Karolina Büchel an die Familie Ulrich Öhri über die Geburt der Tochter Hildegard, das Altern des Vaters, den heissen Sommer mit Hagelschlag, die Ernte, den milden, föhnigen Winter, die Rheinwuhrarbeiten, die Riedentwässerung, den Konkurs der Eschenwerke AG und das Baumsterben nach der Rheinüberschwemmung von 1927


Handschriftliches Originalschreiben der Karolina Büchel [Karolina Büchel [-Hasler]], Gamprin, an Onkel Ulrich Öhri mit Familie, Spencer (Nebraska) [1]

15.12.1929, Gamprin

Lieber Ongel und Familie!

Im Hinblick auf die baldige Weihnacht
will ich Euch einige Zeilen zukommen
lassen, hätte es zwar schon längst im
Sinne gehabt, aber wie ist es, es kommt
immer etwas dazwischen und dann
meint man am nächsten Sonntag will
ich es nur probieren. Nun ich denke Ihr
werdet es schon entschuldigen dass ich
solange nicht geschrieben habe.

Als Euer letzter Brief hier eintraf
war ich grad den driten Tag im Wochen
bett haben wieder ein Mädchen, eine Hilda [Hildegard Waldburg [-Büchel]]. [2]
Tant Kreszenz [Crescentia Marxer [-Öhri]] war zufällig bei uns
sie sagte, sie werde Euch bald schreiben
sie habe soviel als am 26 April einen
Brief bekommen. Gestern war sie auch
hier, sie ist gut beieinander zu ihrem
Alter, auch die Mutter ist heuer gut daran,
der Vater hat diesen Sommer
sehr gealter er sagte erst kürzlich, er
habe so die Kraft verloren heuer, sonst
fehle ihm nichts, aber er werde nur
vom Vieh füttern müde dass er manch-
mal einwenig abliegen müsse.

Der Johann ist immer noch ledig, ich weiss [3]
nicht was der noch im Sinn hat, mir
ist nichts bekannt von einer Bekanntschaft [4]
Diesen Herbst hat er ein neues Pferd
gekauft. Dem Haus hat er auch viel
angewendet, es sieht ganz anders
aus alls vor 15 Jahren wegen dem
dürfte er schon heiraten.

Wie geht es bei Euch? Ich hoffe besser
als letzten Winter. Wie ich aus Euerem
Schreiben vernommen habe war
es mit der Gesundheit nicht alles.
Bei uns sah es diesen Sommer
grad so aus, fast zwei Monnat war
ich nach dem Wochenbet krank und seit
August ist der jüngere Knabe [Urban Büchel] krank.
Etwa 14 Tage war er fast am Sterben.
Jetzt ist er aber wieder auf Besserung [5]
Wie war bei Euch die Ernte
ausgefallen? Wir hatten heuer
einen ausnahm heissen Sommer
furchtbaren Gewittern, einmal
hat es schrecklich gehagelt. Türken, Obst
und Kraut mussten nicht eingebracht
werden, das besorgten 20 Minuten
Hagelschlag. Den Kartoffeln konnte
es nicht mehr schaden die waren schön
wie schon lange nicht mehr.

Bisher haben wir bei uns einen milden
Winter mit Föhn, der vor drei Tagen
in einem Gewitter wie im Hochsommer
sich Luft machte, wärenddessen stürmte
es dass viele Bäume entwurzelt wurden [6]
Vom Rhein, dem unbändigen möchte
ich auch noch berichten, es wird Euch gewiss
intressieren als alte Ruggeller.
Nach menschlichem Ermessen können
die Wuhre wieder ihren Dienst erfüllen
sie wurden teilweise die letzten
zwei Winter erhöt und verstärkt
und diesen Winter wird noch die
letzte Strecke fertig gemacht. Es wird
auch von einer Rietentwässerung
gesprochen die nächsten Frühling
begonnen werde.

Die Fabrik in Eschen, von der ich
einmal geschrieben, ist verkracht [Eschenwerke AG].
Es waren nicht alle reich geworden
in Eschen, nur jene die Verwalter war-
en. [7]
In Ruggel sind wieder manche gestorben.
dass die Taufpatin gestorben ist
wird Euch schon bekannt sein. Tantes
Nachbar ist im Frühling auch gestorben
Ihre älteren Nachbaren sind alle
tot, sie hat schon manchmal gesagt
jetzt bin ich nur noch allein von
den früheren Leuten, sie meine
denn es sei nicht wahr.

Wegen den Bäumen klagt sie
immer, es ist schon traurig wenn
einem fast jeder Baum zugrunde
geht wie es viele haben seit dem
Wasser. Praktischer [8]
Wie geht es Ongel Andreas [Öhri] und
seiner Familie? Ich habe schon
lange nichts mehr von ihnen
gehört. Meine Briefe lasse ich immer
die Eltern und die Tante lesen
aber ich bekomme von ihnen nie [9]
was zugeschickt ich kanns nicht glauben
dass Jahre vergehen bis wieder geschrieben
wird.

Was machen Tante Lenas [Magdalena Connot [-Öhri]]? Ich denke
es haben sich schon manche ein eigenes
Heim gegründet. In Euerem letzten
Brief stand gar nichts von Eurer
Tochter [Beatrice] ist sie etwa gar schon ver-
heiratet? [10]
In jenem Briefe möchtet Ihr wissen
ob uns die Kinder schon helfen können
ja freilich sonst möchte ich nicht mehr
allein durch kommen. Die Ältesten drei [Robert Büchel, Pia Büchel, Maria Schöb [-Büchel]]
haben uns diesen Sommer beim
heuen schon viel mit geholfen nichts ist
ihnen lieber gewessen als dies.
Der Älteste komt in 1 ½ Jahre schon
aus der Schule und das älteste Mädchen
in 2 ½ Jahren.

Nun zum Schluss wünschen wir alle
dass es Euch gut gehen möge in
jeder Beziehung im komenden Jahre
und eine glückliche Weihnacht.

Die besten Grüsse an alle von Karolina und
Familie [11]

______________

[1] LI LA PA 016/3/05/05.
[2] Seitenwechsel.
[3] Ursprüngliche Fassung: „weiẞ“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[4] Seitenwechsel.
[5] Seitenwechsel.
[6] Seitenwechsel.
[7] Seitenwechsel.
[8] Seitenwechsel.
[9] Durchstreichung.
[10] Seitenwechsel.
[11] Am Seitenrand.