Artikel in der Erstnummer des "Liechtensteiner Heimatdiensts" von Vorstand und Zentralausschuss des Liechtensteiner Heimatdienstes [1]
14.10.1933
Die Heimat ruft!
Seit 20 Jahren schon lastet schwerstes Verhängnis über der Welt. Krieg und Not, Misstrauen und Hass haben die Menschheit in ihren tiefsten Tiefen aufgewühlt. Die Ideale wurden zertrümmert, die Autorität untergraben, die ethischen Werte zerstört. Neid und Missgunst haben die Wirtschaft an den Rand des Abgrundes gebracht. Und zuletzt blieb von all dem Gezänke nichts mehr übrig als eine müde, geschlagene, rastlose Menschheit und ein tiefes, unendliches Sehnen nach Frieden. Friede das Losungswort unserer Zeit.
Und allenthalben beginnt es sich zu regen. Neues Leben beginnt auf dem Trümmerfeld des politischen Kampfes zu keimen. In Deutschland, in Österreich, in Italien, ja in allen umliegenden Staaten werden neue Wege gesucht, wird fieberhaft am Neubau der Gesellschaft gearbeitet.
Und wir Liechtensteiner?!
Auch wir haben uns seit Jahren bekämpft und gehasst. In jede Familie, in die Villa des Reichen, in die Hütte des Armen wurde der politische Hader getragen, die Jugend vergiftet und selbst die Köpfe der Redlichen und Ehrlichen verwirrt. Seit Jahren wälzen sich die schmutzigen Fluten des Parteihasses durch unser Land und zerstören unser geistiges und wirtschaftliches Leben. Nach Parteigrundsatz werden politische Entscheidungen getroffen und getroffene Entscheidungen kritisiert.
Bangen Herzens fragen wir uns: Wohin? Wohin führt uns dieser Weg. Und jeder, der Augen hat zu sehen, wird entsetzt bekennen müssen: Nur weiter auf dieser Bahn und wir stehen gar bald vor dem geistigen und wirtschaftlichen Ruin.
So rufen wir Euch Liechtensteiner. Rufen Euch auf zur Rettung unseres geliebten Vaterlandes aus Parteinot . Weg mit dem Parteisystem, das uns nur Unheil gebracht. Weg mit Verhetzung und Hass, die unsere wirtschaftliche und geistige Atmosphäre vergiften. Weg mit Zwietracht und Neid. Wir rufen zur Sammlung, wo seit Jahren Zersplitterung geherrscht. Wir Liechtensteiner wollen uns finden zu einträchtiger Arbeit im Dienste unseres Landes. Wir wollen aus dem Durcheinander ein organisches Ganzes schaffen, in dem jeder in Ruhe seine Aufgabe erfüllen kann.
Jeder, der dem "Heimatdienst" beitritt, leistet schon durch seine blosse Beitrittserklärung der Heimat einen Dienst, da er hierdurch seine Gegnerschaft zum Parteiensystem bekundet. Sind die Parteien einmal aus unserer Herrschaftsordnung ausgeschaltet, dann sind die Voraussetzungen für ein gesundes Wirken auf wirtschaftlichem und kulturellem Gebiete geschaffen und auch der Zeitpunkt eingetreten, da der "Heimatdienst" seine Tätigkeit auf beiden Gebieten eröffnen kann. An Stelle des hässlichen und das wirtschaftliche Denken vernichtenden Parteikampfes tritt die Arbeit für die Heimat!
Wir rufen Euch Liechtensteiner!
Zu uns alle, die ihr es redlich meint mit unserem Vaterland.
Zu uns, die ihr endlich der Parteiherrschaft und Parteiknechtschaft müde seid.
Wir weisen Euch den Weg zum parteilosen Staat, zum politischen Frieden.
Wir geben Euch wieder Euer politisches Recht.
Wer die Heimat liebt und sich in Treuen dem angestammten Fürstenhaus verbunden weiss, wird sich in unsere Reihen stellen.
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[1] L.Heimatd., Nr. 1, 14.10.1933, S. 1. Den Vorstand des Liechtensteiner Heimatdienstes bildeten damals Eugen Schafhauser (Präsident), Otto Schädler (Vizepräsident), Alois Vogt (Sekretär), Carl von Vogelsang (Kassier) und Richard Meier. Dem Zentralausschuss gehörten an: Martin Risch (Vorsitzender), Georg Frick, Franz Beck, Gustav Ospelt, Egon Meier, Julius Wanger (L.Heimatd., Nr. 1, 14.10.1933, S. 4 ("Die Gründung und Leitung des L.H.D."), LI LA RF 136/410/001).