"Aus Frauenkreisen" wird eine Verbesserung der hauswirtschaflichen Ausbildung für Mädchen verlangt, damit sie tüchtige Frauen und Mütter werden


Zeitungsbericht, nicht gez. [1]

20.11.1920

Eingesandt aus Frauenkreisen. O welche Lust, ein Mann zu sein, möchte man ausrufen, wenn man hört und liest, in welcher Weise nun lernbegierigen Söhnen Gelegenheit geboten ist, sich in den verschiedenen Berufsarten zu vervollkommnen (gewerbliches Zeichnen). Wie gar stiefmütterlich wird hingegen das weibliche Geschlecht behandelt und wie unrecht tut man ihm damit! So notwendig eine gute Ausbildung in seinem Berufe für den Mann ist, so dringend braucht er, wenn er verheiratet ist, eine tüchtige Frau. Verdient ein Mann in seinem Berufe noch so viel Geld und hat er eine Frau, die nichts vom Haushalte versteht, kommt er sicher auf keinen grünen Zweig. Ist ein Mann aber arm, verdient er zudem nicht viel und hat er noch ein Weib, das nichts kann, so ist er ein ganz armer Mann, dem auch wohltätige Zuwendungen aller Art kaum mehr helfen werden. Eine Frau, die nichts kann, ist an den Füssen ihres Mannes ein Stein, der ihn nicht vorwärts kommen lässt. Darum sollte auch bei uns für die hauswirtschaftliche Ausbildung der Mädchen zum mindesten endlich ein Anfang gemacht werden, denn auch die Mädchen arbeiten mit am Volkswohlstand, wenn sie häuslich erzogen sind. Die ersten Begriffe vom Nähen, Stricken, Flicken, Waschen, Kochen usw. lernt man wohl von der Mutter, vorausgesetzt, dass sie eben etwas kann. Auch sind in dieser oder jener Gemeinde etwa tüchtige Lehrschwestern, die besonders im Flicken (wie das in Vaduz der Fall ist) sehr Gutes leisten. Wie schnell ist aber die Schulzeit herum, wie jung ist so ein Mädel noch, wie wenig kann es eigentlich erst; es ist ja andernorts nur der Anfang der Lernzeit, bei uns aber bedeutet es das Ende derselben. Wir haben ja im Lande gar keine Gelegenheit, etwas zu lernen: meistens sind die jungen Dinger allerdings sogar froh, der Schule und Lernzeit entronnen zu sein und wenn sie dann noch eine Mutter haben, deren Geduld an einem kurzen Faden hängt, die lieber alles selber macht, als ihr Kind dazu anzuleiten, mag das ja für solch ein Töchterlein angenehm sein, bis es von des Lebens Ernst angefasst wird. Darum sollte Gelegenheit gegeben werden, Kurse zu besuchen, wo man mindestens gründlich Kochen und Flicken und etwas Nähen lernen könnte und dort, wo der Wille zum Lernen fehlen würde, müsste Zwang sein. Kein Mächen dürfte sein, das nicht mit 18 Jahren richtig flicken und kochen könnte, wie das z.B. im Kanton Wallis seit einigen Jahren zur Freude Vieler und zum Wohle Aller eingeführt ist. Solche Kenntnisse kommen ja Allen zugute und das liesse sich auch bei uns machen, wenn man nur wollte, sei es mit Wanderlehrerinnen, sei es mit stabilen Hauswirtschaftsschulen (wovon ja eine schon seit 1 ½ Jahren an unsere landwirtschaftliche Fortbildungsschule angegliedert ist!). Wohl wissend, dass mein Ruf verhallen könnte, hoffe ich doch, dass endlich auch in dieser Hinsicht etwas geschehe. (Was ist mit dem ehemaligen Institut Gutenberg? D.R.)

ON 20.11.1920, S. 2

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[1] O.N. 20.11.1920, S. 2