Rheinberger teilt seinem Bruder Peter mit, dass sein Neffe 4100 Mark erhalten soll.


München den 20.5.93

Mein lieber Bruder!

Aus Deinem Briefe ersehe ich, dass Du mit Deiner Gesundheir noch nicht zufrieden bist - man muss den Mut nicht sinken lassen, denn wenn man das halbe hundert passirt hat, gehen eben alle Rekonvaleszenzen langsam; ich sehe das auch bei mir - bei meiner durch das vergangene Schreckensjahr gesteigerten Nervosität mit Schlaflosigkeit und unleidlichem Asthma. Solange ich indess meinem Berufe nachkommen kann, will ich nicht klagen. - Nun zu was Anderem.

Mein Sparkassaguthaben in Vaduz mag nach meiner Berechnung gegenwärtig etwas über 4100 M. betragen. Da Du für Egon[1] voraussichtlich noch längere Zeit hindurch bedeutende Kosten haben wirst und ich dieser Summe nicht  bedarf, so schenke ich dieselbe ihm als meinem einzigen Neffen zu seiner ferneren Ausbildung, jedoch so, dass Du als sein Vater die Verwaltung und Verwendung in Händen behältst. Ich freue mich, Dir auf diese Weise über eine grosse Sorge hinweghelfen zu können und bezweifle nicht, dass sich Egon dessen würdig erweisen wird.

Olga und ich grüssen Alle bestens. Prof. Eberle werde ich nächstens aufsuchen. Gott befohlen!

Mit den besten Wünschen für Deine baldige völlige Genesung
Dein Bruder Jos. Rheinberger.

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[1] Egon = Egon Rheinberger (1870-1936), Sohn Peters und Neffe Josef Rheinbergers, besuchte von 1886 bis 1896 nacheinander die Graphisch-plastische Abteilung der Gewerblichen Fortbildungsschule in München, die Kunstgewerbeschule und schliesslich die Münchner Akademie der bildenden Künste, wo er sich zum akademischen Bildhauer ausbildete. (Vgl. Anton Wilhelm „Egon Rheinberger - Leben und Werk“ in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein“, Band 84, Vaduz 1984, 5. 101ff.) Z. 11: Prof. Eberle = Lehrer Egon Rheinbergers an der Akademie.