kleine verbrannte Papierfetzchen herum und dürften von einem Papierböller herrühren. Das Schaufenster in der Grösse von 190 auf 240 cm war in der linken unteren Ecke demoliert und war dort auch der Fensterrahmen in Stücke zerrissen. Der Böller wurde demnach auf die Fensterbank vor das Schaufenster gelegt. Eine im Lokal unmittelbar am Schaufenster stehende Büchse Konsistenzfett wurde durch die Explosion weggeschleudert und klebte das Konsistenzfett teils an der Decke und teils an den Wänden herum. In diesem Lokal betreiben Alexander Max und Bernhard Lämmle ein Spielwarengeschäft, d.h. es werden dort Spielwaren angefertigt. Ca. 50 cm unter dem oberen Fenstersturz des beschädigten Schaufensters bis zur linken Ecke des darüberliegenden Stubenfensters ist in der Aussenmauer ein Riss, der aussen und innen gut sichtbar ist. Ferdinand Frick gibt an, dass dieser Riss durch die Erschütterung des Hauses entstanden sei, vorher habe er nie einen Riss beobachtet.

Das Haus des Ferdinand Frick in Schaan steht an der Zollstrasse in Schaan. Neben dem Hause herauf kommt ein Feldweg, der über der Zollstrasse gegen die Wiesengasse führt.

Ferdinand Frick, Schreinermeister in Schaan, gibt an: "In der Nacht vom 7. auf den 8. Jänner 1942 hörte ich um ca. 0.15 Uhr die Explosion. Ich habe bis nach 23 Uhr in der Werkstätte gearbeitet und ging erst um 23.30 Uhr zu Bett. Bei der Explosion wusst ich nicht was los war, denn wir schlafen und wohnen im ersten Stocke. Ich bin auch nicht aufgestanden und wurde dann erst um ca. 2 Uhr durch den Gemeindepolizisten Georg Schierscher geweckt und hat mir dieser gesagt, dass mein Schaufenster gesprengt worden sei. Hernach habe ich dann gleich der Polizei in Vaduz telefoniert und ist auch Polizist Beck bald auf den Platz gekommen. Welche Person mir gerade den Sprengkörper vor dem Schaufenster zur Explosion gebracht hat, kann ich nicht sagen, doch bin ich überzeugt, dass dies von der Volksdeutschen Bewegung herrührt. Es wird zum Teil mir und zum Teil den zwei Juden Max Alexander und Bernhard Lämmle, die hier im Lokale Spielwaren anfertigen, gegolten haben. Alexander und Lämmle sind jedoch nur bei Tag hier und ist dieses Lokal bei Nacht unbewohnt.

Das beschädigte Schaufenster kostet etwa 400 Franken. Die Schadensansprüche bezüglich dem Riss in der Hauswand werde ich dann bei Gericht angeben.

Die Schaufenster habe ich bei der Basler Versicherungsgesellschaft gegen Beschädigung versichert.

Am 8.1.42 um ca. 6.30 Uhr ist ein junger Bursche, ich glaubte, es wäre Max Vogt von Schaan, durch die Zollstrasse herausgefahren und zwar mit dem Fahrrade. Er fuhr nur ein Stück bei meinem Hause vorbei, hat dann wieder umgekehrt und ist zurückgefahren. Ich glaube, dass dieser Bursche nur die Beschädigung an meinem Hause sehen wollte.

Ich erstatte Strafanzeige, schliesse mich als Privatbeteiligter dem Strafverfahren an und verlange bei Ermittlung des Täters Schadenersatz."

Wie erhoben wurde, dürfte es sich bei dem fraglichen Radfahrer nicht um Max Vogt, Sohn des Josef Vogt in Schaan, handeln. Derselbe ist nach Angaben seiner Eltern am 8.1.42 erst um 7.45 Uhr aufgestanden und hat dann von 7 Uhr an bei Ferdi Walser in Schaan gearbeitet. Er ist auch zu Fuss dorthin gekommen und hatte einen Hut getragen. Nach Angaben des Ferdinand Frick hatte der fragliche Radfahrer eine Kappe an.

Georg Schierscher, Gemeindepolizist in Schaan, gibt an: "Ich war diese Nacht wie gewöhnlich als Nachtwächter unterwegs und ging um ca. 23.30 Uhr von der Zollstrasse beim Hause des Ferdinand Frick mit Robert Wenaweser durch den Feldweg gegen die Wiesengasse und von dort auf die Landstrasse Richtung Vaduz. Um ca. 24.15 Uhr war ich in der Obergasse beim Hause des Hermann Seger als die Explosion erfolgte. Ich wusste jedoch nicht, was los war. Um ca. 2 Uhr bin ich wieder in der Zollstrasse beim Hause des Ferdinand Frick vorbei und habe die Beschädigung am Schaufenster gesehen. Hierauf habe ich auch gleich dem Frick gerufen."

Wir werden in dieser Sache weitere Nachforschungen pflegen und bei Ermittlung von Positivem werden wir dem fürstlichen Landgericht Nachtragsanzeige [2] erstatten.

1 verbrannte Zündschnur als Beilage.

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[1] LI LA V 005/1942/0035. Anzeige auch in LI LA J 007/S 075/007. Vgl. das gerichtliche Einvernahmeprotokoll von Ferdinand Frick vom 26.1.1942 (LI LA J 007/S 075/007 (b)) sowie den Bericht in L.Vo., Nr. 5, 10.1.1942, S. 2 ("Ein verbrecherischer Anschlag").
[2] Die Nachtragsanzeige seitens des Sicherheitskorps an das Landgericht erfolgte am 3.8.1943 (LI LA V 005/1943/0941). Das Strafverfahren gegen einen Verdächtigen wurde in der Folge mangels hinreichender Verdachtsgründe vom Landgericht eingestellt.