Karolina Büchel an die Familie Ulrich Öhri über die Schädigung der Obst- und Gartenfrüchte durch Hagel im Sommer, die Aufräumarbeiten auf den Äckern und Feldern im Unterland nach der Rheinüberschwemmung von 1927 sowie den Verkauf des Pferdes aufgrund Futtermangels


Handschriftliches Originalschreiben der Karolina Büchel [Karolina Büchel [-Hasler]], Gamprin, an Onkel Ulrich Öhri mit Familie, Spencer (Nebraksa) [1]

18.12.1928, Gamprin

Lieber Ongel und Familie!

Es ist wahrlich
nicht zu früh Euch wiedermal
einiges mitzuteilen und Euere
Fragen vom September zubeant-
worten. Wir sind gotlob alle
gesund es geht so alles wieder
im Alten nur musste [2] mann
heuer bedeutend mehr arbeiten
alls andere Sommer aber das
Wetter war günstig wir hatten,
einige böse Gewitter ausgenommen,
einen guten Sommer. Zwei-
mal hat es arg gehagelt was
den Feld- und Gartenfrüchten
bedeutend geschadet hate auch dem
Obst sah man es im Herbst an
es war voll brauner Flecken. [3]
Was mit dem Rhein gemacht
werde möchtet Ihr wissen, draussen
ist er, aber ob er draussen bleibt
das ist eine Frage, heuer wollte
er 2 mal wieder herein, man
verlebte jedesmal wieder recht
sorgenvolle Tage, besonders die
Ruggeller in Scharren kammen
sie beidemal nach Gamprin
herauf an den Querdamm.
Diesen Winter sind wieder für
eine halbe Milion Arbeiten
am Rhein vergeben worden.
In unserem Feld ist so die Hälfte
wieder gereumt worden, aber
die Feldfrüchte waren nicht
wie sie hätten werden können. [4]
Die gute lockere Erde hats
fort geschwemt, am Würli
drunten bei der Ruggeller
Mühle [5] hatten wir viel schönere
Erdäpfel als im Gampriner
Feld denn dort hat es so 15-20 cm
Erde aufgelegt. Im Schaaner und
Eschner ried sind die Pferdeheu
Wiesen noch wie im Frühling
überall wurden zuerst die
Äcker instand gesetzt. Wir mussten
unser Pferd verkaufen, denn wir
hatten keine Handvoll Pferdeheu
und zu kaufen war auch keins.
Ihr meint da unsere Kinder
werden wohl recht herwachsen, ja
Ihr könnt gut raten, sie messen [6]
jetzt schon wieviel sie noch wachsen
müssen bis sie so gross seien
wie ich. Wenn wir etwa sagen
wir glauben Ihr kömet nicht
heraus dann sagen sie wenn
wir [7] gross sind dann gehen
wir grad hinein. Was ist denn
mit Euch dass Ihr Euch nichtmal
aufrafft und heraus kommt
fürchtet Ihr den grossen
Bach was? Nur getrosst bald
könnt Ihr heraus fliegen!
Bei uns daheim ist zur Zeit
alles gesund. Im Herbst war
Adolf mit seiner Frau hier, das
ist eine Maschine fast zu lachen
wie die einen Platz braucht. [8]
Auch Emilie und ihr Mann waren
hier, es wunderte sie wie das
alles verändert aussah sie
sagten alle es sei schrecklich
was da der Rhein alles zerstört
habe.

Die Sämereien hatten alle
gut getan bis an die Melonen
keine einzige Frucht war
durchgekommen geblüht haben
sie schön aber es muss ihnen
hier nicht passen denn es vielen
alle Blüten ab. [9]
Wie seit Ihr mit Alois [Biedermann] zufrieden
Wenn Ihr mit Ihm so zufrieden
seit, wie er mit seiner Wahl
dann geht es schon. Habe den
Brief gelesen den er an seinen
Paten geschrieben hat. Auch die
Pohtografien bitte schickt uns
auch mal sowas. Jetzt muss
ich Euch auch noch fragen ich tu
es zwar ungern aber doch
möchte ich wissen hatte Euch und
Ongels [Ulrich Öhri, Andreas Öhri] der Alois nichts überbracht
mich wundert nur obers abgegeben hat oder obers [10] nicht hineinnehmen
durfte
Morgen muss ich ins Oberland
ich habe den Klaus noch nicht
gestört, da lassen mir die
Kinder keine ruhige Minute
mehr immer wird gefragt wann
gehst denn Mama und jeden
Abend beten sie lauter es ist
grad lustig, so vor Weihnachten
was da alles erwartet wird
Das eine möchte das und das
andere dieses. [11]
Will nun schliessen mit den
herzlichsten Glückwünschen zum
neuen Jahre von uns allen
und in der Hoffnung dass Ihr
alle gesund und glücklich seit
in Amerika Ihr seht ja hier
in Ruggell ist auch keine
Freude daheim zu sein wo man
immer in Angst sein muss der
Rhein nehme eins mit.

Viele Grüsse an Euch und
Ongels von uns allen auch an Alois

Familie And [Andreas Büchel] und Karolina
Büchel [12]

______________

[1] LI LA PA 16/3/05/04.
[2] Ursprüngliche Fassung : „muẞte“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[3] Seitenwechsel.
[4] Seitenwechsel.
[5] Möli: am Mölibach in Ruggell, in den Möligärta. Vgl. Hans Stricker, Liechtensteiner Namenbuch, Bd. 4, S. 385.
[6] Seitenwechsel.
[7] Durchstreichung.
[8] Seitenwechsel.
[9] Seitenwechsel.
[10] Durchstreichung.
[11] Seitenwechsel.
[12] Am Seitenrand.