Jakob Kaiser an seinen Freund Wilhelm Marock über den Streit um das Erbe des 1881 verstorbenen Jakob Marock, seinen Hausbau in Mauren sowie die Auswanderung von Johann Kaiser nach Italien


Handschriftliches Originalschreiben des Jakob Kaiser, Mauren, an Wilhelm Marock in Indiana [1]

23.02.1882, Mauren

Lieber Wilhelm!

Die Berge kommen nicht zusammen, wohl aber die Men-
schen (sagt ein altes Sprichwort) und es ist wirklich
war; wen sie nicht gerade persönlich, so theilen sie
ihre Gedanken u. Gefühle gegenseitig in alle
Ende der Welt. O herrliche Erfindung – ! ohne die der
Mensch ein armes Geschöpf wäre. Befor ich weiter
spreche habe ich Dir Deinen Wunsch zu beantworten,
Du willst von mir wissen wie es in Deinem elter-
lichen Hause steht. Dies thue ich nicht gerne u. kann
es nur unvollkommen. Doch zur Sache: dass [2] es dort
seit einiger Zeit Diverenzen [3] gab liegt offen.
Anlass zu diesem gab auch, bevor sich Ferdinand [Marock]
verehelicht im Jahr 880 wünscht er, dass ihm das vä-
terliche Haus gesichert werde. Der Vater (Jakob [Marock]) hate
die Maxime solange er u. seine Gattin [Genofeva Marock [-Meier]] lebe
den Wurff nicht aus der Hand zu geben. Endlich
kam es doch zum Verträge machen. Ferd: liess ein
Kaufvertrag schreiben. Weil Deine Eltern in der
Schrift nicht gut bewandert waren, liessen sie mich [4]
hohlen, ich erklärte ihnen getreulich den Inhalt.
Es kam so bei einem 2ten u. 3ten Vertrag bei
dem ich glaubte, er werde ihnen passen.
Unterfertigen hab ich keinen gesehen u. ich bin
auch in keinem unterschrieben als Zeuge.
Weil ich letzte Periode Ortsvorstand von hier war,
am 20. Jänner d. J. Gottlob zu Ende ging; wollte
ich noch vor deren Ablauf die Inventur dort zu
stande bringen. Bei diesem Anlass gab mir
Ferdinand den Haus-Kaufvertrag in die Hände
um zu erklären wer künftiger Nutznieser von
dem zum Hause geschriebenen Boden sei. Ich las ihn
laut den Anwesenden (der Mutter u. 3 Deiner
Brüder) vor. Sie schauten gleich, ob dieser Vertrag
unterfertigt sei u. als sie dies sahen, wurde
Andreas [Marock] wie wahnsinnig –. o, der Betrüger!
schrie er – u. die Mutter weinte erbärmlich.
Den Vertrag hat man dem Äthe nicht so vor-
gelesen –, das „ist nicht der Rechte“?
Die Mutter u. And. giengen diesbezüglich auf
Vaduz. Es wurde eine Tagfahrt angeordnet. [5]
Ferd. liess von dem Vertrage zu Gunsten der Mutter
ab, welche nun lebenslänglich Nutzniesserin des
Hauses ist. Sie steht aber auch für die Lasten ein,
welche sie um das mehrere fache erhöht haben.
Wir wollen schliessen mit diesem Liede.
Ich werde, Dir zum Dienste, den Nachlass vertretten
bis es ausgewiesen ist, dan magst Du mit das wei-
tere bestimmen. Der Boden ist wirklich verkauft, aber
Dir noch kein genauer Ausweis schiken, er wurde per
Klftr. verkauft u. ist noch nicht gemessen. Ich weiss
wohl, dass das kein rechtlicher Grund findet, Dir 200
Gulden für Reiseauslagen in Abzug zu bringen.
Ich habe hierüber mit Deiner Mutter gesprochen, die
gerne Alles jedem ihrer Kinder geben möchte. Sie
sagt: es sei dem And. u. dem Gottfried [Marock] alles was
sie aus der Haushaltung bezogen um den höchsten
Preis angerechnet worden. Ja sie haben Boden der
bei weitem nicht mehr jenen Preis gelten
würde. Wolle mich hierüber sicherlich verständigen,
an das ich mich genau halten werde. Jos. [Josef Marock] Dein
Bruder wird im Monat April zu Dir kommen. [6]

O, lieber Freund! Es ist schon mancher raucher
Wind, manche sengende Hitze auf den Scheittel ge-
fallen, seitdem wir in Altdorf (Uri) getrennt
wurden. Ich glaube auch nicht, dass Du in Ameri-
ka immer auf Rosen u. in duftenden Gärten
wandeltest. Bei mir ist es schon mehr als Mittag,
ich habe schon einen grauen Kopf u. Du würdest
mich nicht mehr kennen, auch eine zahlreiche Familie
ich gebe sie dem Alter nach (Kinder) Karolina [Kaiser [-Kaiser]].
Petronilla [Kaiser]. Johann [Kaiser]. Pertha [Bertha Meier [-Kaiser]]. Philomena [Kaiser] und
Paulina [Büchel [-Kaiser]]. Ich habe neu gebaut ohne jede Hülfe
eines der grössten Privathäuser dort bei bei Pasches-
brunnen. Meine Schwiegereltern [Johann Marock, Eva Marock [-Mündle]] sind immer
noch die Alten, blos etwas älter. Sie arbei-
ten noch wie früher, blos etwas langsammer. Es sind
dieses Frühjahr schon viele aus Lichtenstein nach Amerika u.
gehen noch viele. Mein Bruder Johann [Kaiser] ist in Italien Ge […]  [7]
u. 1ster Professor an der Marine-Anstalt er ist […] [8]
von mehr als 8 Sprachen.

Freundliche Grüsse von mir u. meinem Weibe [Kreszenz Kaiser [-Marock]] u. Familie
an Dich u. Deine Familie 
Dein Freund
Jk Kaiser

Das nächste mal Mehreres.

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[1] US PA Delph Donna. Brief in Kurrentschrift.
[2] Ursprüngliche Fassung: „daẞ“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[3] In lateinischer Schrift. Wird im Folgenden kursiv gesetzt.
[4] Seitenwechsel.
[5] Seitenwechsel.
[6] Seitenwechsel.
[7] Fehlstelle im Papier.
[8] Fehlstelle im Papier.