Schreiben des Deutschen Konsulats in Zürich, gez. Generalkonsul Hermann Voigt, an Regierungschef Josef Hoop [1]
7.6.1943, Zürich
Sehr geehrter Regierungschef!
Indem ich auf unsere Besprechung vom 1. März über flüchtige Kriegsgefangene in Liechtenstein Bezug nehme, beehre ich mich, Ihnen zur Kenntnis zu bringen, dass die Reichsregierung aus besonderem Entgegenkommen bereit ist, auf die Auslieferung des französischen Kriegsgefangenen Elie Brisse, wie sie an sich dem Abkommen vom August 1941 [2] entsprechen würde, zu verzichten. [3] Indes muss die Reichsregierung dieses Entgegenkommen davon abhängig machen, dass einmal die Liechtensteinische Regierung das Abkommen vom August 1941 bestätigt und sich hinsichtlich der noch der Klärung bedürftigen, in meinem Schreiben vom 4. Dezember 1942 erwähnten Punkte [4] im Sinne der Reichsregierung äussert, sowie die Verpflichtung übernimmt, in Zukunft flüchtige Kriegsgefangene jeder Nationalität lediglich vorübergehend zum Zweck ihrer unverzüglichen Überstellung an die deutschen Behörden in Gewahrsam zu nehmen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir möglichst bald ein Schreiben im Sinne des Vorstehenden zugehen lassen wollten. [5]
Genehmigen Sie, Herr Regierungschef, die Versicherung meiner vorzüglichsten Hochachtung.
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[1] LI LA RF 206/142/037. Aktenzeichen: Li 1.
[2] LI LA RF 206/142/002v.
[3] Liechtenstein suchte seit Ende 1942 von Deutschland das Zugeständnis zu erhalten, aufgegriffene Kriegsgefangene in Liechtenstein zurückbehalten und sie für Arbeitseinsätze in der Landwirtschaft verwenden zu dürfen. Vgl. LI LA RF 206/142/029, 035.
[4] LI LA RF 206/142/025a-b.
[5] Liechtenstein lehnte die Ausdehnung der Vereinbarung auf Kriegsgefangene aller Nationalitäten ab (LI LA RF 206/142/041). Carl Dienstmann, der Nachfolger Voigts als Generalkonsul in Zürich, kam dann schliesslich im November 1943 zur Überzeugung, dass Liechtenstein in dieser Frage kaum eigenen Spielraum habe, und verzichtete darauf, auf den Forderungen zu beharren.