Fritz Schaie (Rotter) wird nach dem nationalsozialistischen Entführungsversuch als Zeuge gerichtlich einvernommen


Protokoll der Zeugeneinvernahme von Fritz Schaie (Rotter), gez. derselbe sowie Landrichter Julius Thurnher und Schriftführer Marzell Sele [1]

7.4.1933

Vor dem f.l. Landrichter Dr. Julius Thurnher und dem Schriftführer Sele Marzell.

Fritz Rotter, 44 Jahre alt, ledig, Theaterleiter und Schriftsteller in Vaduz und gibt als Zeuge vernommen an:

In der letzten Woche, den Tag kann ich nicht mehr angeben, hat uns der Hotelbesitzer Epstein aufmerksam gemacht, es wäre ein junger Mann im Nebenraum, der möchte uns kennen lernen, es war Herr [Rudolf] Schädler von Gaflei, der wolle uns kennen lernen, er sei auch Musiker. Bei ihm war ein junger blonder Herr. Mein Bruder [Alfred Schaie] stand gleich auf und begab sich zu ihnen an den Tisch. Als die Damen dann aufstanden, habe ich mich dann auch an den andern Tisch gesetzt.

Er war sehr freundlich und er machte auf uns einen grossartigen Eindruck. Wir unterhielten uns auch über unseren privaten Verhältnisse und auch über einen eventuellen Sommeraufenthalt im Kurhaus Gaflei.

Wir waren früher schon einmal in Gaflei, da hat er [sich] aber nicht gezeigt und er sagte, er sei damals oben gewesen, sei aber drei Tage nicht rasiert gewesen. Ein zweites Mal waren wir auch oben, da war das Hotel jedoch geschlossen. Das wusste Schädler auch, Herr Epstein hat ihm das gesagt. Man sprach darüber, dass wir gelegentlich einmal mit ihm hinauffahren, er wollte uns in seinem Auto hinauffahren. Er wollte uns da das ganze Kurhaus zeigen und wir sollten uns dann auch die Zimmer aussuchen, die wir nehmen wollten.

Am Mittwoch Vormittag trafen wir dann zufällig beim Postgebäude den Schädler, er stand bei seinem Auto. Man kam dann wieder auf die Sache zu sprechen, ich glaube mein Bruder sagte, heute sei ein schöner Tag, man könnte vielleicht heute noch hinauf fahren und wir verabredeten, dass er uns um 2 Uhr im Hotel abholen sollte. Er hat aber noch gesagt, er habe viel Arbeit mit Kartoffelstecken, aber um 2 Uhr könne er da sein.

Er kam dann erst gegen ½ 3 mit seinem Wagen zum Waldhotel, wo wir wohnen. Neben ihn setzte sich die Schwägerin Gertrud [Schaie]. Ich sass rückwärts rechts, mein Bruder links und in der Mitte die Frau [Julia] Wolf.

Es gab dann gleich ein Unfall, das rechte Hinterrad bekam einen Defect. Wir gingen dann zu Fuss bis zum Schloss und er ging zurück nach Vaduz zum Gerster, das Rad auszuwechseln. Dann fuhr er uns nach Gaflei. Er fuhr dann, was uns etwas auffiel, nicht über Triesenberg, sondern über Frommenhaus, obwohl das der steilere schlechtere Weg ist, und obwohl die Damen vor der Fahrt gebeten hatten, die besten Wege zu fahren.

Fast während der ganzen Fahrt hat sich die Schwägerin freundlich mit ihm unterhalten. Es war ein wunderschöner sonniger Tag und die Schwägerin hat wiederholt auf das herrliche Wetter und auf die herrliche Gegend hingewiesen.

Je näher wir dem Gaflei kamen, umso schneller fuhr er, die Damen baten ihn, nicht so rasch zu fahren, weil oben noch etwas Schnee war und der Wagen rutschte. In demselben Tempo fuhr er wieder bis zum Hause vor.

Schon vor der Wagen stillstand, sprangen hinter dem ersten Hause Männer hervor, hielten Revolver hoch und riefen, Hände hoch, wir schiessen. Sie haben auch gleich geschossen. Ich weiss jedoch nicht mit was.

Ich glaube mit irgend einem Pulver, denn es schmerzten mich die Augen noch den ganzen Tag. Es entstand dann ein Handgemenge, da wir uns wehrten und wie wild mit den Fäusten um uns schlugen. Im Verlauf dieses Gemenges wurde ich abgedrängt, man schleppte mich in einen Vorraum vor dem Saal und hier ging die Keilerei von Neuem los. Sie kamen mit Handfesseln und wollten mich fesseln, die Hände auf den Rücken bringen, das gelang ihnen jedoch nicht vollständig. Sie konnten mir zwar die Handschelle um die rechte Hand bringen, die zweite Handschelle hing daran. Sie konnten mich nicht fesseln, weil ich mich immer noch wehrte. Als ich noch einige feste Hiebe gegen die Stirn bekommen hatte, so dass ich blutete, fuhr ein Auto vor mit deutschen Nummern, und der Chauffeuer sagte einsteigen. Es war gut, dass sie gingen, denn ich war am Ende meiner Kräfte.

Nach einiger Zeit kam dann Schädler und gab sich den Anschein, als wollte er sich um mich bemühen. Ich fragte zunächst, wo der Bruder, die Schwägerin und Frau Wolf seien. Er erklärte, die seien in Sicherheit, er habe schon der Polizei telephoniert.

In dem Auto von Schädler lag noch der Mantel meiner Schwägerin, ich glaubte ihm deshalb auch eher. Da half er [mir] einsteigen und sagte, er wollte mich nach Vaduz bringen, ich sagte, es genüge bis nach Masescha, dort könne man schon Hilfe bekommen, damit war er einverstanden. Er fuhr dann schnell abwärts, in Masescha fuhr er mit rasendem Tempo vorüber, ich sagte, um Gotteswillen, halten sie doch, er meinte, er könne nicht, sonst würden wir verunglücken. Er hatte offenbar Angst, weil ich hinter ihm sass. Richtiger sagte er, wenn sie mir etwas tun, dann verunglücken wir. Dann kam der andere Wagen wieder in Sicht, da habe ich dann die Nummer des Wagens feststellen können. Dann kamen wir in das Waldi, er fuhr dort mit dem gleichen schnellen Tempo vorüber, dort arbeiteten 3 Männer auf der Strasse, dass gab mir den Mut, die Türe des Wagens aufzureissen und aus dem fahrenden Wagen hinauszuspringen. Dabei stürzte ich und schlug mit die linke Achsel entzei. Ein Fräulein Schauer hat das vom Waldi aus gesehen und war mir behilflich. Dann hatte ich mich dann in Haus gewaschen und wie ich [mich] dann etwas erholt hatte, habe ich dann telephoniert. Es galt dies auch meinem Bruder, der Schwägerin und der Frau Wolf, es wurde mir klar, dass diese nicht in Sicherheit seien, da es jetzt offenbar war, dass Schädler mit den andern im Bunde war.

Seltsamerweise konnte er jetzt 50 - 100 Meter vom Waldi weg anhalten.

Er kam ins Haus hinein und sagte, er brächte jetzt Hilfe. Er fuhr dann wieder Gaflei zu und nach kurzer Zeit wieder mit einem Herrn rasenden Tempo abwärts, ohne beim Waldi zu halten.

Ich werde die einzelnen Leute, die uns überfallen haben, wieder erkennen, besonders diejenigen, mit denen ich gekämpft habe und gegen deren Waffen ich mich gewehrt hatte. Jeder hatte irgend etwas in der Hand, einen Schlauch, eine Handschelle, eine Pistole oder auch Stricke. Einer wollte mir auch ein Tuch in den Mund stecken.

Gefertigt: 

 

______________

[1] LI LA J007/S066/043/025. Vgl. die Protokolle der Beschuldigteneinvernahmen von Rudolf Schädler vom 5. und 6. April 1933 (LI LA J007/S066/043/002 und LI LA J007/S066/043/017) und von Eugen Frommelt vom 6. April 1933 (LI LA J007/S066/043/013).