Artikel im "Umbruch", nicht gez. [1]
26.7.1941
"Der Wolf im Zylinder"
Herr Pfarrer Johann Büchel von Eschen gibt im Samstag-Volksblatt [2] gewissermassen eine Erklärung ab.
Er beginnt: "Es sind heute 37 Jahre seit dem glücklichen Tage meiner Priesterweihe."- Herr Pfarrer, wir finden es schön und erfreulich, dass Sie jenen Tag einen glücklichen nennen. Wie mancher nämlich einst seinen Beruf verfehlt haben mag und nicht so sprechen dürfte, weiss heute nur der Herrgott! -
Hochwürden stellen sich sodann selber das gute Zeugnis aus: "Ich habe seither fleissig und gewissenhaft in meinem oft schweren Berufe gearbeitet." - Fleiss und Gewissenhaftigkeit unbedingt in Ehren! Aber sind Sie nicht auch der Ansicht, dass Sie sich Ihren Beruf oft ganz unnötig, selber erschwert haben durch so manche doch etwas stark über die Schnur gehauene Bemerkung?
Sie fahren fort: "Ein neues Blatt in Liechtenstein beschimpft mich so, wie es in unserem Lande einem Geistlichen gegenüber nie vorgekommen ist. Das Blatt hat zwar schon etwa ein halbes Dutzend Priester unseres Landes angeflegelt." - Um es gleich zu sagen, den Ausdruck "angeflegelt" schicken wir hiermit höflich an seinen Absender zurück. Ob man aber etwa beim Durchsehen älterer Volksblattjahrgänge vielleicht nicht doch wirkliche Beschimpfungen von Geistlichen vorfinden würde, dies festzustellen mangelt uns gottlob die Zeit. Jedenfalls ist es beispielsweise nicht sehr lange her, dass gewisse liberale Flügelmänner der konservativen Bürgerpartei den in ihren eigenen vordersten Reihen stehenden politischen Geistlichen [3] an offenen Biertischen zu wiederholten Malen einen "P...f" [4] genannt haben.
Wir hatten den Freimut und werden ihn, so Gott will, auch in Zukunft haben, Sie und andere Herren, welche zum grossen Schaden eines wirklichen Glaubens die ungeschriebenen Grenzen ihres Wirkungskreises überschritten hatten, geziemend in die Schranken zurückzuweisen; den der gesagt hat: "Mein Reich ist nicht von dieser Welt" hat auch gesagt: "Gebt Gott, was Gottes, dem Kaiser aber, was des Kaisers ist!"
Hingegen könnten Sie, verehrter Herr, uns leicht auf den Gedanken bringen, dass Sie möglicherweise sehr wohl wünschen, dass wir Nationalsozialisten die Geistlichkeit als solche beschimpfen und beflegeln sollten.- Das würde Ihnen vielleicht ganz gut passen, fällt uns aber gar nicht ein, liegt uns überhaupt gar nicht! -
Sie berichten weiter: "Den Unterzeichneten sucht 'Der Umbruch' nun in der Nummer vom 12. Juli a.c. [5] in drei Artikeln unschädlich zu machen."- Aber Herr Pfarrer, das klingt ein wenig gar zu sehr nach Kartoffelkäfer! Sie scheinen uns in Anbetracht Ihrer Zumutung nach den Wünschen zu beurteilen, die Sie uns gegenüber allenfalls hegen. -
Wenn Sie uns übelnehmen, dass wir neulich den alten Heiden Aristoteles angerufen haben, so sind wir Ihnen deshalb nicht böse. Es ist nur ein wenig gefährlich für einen katholischen Geistlichen, mit dem Wort "unlogisch" in der Nähe eines so herrlichen und seltenen Geistes um sich zu werfen, auf dessen Lebenswerk formal auch das ganze Lehrgebäude der katholischen Kirche aufgebaut ist.
Was die genaue Stellungnahme und Worte des Kardinals [Arthur] Hinsley betrifft, so werden Sie dieselben in Eschen doch wohl schwerlich verlässlicher erfahren haben als die sicherlich unverdächtige "Neue Zürcher Zeitung" von ihrem ständigen Berichterstatter in London, den wir einfach wörtlich zitierten!? - Widrigenfalls ersuchen wir höflich um Auskunft. - Deshalb, weil wir die Stellungnahme eines Kardinals für den Bolschewismus, übrigens unter Berufung auf desselben Herren eigene frühere Einstellung beanstanden, haben wir noch lange nicht einen "hochangesehenen Kirchenfürsten auf das Gemeinste beschimpft." Es dürfte sich also hier Ihrerseits wohl um eine sogenannte rhetorische Übertreibung handeln, oder vielleicht nicht?
Aber selbst wenn wir einen Kirchenfürsten beschimpft hätten, so befänden wir uns dabei noch immer in guter Gesellschaft christlicher Männer, Savonarolas, Luthers und vieler anderer, sogar kanonisierter Heiliger, die nicht nur gegen Kardinäle, sondern auch gegen gewisse zeitweilige Verfallserscheinungen des Papsttums selber in oft nicht weniger als zart gewählten Worten zu wettern sich verpflichtet glaubten.
Sie brauchen daher als Geistlicher in diesem Falle nicht so laut zu protestieren, als wären Sie ein Protestant, Herr Pfarrer, sondern können beruhigt so tun, als ob der Kardinal Hinsley in London den Inhalt des "Umbruchs" bis jetzt noch nicht jeden Samstagmorgen begierig zum Frühstück verschlänge. - "Was weiter?"
"Der Artikelschreiber des 'Umbruchs' hatte wohl ein böses Insekt im Ohr, dass es in seinem Gehirn so durcheinanderging." - Es kann dem Reinlichsten einmal passieren, dass ihn ein gewisses Insekt am Ohr oder sonstwo beisst, aber dann wechselt man halt das Hemd. Dass jemandem wegen eines Flohstiches jedoch gleich das Hirn durcheinandergeht, erfahren wir soeben von Ihnen, mein Herr.
Wenn Sie des weiteren von sich selber resigniert feststellen: "Der alte Pfarrer von Eschen ist also ein ebenso gemeiner Helfershelfer [Josef] Stalins", so können wir Ihnen hier nicht viel dreinreden, das müssen Sie wohl selber am besten wissen.
Im "2. Umbruch-Artikel", der sich mit ihm befasst, findet der Herr Pfarrer gleich drei Unwahrheitskörner auf einmal und, nicht genug damit, "dann gleich noch eine ganze Serie"! - Schade, dass Sie uns vorenthalten, was damit eigentlich gemeint sein soll, es wäre sicher das Interessanteste. -
Wenn Sie sagen: "Da hört der Disput auf", so sagen wir: "Jetzt fängt er erst an."
Denn, da Sie feststellen: " Das deutsche Volk und deutsche Art habe ich immer in Ehren gehabt", so können Sie darunter doch nur etwas ähnliches wie Mr. W.C. [6] verstehen, als er vorgab, nichts gegen das deutsche Volk zu haben, und nur [Adolf] Hitler und alle seine Anhänger "unschädlich machen" zu wollen. - Warum dann aber ausgerechnet "Der Umbruch" "unehrlich" schreiben soll, ist uns nicht ganz klar.
"Von Pest, Hunger und Krieg usw." ist gewiss ein ehrwürdiges und der menschlichen Natur angepasstes Gebet.
Sicherlich ist der Krieg ein Übel, aber manchmal eben ein notwendiges. Dass jedoch der Krieg unter allen Umständen das schrecklichste Übel sei, dürfte den Herrn Pfarrer auch in unangenehme Widersprüche zu der Lehre bringen, welcher er selbst untersteht. Schon die alten Hellenen, die die Schrecken des Krieges aus eigener Anschauung bestimmt mindestens ebenso gut kannten wie die meisten Liechtensteiner von heute, nannten ihn dennoch den Vater der Dinge. Schlimmer als Krieg und Tod ist Feigheit, Schande und Schmach.
Als im gläubigen Mittelalter in nicht endenwollenden Kreuzzügen Millionen deutscher, französischer und italienischer junger Ritter mit den damals modernsten "Mordwaffen" auf die gleichfalls an einen einzigen persönlichen Gott glaubenden Sarazenen und Türken "losgelassen wurden" und "noch mehr Millionen daheim" wohl manchmal "angstvoll zitterten", so wäre dennoch jeder, auch ein noch so alter Pfarrer, schwer getadelt worden, wenn er dies "einen schwarzen Tag" genannt hätte; im Gegenteil, die Päpste selber forderten die abendländische Menschheit allenthalben zu den Kreuzzügen auf und predigten dieselben durch die ganze Hierarchie hinunter, wohl wissend, dass dem besten Christentum der beste Kern entzogen würde, wenn es auf der Welt keinen todesmutigen Heroismus für eine nun einmal als gut erkannte Sache mehr gäbe. Sogar Sie, Herr Pfarrer, bekennen ja todesverachtend von sich selbst: "Ich bin kein Mietling! und wenn ich den Wolf kommen sehe im Zylinder oder in der Narrenkappe, so trete ich ihm entgegen mit Gefahr meines Lebens", wohl wissend, dass sich jedermann unsterblich lächerlich machen würde, der Ihnen auch nur ein Haar zu krümmen gedächte. - Übrigens, verwechseln Sie ja nicht den Zylinder mit der Narrenkappe, sonst könnte am Ende die Sache mit den Schafspelzen nicht mehr klappen!
Es wird alsdann noch ganz unscheinbar und scheinbar ganz demütig hinzugeschrieben: "Die eventuell guten Folgen dieses Ringens kennt heute nur unser Herrgott." - Wenn der Herr Pfarrer darüber, was er mit diesen Worten andeutet, mit uns ein offenes Disputätchen will wagen, soll er's nur sagen, wir sind bereit! Er darf im Notfall auch ruhig einen Stellvertreter schicken, nur muss derselbe mit Aristoteles besser befreundet sein als mit der Narrenkappe. - Dass Sie, mein Herr, uns Nationalsozialisten gern als Kirchenschänder und Religionsfrevler sehen würden, glauben wir Ihnen schon. Aber Sie können doch schliesslich von uns nicht verlangen, dass wir unserer angestammten Gottgläubigkeit einzig zu dem Zwecke abschwören sollen, weil Sie Ihre unvorsichtigen und unüberlegten Behauptungen noch gerne ein Weilchen länger aufrecht erhalten möchten.
Ferner wird geklagt: "Ein drittes Mal in der gleichen Nummer geifert "Der Umbruch" gegen mich." - Verzeihen Sie, gegeifert wird bei uns überhaupt nicht, das überlassen wir grundsätzlich und ein für allemal den Wölfen im schwarzen Zylinder. -
Auch wir verkennen durchaus nicht gewisse "Gefahren der Seele", z.B. die Unehrlichkeit, das Duckmäusertum, den Pharisäismus, die Prüderie, den Selbstbetrug und ähnliche innere Verbogen- und Verkümmertheiten. Nur nehmen Sie uns doch bitte nicht übel, wenn wir in einem hübschen Mädchen im Turnanzug nicht gleich den Satan wittern! Sonst müssten wir jetzt sagen: "Da hört der Disput auf!" - Aber vielleicht versuchen Sie es vorher noch mit einer Beschwerde an der zuständigen Stelle, warum denn die vielen herrlichen Kunstwerke abendländisch-christlichen Schöpfergeistes z.B. im Vatikan z.T. immer noch so "notdürftig gekleidet" seien, auch mit den kleinen Kindern ist es zuerst so eine Sache!
Bei der Handhabung von Zucht und Sitte kommt es eben weniger auf das Was und mehr auf das Wie, den Geist und die innere Einstellung an. Darüber dürfen Sie ruhig einmal nachdenken. Dann bemerken Sie vielleicht auch, wie belustigt einige Ihrer eigenen Amtsbrüder über den blinden Eifer, den Sie so rührend kindlich an den Tag zu legen müssen glauben, herzlich zu kichern sich kaum noch enthalten können. Wir haben nämlich z.T. auch kluge und weise geistliche Herren im Lande. Dies behält auch für den Fall seine Richtigkeit, dass Ihre Kollegen etwa demnächst irgendeine von Mitleid zu Ihnen diktierte gemeinsame Erklärung abgeben sollten.
Lieb' Volk von Liechtenstein magst ruhig sein; fest steht und treu der Glaub' am Rhein; so fest, dass er auch dann nicht ins Wanken gerät, wenn leider Gottes ein Geistlicher den Teufel ausschliesslich deshalb möglichst grell an die Wand malt, um dadurch die dunklen Kleckse der eigenen Kanzel-Plumpser noch schnell ein wenig zu übertünchen.
Wenn der gute Klaus noch zu seinen Lebzeiten gesagt hat: "Haltet zu Eueren Geistlichen!", so würde er heute vorsichtshalber hinzufügen: "Aber nur dann, wenn sie sich nicht selber ungeschickterweise aufs Glatteis begeben!" Ihnen, Herr Pfarrer, würde der heilige Eidgenosse, so er die Bescherung, die Sie hiermit angerichtet haben, sähe, auf gut schweizerisch die Meinung derart deutlich ins Gesicht hineinsagen, wie man es heutzutage auf liechtensteinisch gar nicht mehr darf. -
Alles bisherige ist aber nichts gegen den listigen Nachsatz der Volksblatt-Schriftleitung, der da lautet:
"(Auf Ersuchen geben wir in Vorstehendem der Rechtfertigung eines ehrlichen Priesters gerne Raum. Die Schriftleitung.)"
Das ist denn doch die Höhe! Ein Gläschen Vaduzer in Ehren! Aber das geht zu weit! Dass es in Liechtenstein auch unehrliche Priester geben könnte, darauf wären wir Nationalsozialisten niemals gekommen, dieses schnöde Verdachtsgerücht in die Welt zu setzen, war bezeichnenderweise nur dem "Volksblatt" vorbehalten. -