Landesverweser Leopold von Imhof informiert den Fürsten über die Hintergründe des Falles August Schädler


Bericht von Landesverweser Leopold von Imhof an Fürst Johann II. (eigenhändiges Konzept) [1]

21.10.1916

Bericht des [Landesverwesers]

betreffend die standrechtliche Verurteilung des August Schädler

E.D. [Euere Durchlaucht]

In gehorsamster Befolgung des mir durch die fürstl. Hofkanzlei vermittelten höchsten Auftrages [2] gestatte ich mir auf Grund der nunmehr eingelangten Zuschrift des Gerichtes des k.u.k. Militärkommandos in Innsbruck [3] über den standrechtlich verurteilten liechtensteinischen Staatsbürger August Schädler [4] in Ergänzung meiner telegraphischen Meldung vom 11. Oktober l.J. [5] noch Nachstehendes untertänigst zu berichten:

Der Vater des Genannten, Xaver Schädler, ein gebürtiger Triesenberger, wanderte schon in seiner Jugend aus und liess sich in Sax, Kanton St. Gallen, nieder, wo er eine Schweizerin [Anna Elisabeth, geb. Appenzeller] heiratete und ein Hafnergeschäft eröffnete. Seiner Ehe entstammt der am 5. Juni 1895 geborene August Schädler. Dieser besuchte die Volksschule in Sax und hierauf die Sekundarschule in Gams, worauf er als Stickereizeichner in St. Gallen Beschäftigung fand. Dort dürfte er mit sozialistischen Kreisen in Fühlung getreten sein und deren Anschauungen angenommen haben. Mit dem Rückgang der Stickerei verlor er zu Beginn dieses Jahres seine Stellung und ging Ende Februar als Arbeiter in die Schlosserei Keck in Feldkirch. Mehrfache, die Ehrfurcht vor Seiner Majestät [Franz Joseph] gröblich verletzende und von seiner österreichfeindlichen Gesinnung zeugende Äusserungen gegenüber seinen Mitarbeitern brachten ihn am 28. September l.J. vor das k.u.k. Feldstandgericht in Feldkirch und führten zu seiner Verurteilung zum Tode durch Erschiessen, welche Strafe über gnädigste Intervention

E.D.

im Gnadenwege in 10jährigen Kerker umgewandelt wurde. [6]

Hinsichtlich der näheren Tatumstände gestatte ich mir in tiefster Ehrfurcht auf die angeschlossene Urteilsabschrift Bezug zu nehmen. [7]

August Schädler hat ständig im Ausland gelebt und kennt seine Heimat nur flüchtig von kurzen Besuchen. Er hat in Vaduz einige weitschichtige Verwandte und in Triesenberg eine Tante. [8] Mit der Familie des fürstl. Sanitätsrates Dr. [Albert] Schädler steht er in keiner verwandtschaftlichen Beziehung. Seine Eltern sind unbescholten, auch August Schädler selbst ist nicht vorbestraft. Seine inkriminierten Äusserungen zeugen von einer auch bei seinen jungen Jahren ganz unbegreiflichen Unüberlegtheit; er glaubte damit wohl den freien Schweizer zu markieren und scheint sich von den formell noch bestehenden Beziehungen zu seiner Heimat ganz losgelöst zu erachten.

Sein tiefgebeugter Vater, welcher auf mich einen recht guten Eindruck machte, ist kürzlich bei mir erschienen und bat mich

E.D.

seinen heissesten dank für die gnädigste Verwendung zu Gunsten seines Sohnes zu vermitteln.

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[1] LI LA SF 01/1916/53. Der Bericht wurde am 21.10.1916 von David Strub ins Reine geschrieben.
[2] LI LA SF 01/1916/48a, Hermann von Hampe an Imhof, 2.10.1918; LI LA SF 01/1916/51, Telegramm Hofkanzlei an Imhof, 11.10.1916.
[3] LI LA SF 01/1916/50, Landwehrgericht beim k.u.k. Militärkommando in Innsbruck an Regierung, 7.10.1916.
[4] Schädler wurde am 28.9.1916 vom k.u.k. Feldstandgericht in Feldkirch der Majestätsbeleidigung sowie der Störung der öffentlichen Ruhe schuldig gesprochen und zum Tode durch Erschiessen verurteilt. Am 29.9.1916 wurde er vom Kommandanten des Standgerichtes in Innsbruck zu einer 10jährigen Kerkerstrafe begnadigt (LI LA SF 01/1916/50, Landwehrgericht beim k.u.k. Militärkommando in Innsbruck an Regierung, 7.10.1916).
[5] LI LA SF 01/1916/51, Telegramm Imhof an Hofkanzlei, 11.10.1916.
[6] Vgl. LI LA SF 01/1916/46, Telegramm Imhof an Hofkanzlei, 28.9.1916; LI LA SF 01/1916/ad 48a, Franz Joseph an Johann II., 1.10.1916.
[7] Beilage fehlt.
[8] Wohl Anna Maria Gassner, geb. Schädler.