Zusammenfassung des Vortrags von Regierungschef Josef Hoop, gehalten am 12.12.1940 im Deutschen Ausland-Club in Stuttgart, im "Liechtensteiner Volksblatt" [1]
24.12.1940
Das Fürstentum Liechtenstein
Ein Vortrag von Regierungschef Dr. Hoop im deutschen Auslandsklub in Stuttgart.
Letzten Montagabend sprach über Einladung seines Vorsitzenden vor dem deutschen Auslandsklub in Stuttgart Regierungschef Dr. Hoop über das Fürstentum Liechtenstein. [2] Dem Vortrage voraus ging ein Empfang durch den Oberbürgermeister der Stadt, Dr. [Karl] Strölin, wo sich Regierungschef Dr. Hoop in das goldenen Buch der Stadt Stuttgart eintrug, sowie ein Besuch des deutschen Auslands–Institutes u. des Ehrenmals der deut[schen Leistung im Ausland ...] [3] der Schweiz das Fürstentum Liechtenstein sein Plätzchen hat.
Zum Vortrage, der im Hause des Klubs stattfand, hatten sich neben dem Oberbürgermeister Dr. Strölin, dem stellvertretenden Innenminister Ministerialdirektor Dr. [Gottlob] Dill, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Klubs, Dr. [Alfred] Eisenmann, dem Präsidenten des Ausland–Institutes Dr. Csaky [Richard Csaki] auch der schweizerische General–Konsul [Ernst Suter] und zahlreiche Vertreter der Wissenschaft, des Staates, der Partei, und hohe Offiziere eingefunden.
Vom Vorsitzenden, Ministerialdirektor Dr. Dill herzlich begrüsst, gab der Vortragende einen Gesamtüberblick über das Fürstentum Liechtenstein. Er freue sich, über sein kleines Heimatland sprechen zu können, habe aber die Befürchtung, den Zuhörern eine Enttäuschung zu bereiten, da sie doch in ganz anderen Räumen und Zahlen zu denken gewohnt seien. Nach einem kurzen Überblick über die Lage des Landes und die Bevölkerung, die dem allemanischen Stamme des deutschen Volkes angehöre, gab er einen Abriss der Geschichte des Gebietes des heutigen Fürstentums, angefangen von der kelto–illyrischen Urbevölkerung, die Eroberung durch die Römer, das Eindringen der Allemanen, der Herrschaft der Franken und der Karolinger, über die mittelalterlichen Herrschaften unter den Werdenbergern, den Freiherrn v. Brandis, den Grafen von Sulz und den Grafen von Hohenems, die gezwungen waren, ihre beiden Herrschaften Vaduz und Schellenberg dem Fürstenhaus [Johann] Adam [I.] von Liechtenstein zu verkaufen.
Der Besitz dieser Reichsherrschaften sowie die Hinterlegung eines Kapitals von 250'000 Gulden bewogen den schwäbischen Kreistag, 1707 den Fürsten in seinen Kreis aufzunehmen und die Aufnahme auf den Reichstagen zu unterstützen. So seien die gnädigen Herren von Augsburg und Konstanz und die Ritter und Fürsten zwischen Donau, Lech und Rhein Paten an der Wiege des Fürstentums geworden. Nach einem Überblick über die um ihre Kaiser hochverdienten Fürsten von Liechtenstein gedachte Regierungschef Dr. J. Hoop in besonders warmen Worten des Fürsten Johannes II., des Fürsten Franz I. und des gegenwärtigen Fürsten Franz Josef [II.], der in seiner kurzen Regierungszeit die Herzen aller Liechtensteiner gewonnen habe. Die äussere Geschichte Liechtensteins kennt keine grossen Erschütterungen: 1806 Einordnung durch Napoleon in den Rheinbund, 1815 Beitritt zum deutschen Bund, 1866 Loslösung vom deutschen Reiche und selbständige Weiterentwicklung als unabhängiger Staat unter dem Fürstenhause Liechtenstein. Seite an Seite mit andern süddeutschen Staaten sei das kleine liechtensteinische Kontingent in den Freiheitskriegen und zuletzt 1866 ins Feld gezogen, bis Fürst Johannes die Militärpflicht aufhob.
Während das Fürstentum seit 1852 bis 1919 im Zollverbande mit Österreich lebte, hat es sich in der Zeit nach dem Weltkriege, als die österreichisch–ungarische Monarchie zerfallen war, nach der Schweiz orientiert und mit ihr einen Zollvertrag abgeschlossen, nachdem bereits schon vorher die Verwaltung des Post–, Telegraphen- und Telephonwesens in die Hände der schweizerischen Postverwaltung übergeben und die Schweizer Frankenwährung eingeführt worden war. Seit Inkrafttreten des Zollvertrages bilde das Fürstentum Liechtenstein einen Bestandteil d. schweizerischen Zoll– und Wirtschaftsgebietes. An der liechtensteinisch–deutschen Grenze stehen die schweizerischen Zollorgane, während der Warenverkehr über d. liechtensteinisch–schweizerische Grenze vollkommen frei sei. Für die Zölle erhält das Fürstentum ein jährliches Pauschale von 450'000 Franken. Dieses Vertrags-Verhältnis hat die engsten Verbindungen zwischen Liechtenstein und der Schweiz geschaffen, die nicht nur in der Anwendung der schweizerischen Zollgesetzgebung, sondern auch durch die Übernahme einer grossen Zahl anderer schweizerischer Gesetze betont seien. Die Schweiz besorge auch in entgegenkommender Weise die Vertretung Liechtenstein bei allen auswärtigen Regierungen.
Trotz dieser schweizerisch–liechtensteinischen Schicksalsgemeinschaft seien die Beziehungen Liechtensteins zum deutschen Reiche mannigfaltig. Der Regierende Fürst besitze ausgedehnte Güter im deutschen Reiche, wo er sich längere Zeit des Jahres aufhalte und nehme dort lebhaften Anteil am öffentlichen Leben. Für Einquartierungen, als Lazarette, als Heime für die Hitler–Jugend stelle er Schlösser zur Verfügung, für Siedlungszwecke überlasse er Grundstücke und fördere die sozialen Institutionen des Reiches, wie das Winterhilfswerk und das Rote Kreuz. Zwischen dem Lande selber und Deutschland bestünden ebenfalls zahlreiche Beziehungen. In den liechtensteinischen Gerichtshöfen sässen neben liechtensteinischen und schweizerischen Richtern auch deutsche Richter, der liechtensteinische Gewerbe–Inspektor sei derjenige von Bregenz, der Kurator unseres Postmuseums [Hermann E. Sieger] sei ein Württemberger, liechtensteinische Studenten besuchen deutsche Mittel– und Hochschulen usw. Man habe sich immer gegenseitig verstanden und verstehe sich scheinbar auch jetzt, wie eine Heiratsstatistik darzutun scheine: denn von den Liechtensteinern, die in den letzten vier Jahren geheiratet hätten, habe jeder vierte eine Deutsche genommen.
Wenn das kleine Fürstentum Liechtenstein alle Stürme der Zeit, in der so viele Throne stürzten und grosse Reiche zerfielen, überdauert habe, so danke es dies neben einer klugen Führung, einer selbstverständlichen Zurückhaltung, in der es niemanden unangenehm werde, auch seiner wirtschaftlichen Lebensfähigkeit.
Der Redner erörterte sodann die wirtschaftlichen Verhältnisse der Bevölkerung und die Finanzgebarung des Staates, um auf mannigfache Gerüchte, wie Vaduz als Finanzzentrum, das Einbürgerungswesen usw. einzugehen. Jeder, der Liechtenstein auch nur ein bisschen kenne, wisse, wie hier sensationslüsterne Journalisten übertrieben hätten.
Zum Schlusse führte der Vortragende die Zuhörer durch die landwirtschaftlichen Schönheiten unserer Heimat, durch das fruchtbare Tal am Rheine, die sonnigen Hänge, wo ein edler Wein wächst, hinauf auf die Höhen der Berge und die friedlichen Alpentäler. Und von der stolzen Terrasse des Wahrzeichens des Landes, des Hochschlosses Vaduz, niederschauend auf das friedliche Land und sich glücklich preisend, es als seine Heimat zu besitzen, gedenkt er jener, die heute ihr Alles für ihr Land opfern müssen. Er gedenkt seiner Freunde aus allen deutschen Landen, die in Ost und Nord und West so heldenhaft für ihr Vaterland kämpfen und drückt ihnen im Geiste bewundernd die Hand. Er grüsst sie alle und überbringt dem grossen deutschen Volke die Grüsse des kleinen Liechtensteins und verbindet damit wärmste Wünsche für das Wohlergehen Deutschlands und seines Führers [Adolf Hitler]. Möge den Siegen, die den deutschen Fahnen folgten, bald der Friede folgen, der Deutschland und ganz Europa einer glücklicheren Zukunft entgegenführen wird. [4]
Der mit reichem Beifall aufgenommene Vortrag wurde von Ministerialdirektor Dr. Dill verdankt, der seiner Freude Ausdruck gab, so viel Aufschlussreiches und Wertvolles über diesen kleinen Nachbarstaat Deutschlands vernommen zu haben. Die Zuhörer hätten Liechtenstein als ein Land kennen gelernt, dem bei der Neuordnung Europas Rechnung getragen werden müsse.