Abdruck eines Aufrufes der st.gallisch-appenzellischen Zentralstelle für Flüchtlingshilfe im "Liechtensteiner Volksblatt" [1]
31.10.1942
Schweizervolk, erbarme Dich der Heimatlosen
Schutzsuchend sind Tausende von Flüchtlingen den letzten Monaten zu uns gekommen. In bedauernswertem Zustand, mittellos und ohne Winterkleider, haben die meisten dieser entrechteten und gehetzten Menschen unseren Boden betreten. Sie bilden einen verschwindenden Bruchteil des Elends, das der Krieg über die meisten Länder Europas gebracht hat. Unser Volk ist von diesem Elend verschont geblieben, aber es hat eindeutig den Willen bekundet, die Flüchtlinge bei uns aufzunehmen, solange es irgendwie möglich ist.
Zu diesen bisher schon unterstützten Heimatlosen in der Schweiz sind in den letzten Monaten noch einige Tausend hinzugekommen. Sie werden durch die der Schweizerischen Zentralstelle für Flüchtlingshilfe angeschlossenen Hilfsorganisationen in Zusammenarbeit mit den Bundesbehörden betreut. Ihr Unterhalt erfordert ganz bedeutende Mittel. Um diese Mittel zusammenzubringen, appellieren die Unterzeichneten an den Opfersinn der gesamten Bevölkerung. Es ist unsere Pflicht, uns nicht nur mit Worten, sondern mit der Tat für das Asyl dieser Heimatlosen einzusetzen.
In diesen Tagen werden Sie einen Einzahlungsschein der st.gallisch-appenzellischen Zentralstelle für Flüchtlingshilfe, Postcheck IX/8952, zugestellt erhalten. Werfen Sie ihn nicht weg, sondern helfen Sie durch Ihr Geldopfer, dass unser Volk sich seiner bevorzugten Lage würdig erweist.
Landammann Dr. [Albert] Gemperli, St. Gallen
Monsignore Bischof Dr. J. [Josef] Meili [Meile], St. Gallen
Regierungsrat [Alfred] Kessler, St. Gallen
Pfr. [Pfarrer] R. [Robert] Rotach, Präs. des ev. [evangelischen] Kirchenrates, St. Gallen
Nationalrat Dr. L. [Ludwig] Rittmeyer, St. Gallen
Dekan [Johann Baptist] Ackermann, Rebstein
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[1] L.Vo., Nr. 127, 31.10.1942, S. 7. Vgl. die Berichte über Flüchtlingsschicksale im "Liechtensteiner Volksblatt" vom selben Tag (L.Vo., 1942.10.31b).