Statuten des Vereins für Kranken- und Wöchnerinnen-Pflege im Fürstentum Liechtenstein


Gedruckte Fassung der Statuten [1]

9.1.1913 [2]

Statuten des Vereins für Kranken- und Wöchnerinnen-Pflege im Fürstentum Liechtenstein

§ 1. Der Verein für Kranken- und Wöchnerinnen-Pflege im Fürstentum Liechtenstein, welcher seinen Sitz am Wohnorte des jeweiligen Vorstandes hat, bezweckt, den Kranken und Wöchnerinnen im Lande nach Kräften eine geordnete Hauspflege zu verschaffen.

Mitglieder

§ 2. Als Vereinsmitglied wird betrachtet, wer sich zu einem jährlichen Beitrage von mindestens 1 Kr. verpflichtet. Man meldet sich zur Aufnahme in den Verein bei dem Abteilungsvorstande an. Die Anmeldung kann auch durch die Krankenpflegerin vermittelt werden. Durch den Beitritt des Hauptes der Familie geniessen auch die engeren Familienangehörigen das Recht der Mitgliedschaft. Auch werden Beiträge von unterstützenden Mitgliedern und Korporationen gerne angenommen.

Der Austritt aus dem Verein steht frei, muss aber dem Abteilungsvorstande angezeigt werden.

Die Ausschliessung eines Mitgliedes aus dem Vereine kann über Antrag des Abteilungsvorstandes bei dem Vorhandensein erheblicher Gründe durch die Vereinsleitung verfügt werden.

§ 3. Wer eine Verpflegung verlangt, hat sich bei der Vermittlungsstelle anzumelden, bezw. anmelden zu lassen. Wird die Pflege von mehreren Personen gleichzeitig gewünscht, so haben die Mitglieder den Vorzug vor Nichtmitgliedern. Doch können die Pflegerinnen auch abwechselnd das Notwendigste besorgen.

Die von den Verpflegten an den Abteilungskassier zu entrichtende Taxe beträgt für Mitglieder:

  1. für eine Tagespflege 1 Kr.
  2. für eine Nachtpflege 1 Kr. 50 H.
  3. für einen Besuch mindestens 20 H.

Nichtmitglieder zahlen das Doppelte.

Für unbemittelte Kranke oder Wöchnerinnen kann die Vereinsleitung über Antrag des Abteilungsvorstandes besondere Vergünstigungen gewähren.

Als Mittel zur Erreichung der Vereinszwecke dienen ausser den in diesem Paragraphen genannten Verpflegungstaxen die in § 2 bestimmten Mitgliederbeiträge, sowie allfällige dem Vereine gewidmete Subventionen, Schenkungen, Vermächtnisse u. dgl.

Pflegerinnen

§ 4. Die Pflegerinnen erhalten vom Vereine unentgeltliche Ausbildung. Die Kandidatinnen müssen mindesten das 20ste Altersjahr erreicht und dürfen das 40ste nicht überschritten haben und haben sich darüber auszuweisen, dass sie in der Ausübung der notwendigsten Hausarbeiten (Kochen, Waschen, Flicken) praktisch geübt sind. Die Pflegerin erhält ein jeweils von der Vereinsleitung zu bestimmendes Wartgeld und ausserdem eine Entschädigung für die Dienstleistungen aus der Vereinskasse. Die Entschädigung beträgt:

a)      für eine ganze Tagespflege 1 Kr. 50 H.
b)      für eine Nachtpflege 2 Kr.
c)      für einen Besuch mindestens 20 H.

Dagegen verpflichten sich die Pflegerinnen, dem Vereine mindestens drei Jahre zu dienen. Das Nähere bestimmt eine Pflegerinnenordnung.

Verwaltung des Vereines

§ 5. Der Verein besteht aus Abteilungen. Jede Gemeinde mit mindestens 20 Mitgliedern bildet eine Vereinsabteilung. Kleine Gemeinden können sich als Unterabteilungen einer grösseren anschliessen. Jede Abteilung soll, wenn immer möglich, mit einer Pflegerin versehen sein.

Die Geschäfte des Vereins werden besorgt:

a) von den Abteilungsausschüssen

Dem Abteilungsausschusse gehört in der Regel, ohne Wahl, der Seelsorger bezw. dessen Stellvertreter, sofern diese Mitglieder des Vereines sind, als Vorstand an. Wo dies nicht zutrifft, oder der Seelsorger dieses Amt ablehnt, wird der Abteilungsvorstand von den Abteilungsmitgliedern in der Vollversammlung auf die Dauer von 3 Jahren gewählt.

Dem Abteilungsvorstande sind beigegeben: ein Kassier und eine Vermittlerin, welche beide von den Mitgliedern der Abteilung bezw. der Unterabteilung auf die Dauer von drei Jahren gewählt werden.

Der Abteilungschef [3] beruft alljährlich eine Mitgliederversammlung ein, in welcher der Kassier über die Jahresrechnung berichtet und von den Mitgliedern [4] allfällige Wünsche und Anträge vorgebracht werden können.

b) von der Vereinsleitung

Dieselbe besteht aus fünf Mitgliedern, welche auf die Dauer von drei Jahren von den Abteilungsausschüssen gewählt werden. Von den fünf Mitgliedern der Vereinsleitung muss eines dem Stande der Seelsorger und eines dem Stande der Ärzte angehören. Die Wahl erfolgt in der Form, dass zuerst der Vereinsvorsitzende, dann der Kassier, der Schriftführer und endlich zwei Beisitzer gewählt werden.

Überdies sind auf die Dauer von je drei Jahren zwei Rechnungsprüfer zu wählen, welche nicht zugleich Mitglied des Vereinsausschusses sein dürfen.

Die Vereinsleitung erledigt die von den Abteilungsvorständen gemachten Vorschläge (§ 2 u. 3), lässt den Abteilungskassieren die allenfalls nötigen Barmittel anweisen, nimmt mindestens jährlich die Rechnungsberichte der Abteilungen entgegen und erlässt die in finanzieller und sonstiger Beziehung allenfalls notwendigen Anordnungen.

Ferner gibt die Vereinsleitung jährlich einen gedruckten Bericht über die Vereinstätigkeit und über die geprüfte Rechnung des Vorjahres heraus, welcher Bericht jedem Mitglied zugestellt wird. – Wenn die Vereinsleitung es für nötig findet, oder wenn es von mindestens zwei Abteilungen beantragt wird, beruft sie eine Generalversammlung ein, zu welcher von jeder Abteilung Abgeordnete, welche in der Jahresversammlung – und zwar auf je 10 Mitglieder 1 Abgeordneter – gewählt werden, zu erscheinen haben. – Mitteilungen der Abteilungsleitungen und der Vereinsleitung an die Mitglieder können mündlich oder schriftlich, allenfalls auch im Wege des "Liechtensteiner Volksblattes" erfolgen.

Versammlungen

§ 6. Zu gültigen Beschlüssen in den Jahresversammlungen der Abteilungen oder in den Generalversammlungen ist die Stimmenmehrheit der Anwesenden erforderlich. – Handelt es sich um Statutenänderungen oder um die Auflösung des Vereines, so ist eine Generalversammlung einzuberufen, zu welcher wenigstens 2/3 der Abgeordneten zu erscheinen haben.

Streitigkeiten

§ 7. Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnisse zwischen Mitgliedern einer Abteilung werden vom Abteilungsausschusse und solche zwischen Mitgliedern und dem Abteilungsausschusse von der Vereinsleitung endgültig entschieden. In Streitfällen, an denen die Vereinsleitung selbst als Partei beteiligt ist, entscheidet ein Schiedsgericht, zu welchem jeder Streitteil einen Schiedsmann und die Schiedsmänner den Obmann wählen; wenn sich die Schiedsmänner über die Wahl des Obmannes nicht einigen können, bestellt diesen der Ortsvorstand jener Gemeinde, in der der Verein seinen Sitz hat. Das Gericht darf nur in den durch das Strafgesetz vorgesehenen Fällen angerufen werden.

§ 8. Im Falle der Auflösung des Vereines soll das vorhandene Vermögen des Vereines, soweit es nicht durch allfällige Stiftungen besonderen Zwecken gewidmet ist, nach Verhältnis der Mitgliederzahl den Armenfonds der betr. Gemeinden verabfolgt werden, bei dessen Verwendung in allererster Linie die dem Vereine vorschwebenden Zwecke erfüllt werden sollen. Die erfolgte Auflösung hat der zuletzt amtierende Vorstand der fürstl. Regierung anzuzeigen.

Diese Statuten treten in Kraft mit dem Tage der Genehmigung durch die fürstl. Regierung, der die gesetzliche Aufsicht und Einflussnahme vorbehalten bleibt. [5]

______________

[1] LI LA RE 1913/269. Die Statuten sind abgedruckt in L.Vo., 7.3.1913, S. 2 und 14.3.1913, S. 5.
[2] Datum der Genehmigung durch die Regierung. Die Beschlussfassung durch den Verein geht aus den Statuten nicht hervor, ebensowenig die Namen der Vereinsgründer. Der erste Vereinsvorstand bestand aus Dr. Albert Schädler, Pfr. Franz Anton Reding und Vorsteher Andreas Hassler (vgl. Jahresbericht 1913).
[3] Gedruckt steht "Abteilungschef", was (wohl von Landesverweser Karl In der Maur) mit Bleistift zu "Abteilungsvorstand" korrigiert ist.
[4] "von den Mitgliedern" mit Bleistift eingefügt.
[5] Am Schluss folgt der Genehmigungsvermerk der Regierung vom 9.1.1913.