Rechtsanwalt Alois Vogt ersucht die Regierung im Rahmen der "Spitzelaffäre" um die Übergabe des Falles an den ordentlichen Richter gemäss der Strafprozessordnung


Schreiben von Rechtsanwalt Alois Vogt an die Regierung [1]

27.1.1937

In meiner Eigenschaft als Rechtsvertreter des Herrn Carl Freiherr v. Vogelsang gelange ich an die liechtensteinische Regierung in nachstehender Angelegenheit.

Am Samstag, den 23. Januar d.J. wurde im Redaktionsbüro des Liechtensteiner Vaterlandes und in der früheren Wohnung des Herrn v. Vogelsang eine polizeiliche Hausdurchsuchung vorgenommen und dabei verschiedene Aktenstücke und Korrespondenzen beschlagnahmt.

Die Polizei wies sich mit einem Durchsuchungsbefehl [2] des Herrn Regierungschef Dr. [Josef] Hoop und nicht mit einem Durchsuchungsbefehl des Herrn Richters aus und erklärte die Untersuchung wegen Verdachtes des Hochverrates vornehmen zu müssen.

Entgegen den Ausführungen der Polizei erklärte Herr Regierungschef Dr. Hoop es liege eine strafbare Handlung nicht vor und deshalb auch kein Anlass zu einem gerichtlichen Vorgehen gegen Baron von Vogelsang.

Von der Polizei wurde die Zustellung eines richterlichen Befehles und die Übergabe der Angelegenheit an das zuständige Gericht binnen 24 Stunden in Aussicht gestellt.

Am Sonntag, den 24. Januar d.J. erklärte Herr Regierungschef Dr. Hoop in einem Telephongespräch mit mir, die Regierung werde die ganze Angelegenheit samt den beschlagnahmten Akten an das Landgericht übergeben.

Montag, den 25. Januar d.J. ersuchte mich Herr Regierungschef Dr. Hoop gemeinsam mit ihm die beschlagnahmten Akten zu sichten. Ich erklärte mich grundsätzlich bereit, ersuchte aber den Herrn Regierungschef um die genaue Angabe der gesetzlichen Grundlagen der Durchsuchung, da ich Wert darauf legen würde, dass die angestrebte Untersuchung streng im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen vor sich gehe und der ordnungsgemässe und gesetzliche Vorgang eingehalten werde. Auf meine Anfrage hin gab Herr Regierungschef Dr. Hoop eine ausweichende Antwort und verwies lediglich auf die Tatsache, dass die Beschlagnahme nun einmal erfolgt sei.

Da mir bis heute ein richterlicher Befehl nicht zugestellt wurde, ersuche ich um Mitteilung, ob die Angelegenheit bereits entsprechend den Bestimmungen der Strafprozessordnung an den ordentlichen Richter übergeben wurde oder nicht. Sollte dies nicht der Fall sein, ersuche ich die fürstliche Regierung, das Versäumnis nachzuholen und mich von dem ordnungemässen Abschluss der Angelegenheit bei der Verwaltungsbehörde zu benachrichtigen.

Ist jedoch die fürstliche Regierung gesonnen unter Ausserachtlassung der gesetzlichen Bestimmungen die Angelegenheit unter Umgehung des ordentlichen Richters selbst zu untersuchen und die beschlagnahmten Akten selbst zu sichten, ersuche ich, allerdings unter dem Vorbehalt, dass ich eine nichtrichterliche Untersuchung nicht als gesetzlich anerkennen könnte, gemäss der Zusicherung des Herrn Regierungschef Dr. Hoop um Zuziehen zur Sichtung der beschlagnahmten Akten.

Sollte die Angelegenheit dem ordentlichen Richter übergeben werden, erkläre ich mich zudem bereit, parallel zu der richterlichen Untersuchung gemeinsam mit Herrn Regierungschef Dr. Hoop persönlich für eine Abklärung der leidigen Angelegenheit besorgt zu sein.

Hochachtungsvoll

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[1] LI LA RF 169/170/002/011.
[2] Siehe LI LA RF 169/170/002/001