Amtsvermerk von Regierungschef Josef Hoop, ungez. [1]
o.D. (vermutlich Ende Januar, Anfang Februar 1937)
Im Laufe der folgenden Tage fand im Beisein von Herrn Dr. [Alois] Vogt eine Sichtung des Materials statt, das im Redaktionsbüro sowie in der Wohnung beschlagnahmt worden war. [2] Die Parteiakten, wie alle jene Papiere, die für die Abklärung der Spitzeltätigkeit [Carl von] Vogelsangs ohne Belang waren, wurden zurückgegeben, die anderen zusammengeheftet und mit dem Siegel Dr. Vogts versehen. Eine Durchsicht der letzteren Papiere ergibt nun folgendes Bild:
Unter den vorgefundenen Papieren ist eine Notiz ohne weitere Adresse und Datum ähnlich jener in der [Ludwig] Hasler, [Alfred] Hüsler und [Balthasar] Ruhland denunziert wurden, welche David Strub von Vaduz sowie Hugo Röckle von Vaduz als sehr hitlerdeutschlandfeindlich schildert. Die Bank in Liechtenstein wird als eine Schieberbank hingestellt. Die Pension Strub sei seit 2 Jahrem fast ausschliesslich von Judenschiebern und antideutschen Gästen frequentiert. Der Fürst [Franz I.] sei Hauptaktionär der Bank, die Fürstin [Elsa] habe dort grossen Einfluss, Röckle habe in den vergangenen 2 Jahren wiederholt Reisen nach Deutschland, teils mit der Reichsbahn, teils mit dem Motorrad gemacht und über diese Deutschlandreise sich zweideutig im Gasthause in guter Stimmung geäussert, wie z.B. die Nazis wären doch nicht so raffiniert, wie [sie] sich vorkommen, er sei beim Grenzübertritt untersucht worden, aber sie hätten ihn nicht erwischt u.s.w. Röckle mache kaum den Eindruck eines Devisenschiebers, weshalb sein Arbeitgeber, die Bank in Liechtenstein, ihn für Schiebungen geeignet finde. Strub wettere bei jeder Gelegenheit über die deutschen Devisenbestimmungen. Röckle gab an, bei seinen deutschen Reisen die Grenze beim Hin- und Herweg an verschiedenen Orten zu überschreiten, z.B. wiederholt bei Passau, wo er angeblich auf der Rückreise Bekannte besuche. Es sei anzunehmen, dass für unsaubere Geschäfte die Bank am allerehesten die zwei vorgenannten Herren benütze (Akt Nr. 79). [3]
Tatsächlich wurden die Genannten denn auch bei ihrem Grenzübertritt energisch untersucht.
Unter den Akten findet sich auch eine Liste sämtlicher Juden in Liechtenstein (Akt Nr. 70) Unter die Juden sind hier Leute aufgenommen, die bekannte alte arische Familien sind (Frau Dr. [Rosa] Batliner, Dr. [Alfred Josef] Preuss).
Ebenso liegt bei den Akten eine Liste von hier niedergelassenen Firmen (Akt Nr. 69).
Sodann eine Liste der hier niedergelassenen Ausländer (Akt. 46).
Es ist nicht anzunehmen, dass Vogelsang diese Listen zu seinem Privatvergnügen aufgestellt hat.
Unter Akt. 48 bis 53 liegt die Kopie eines Exposés vor, das die unerhörtesten Lügen über Liechtenstein enthält und darin gipfelt, dass die nationale Bewegung in Liechtenstein vor dem finanziellen Zusammenbruch stehe, während ihr doch leicht durch finanzielle Zuwendungen und andere Möglichkeiten geholfen werden könnte.
Bemerkenswert ist im Exposé auch, dass Namen von Juden, die angeblich Liechtenstein überschwemmen, direkt erfunden worden sind, nur um die Überjudung des Landes möglichst krass darzustellen.
Als Berufsspion machte er sich an die hier ansässigen Fremden heran, um sie nachher zu denunzieren, so an Frl. [Christl-Marie] Schultes (Akt 13-16), die er dann denunzierte (Akt. 52). Akt Tanner [Martin Danner] 56/52, [Johann] Imiela 52, René [Hans Gustl Kernmayr] 45. Für seine unsauberen Geschäfte hatte er ein Postfach in Feldkirch. Die Quittungen für dieses Postfach (1.10.1935 bis 31.12.1936) liegen unter Akt 55 vor.
Er arbeitete mit Deckadressen (Akt 19 und 34).
Mit Berlin und auch Stuttgart führte er die Korrespondenz nicht mit Namen unterzeichnet, sondern mit einer ihm zugeteilten Nummer.
Unter den Akten finden sich auch Berichte an den Stürmer, das bekannte antisemitische Blatt in Deutschland, in welchem die Juden ausführlich und einzeln geschildert werden.
Auf den bezüglichen Blättern sind teilweise Vermerke, wann das Schreiben an den Stürmer abgegangen ist (Akt 80-101).
Die Berichte im Stürmer über die Juden in Liechtenstein [4] decken sich zum Teil wörtlich mit den Vogelsang'schen Angaben.
Vogelsang gibt in seiner Korrespondenz seine Tätigkeit für Deutsche Amtsstellen auch ohne weiteres zu. Er hatte einen grossen Verkehr mit Deutschland (Akt 121 und 123). Er nahm am Parteitag in Nürnberg 1934 als Ehrengast teil, wozu ihm die Karte Rudolf Schädler von Gaflei verschafft hatte (Akt 24 und 32). Er machte hohe Reichsstellen auf Personen aufmerksam (Akt 26). Er anerbietet sich, Freunden in Deutschland durch seine Fürsprache bei den massgebenden Instanzen zu helfen (Akt 59, 73 und 73).
Reisedienst
Der Reisedienst des Liechtensteiner Heimatdienstes wurde aufgezogen, um den Fremdenverkehr mit Deutschland in besonderem Masse zu pflegen. So begrüssenswert dieses Ziel war, wurde er dennoch von Rud. Schädler und Vogelsang ausgesprochen für die politischen Zwecke des Heimatdienstes und für die zum Heimatdienst sich bekennenden Gasthäuser ausgewertet. Er erstrebte eine Monopolisierung des ganzen Fremdenverkehrs von Deutschland nach Liechtenstein in seiner Hand (Akt 37). Er richtet an eine deutsche Stelle das Ersuchen, dem Württembergischen Verkehrsbüro Ruoff jede Arbeit nach Liechtenstein zu verbieten, da er die nationalen Belange schädige und hier auch Häuser beliefere, die nicht national eingestellt seien. Desgleichen macht er sich an die Frontisten in der Schweiz heran, denen er unter Berufung auf die gleichgerichteten politischen Anschauungen der Besuch von Gaflei für die Mitglieder und ihre Familienangehörigen empfiehlt (Akt 105 und 109).
Allgemeine Charakterisierung
Die Tätigkeit Vogelsangs zum Schaden des Landes wird erklärlich, wenn man seine Einstellung zu Liechtenstein kennt. Er sagt in einem Schreiben vom 26.11.1935, Akt 5, dass er und seine Bewegung, der Liechtensteiner Heimatdienst, antisemitisch seien. Er erklärt Deutschland für sein Vaterland (Akt 10). Er ersucht um Aufnahme in die nationalsozialistische Partei. Er rühmt sich in einem Schreiben vom 14.3.1935 an eine Bekannte, dass er an das Polizeipräsidium geschrieben und auch entsprechende Dinge angegeben habe, die dort bestimmt wirksam sind, und seine eigene Tätigkeit für die nationale Bewegung angab. Er möchte in den Stab Baldur von Schirachs aufgenommen werden (Akt 122). Er ersucht schon im Jahre 1933 um die Einbürgerung in Deutschland an. Er verunglimpft Liechtenstein in einem Masse, das jeder Beschreibung spottet (Akt 23). Er verhandelt wegen streng geheimer Unterbringung von Liechtensteinern im Deutschen Arbeitsdienst und will Liechtensteiner an den Reichsparteitag nach Nürnberg führen.
Helfer
Es ist erwiesen, dass John Büchel Vogelsang in seiner Spitzeltätigkeit unterstützte. Die Liste mit den Juden sowie der Denunziationsbericht über Strub und Röckle sind mit der Maschine geschrieben, die John Büchel für seine Korrespondenz benützte. In der Korrespondenz sind Namen genannt, die nicht ausgeschrieben sind, sondern nur mit Anfangsbuchstaben angeführt werden (Akt 116 und 115). Dr. Schlegel von Schaan wird genannt, der um eine Audienz bei [Julius] Streicher ersucht (Akt 115). An Rechtsanwalt Dr. Vogt schickt Vogelsang Abschriften von Briefen, die zwischen Pater [Gregor] Jussel und Pater [Johann] Schrank gewechselt worden sind. Er schreibt im Briefe (Akt 21): "Ich sende Dir anbei einige Schriften, die ich bis zur Rückgabe aufzubewahren bitte, sie dürften Dich interessieren:
a) Abschriften zwischen Pater Jussel und Pater Schrank gewechselter Briefe. Pater Schrank wurde wegen Devisenschiebungen, zu denen ihn Jussel angestiftet hatte, zu mehreren Jahren Zuchthaus verurteilt. Aus dem Briefwechsel geht hervor, welcher gemeine Mensch Jussel ist.
Es wäre interessant, zu wissen, wieso Vogelsang in den Besitz der Korrespondenz Jussels kommt. Warum legte Vogelsang diese Briefe Dr. Vogt vor? Vermutlich auf die gleiche Art, wie John Büchel, der von Frl. Ruhland Abschriften der von ihren Arbeitgebern geführten Korrespondenz wünschte.
Allem Anscheine nach hat Vogelsang noch viel mehr Denunzierungen gemacht, was allerdings in den Akten nicht auffindbar ist, da er vermutlich bei seinen vielen Reisen nach Deutschland unmittelbare Fühlung mit den Grenzstellen hatte.
Schluss: Protest wegen Denunzierung des Landes in Deutschland. Verlangen um Kenntnisnahme und Genehmigung der getroffenen Massnahmen. Beschlussfassung über Spitzelgesetz.