Der Landtag debattiert über die Proporzinitiative


Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung des Landtags, nicht gez. [1]

9.5.1935

6. Proporzinitiative. Behandlung

Reg. Chef [Josef Hoop]: Die Initiative ist seinerzeit formgerecht angemeldet, von der Regierung publiziert worden und die erforderlichen Unterschriften sind eingelaufen. Nachdem es sich hier um eine Aufgabe der Legislative handelt, hat die Regierung nicht weiter hiezu Stellung genommen. Ich sehe keine wenn Möglichkeit, wenn die Vorlage vom Volke angenommen würde, ein bezgl. Ausführungsgesetz innert der verlangten Frist einzureichen. Ebenso lassen sich das Verhältniswahlrecht und die Gemeindebindung nicht vereinigen. Ich halte es nicht für gut möglich, dass jede Gemeinde einen Abgeordneten haben kann. Es sind zwei Bestimmungen in der Initiative, die einander widersprechen. Ein weiterer Mangel ist, dass sie unklar ist und sie führt zu Streitigkeiten. In der Nachkriegszeit ist der Proporz modern geworden, hat jedoch wieder viel an Beliebtheit eingebüsst. Man ist in verschiedenen Staaten bereits davon abgegangen. Er scheint auf den ersten Blick etwas Schönes zu sein, weil der Proporz den Parteien eine Gerechtigkeit willfahren lässt. Es ist aber zweifelsohne eine starke Parteibildung zu befürchten. Ganz automatisch werden Parteien auf den Plan gerufen. Jede Gruppe will das Möglichste herausholen. Es wird Kompromisse geben und der Landtag ist zur Untätigkeit verurteilt. Die ganze moderne Wahlrechtsliteratur verhält sich aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre gegenüber dem Proporz ablehnend und bei uns soll er eingeführt werden. Von grosser Tragweite sind die wirtschaftlichen Folgen. Die Sparkasse macht beständig aufmerksam, dass sie beständig unter einem ungeheuerlichen Druck lebt. Es sind bereits auf diese Initiative hin Kapitalien gekündigt worden. Das Kapital ist empfindlich und betrachtet jede Änderung der staatsrechtlichen Form mit zweifelnden Augen. Man sieht dies in der Schweiz wegen der Kriseninitiative. Diese Nachteile, die wir vom Proporz zu gewärtigen haben, bestehen tatsächlich. Schon die Demonstration im Dezember hat ungeheuer geschadet. Seit Einbringung der Initiative ist die Situation noch schlimmer geworden und etliche Hunderttausende von Franken sind gekündigt worden. Vom Standpunkte der Sparkasse ist die Proporzinitiative durchaus unzweckmässig, wie überhaupt der Proporz heute nicht mehr als Wahlrecht von höherem Werte betrachtet werden kann.

[Peter] Büchel: Ist das eigentlich ein Sammelbegehren, wie es die Initiative verlangt. Ich habe mir vorgestellt, das man klipp und klar auszuführen hat im Gesetz, was man will. In der Vorlage sind Widersprüche, die ich nicht verdauen kann. Wir geben dem Volke etwas zur Abstimmung, was ein Wirrwarr ist. Ein Gesetz muss klar sein, nicht Widersprüche beinhalten. Wenn einer mir diese Frage nicht lösen kann, möchte ich die Einholung eines Gutachten empfehlen.

Präsident [Anton Frommelt]: Für mich ist die Sache einfach und der Proporz ist für mich nie das gewesen, was ich verdauen könnte. Den ersten Absatz muss ich ablehnen aus persönlicher Überzeugung und den zweiten Abschnitt lehne ich ab wegen der Widersprüche. Das ganze ist eine Finte. Etwas was unmöglich ist, wollen sie dem Gesetzgeber aufbinden. Ich würde die Einholung eines Gutachtens nicht empfehlen. Ich würde die Vorlage kurzerhand behandeln.

Risch Bernhard: Meine Ansicht ist, dass noch kurz vor Torschluss ein Rummel inszeniert werden soll. Das Volk soll beruhigt werden. Ich möchte die Worte des Herrn Regierungschef unterstreichen, es ist unsere Pflicht, das Volk auf die Folgen aufmerksam zu machen.

Präsident: Die Sache ist ganz einfach so, das Regime, das zwangsmässig 1928 ans Ruder gekommen ist, soll hinweggefegt werden. Man sieht nicht gern, wenn diese Richtung anständig abschliesst. Es ist dies eine unverantwortliche Beunruhigung des Volkes. Sie ist nicht im Sinne einer ernst gemeinten Bessergestaltung des Staates gemeint.

Reg. Chef: Ich habe auch schon daran gedacht, dem Volke ein Exposé hinauszugeben. Was hat der Landtag hiezu zu sagen.

Der Landtag billigt diesen Vorschlag und steht auf dem Standpunkte, dass die vorgelegte Initiative sowohl aus politischen als auch wirtschaftlichen Gründen abzulehnen sei. Von der Einholung eines Gutachtens wird Abstand genommen. Die Botschaft [2], die an das Volk hinausgegeben werden soll, wolle noch einmal im Landtage behandelt werden. 

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[1] LI LA LTP 1935/025.
[2] Siehe die Botschaft des Landtags an die Wähler in Sachen Proporzinitiative vom 24. Mai 1935 (LI LA RF 152/323/002/036g).