Liechtenstein ersucht die Schweiz, die Wegweisung von Johannes Ude auf die Kantone St. Gallen und Graubünden auszudehnen


Note der liechtensteinischen Gesandtschaft in Bern an die Polizeiabteilung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements [1]

17.9.1932

Der Polizeiabteilung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes beehrt sich die fürstlich Liechtensteinische Gesandtschaft mitzuteilen, dass die fürstliche Regierung unterm 16. September Herrn Prof. Dr. Johannes Ude aus Graz, derzeit wohnhaft bei Herrn Pfarrer [Gebhard] Gunz in Tisis aus dem Gebiet des Fürstentums weggewiesen hat, weil er beabsichtigte, in Liechtenstein Vorträge zu halten, die den Landesfrieden zu stören geeignet sind. [2] Da der Genannte nunmehr in Umgehung dieser Wegweisung die Abhaltung solcher Vorträge am 18. September im benachbarten Haag angesagt hat, wäre die fürstliche Regierung der Polizeiabteilung dankbar, wenn sie, gestützt auf die Vereinbarung vom 28. Dezember 1923 betreffend die Regelung der fremdenpolizeilichen Beziehungen zwischen der Schweiz und Liechtenstein [3] diese Wegweisung auf die Kanton St. Gallen und Graubünden ausdehnen wollte. [4]

Die fürstliche Gesandtschaft benutzt auch diesen Anlass, um die Polizeiabteilung erneut ihrer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

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[1] LI LA V 002/0381 (a). Nr. 1081. Paraphe von Emil Beck.
[2] LI LA RF 129/247/062.
[3] Liechtenstein berief sich auf Art. 7 dieses Vertrags: "Aus dem Fürstentum ausgewiesenen Ausländern, Schweizer ausgenommen, wird Aufenthalt und Niederlassung in den Kantonen St. Gallen und Graubünden nur mit Zustimmung der Fürstlichen Regierung bewilligt" (LI LA SgSTV 1923.12.28).
[4] Die Schweiz untersagte den Vortrag Udes in Haag und wies ihn nach Österreich weg, vgl. das Gedächtnisprotokoll Udes vom 16. und 18.9.1932, abgedruckt bei Alois Kabelka: Der neue Fall Ude. Tatsachen und Hintergründe seiner Verhaftung und Ausweisung aus Liechtenstein, in: Zeitschrift für Volkssittlichkeit und Volksaufklärung 5, 1932, Heft 4, S. 29-37, hier S. 36f. Dieser Entscheid führte in der schweizerischen Öffentlichkeit zu einiger Kritik, vgl. die Zeitungsausschnitte in LI LA V 002/0381 sowie die Korrespondenz von Josef Hoop in LI LA RF 129/247. Zum weiteren Verlauf der Angelegenheit vgl. LI LA RF 129/247/026.