Landesverweser Leopold von Imhof bittet Fürst Johann II. zu Gunsten von August Schädler, dem in Österreich wegen Majestätsbeleidigung die Todesstrafe droht, zu intervenieren


Handschriftliches Konzept für ein dringliches Staatstelegramm der Regierung, gez. Landesverweser Leopold von Imhof, an die Hofkanzlei in Wien [1]

28.9.1916

August Schädler, zuständig Triesenberg, wohnhaft in der Schweiz, wegen Majestätsbeleidigung in Feldkirch standrechtlich behandelt. Urteil wird in drei Tagen publiziert und bei erwiesenem Tatbestand voraussichtlich auf Tod durch Strang lauten. Strafvollzug 24 Stunden darauf, sofern nicht durch Allerhöchsten Gnadenakt Strafumwandlung bewilligt. [2] Erbitte bezügliche Intervention Seiner Durchlaucht [Johann II.] bei Seiner Majestät [Franz Joseph] im Wege Kabinettskanzlei, da Schädler der Schwere seiner Verfehlung nicht voll bewusst. [3]

Landesverweser

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[1] LI LA SF 01/1916/46. Gemäss handschriftlichem Vermerk wurde das Telegramm um 17.30 Uhr zur Post gebracht, gemäss aufgeklebtem Aufgabeschein wurde es um 18.50 Uhr übermittelt.
[2] Tatsächlich wurde Schädler am 28.9.1916 vom k.u.k. Feldstandgericht in Feldkirch der Majestätsbeleidigung sowie der Störung der öffentlichen Ruhe schuldig gesprochen und zum Tode durch Erschiessen verurteilt (LI LA SF 01/1916/50, Landwehrgericht beim k.u.k. Militärkommando in Innsbruck an Regierung, 7.10.1916).
[3] Die Hofkanzlei erhielt das Telegramm am 29.9.1916. Da Fürst Johann II. am Semmering weilte, verfasste Hermann von Hampe, der Leiter der Hofkanzlei, nach Rücksprache mit Prinz Franz von Liechtenstein ein Gesuch um Begnadigung Schädlers, das er durch einen Boten dem Fürsten übermittelte. Nach Erhalt des unterzeichneten Gesuchs am frühen Morgen des 30.9.1916 übergab Hampe es umgehend der Militärkanzlei des Kaisers. Bereits am Mittag erhielt Hampe die Nachricht, dass der Kaiser "sogleich resolviert und die telegraphische Weisung im erbetenen Sinne nach Innsbruck erfolgt sei." Schädler war unabhängig davon bereits einen Tag zuvor vom Kommandanten des Standgerichtes in Innsbruck zu einer 10jährigen Kerkerstrafe begnadigt worden (LI LA SF 01/1916/48a, Hampe an Imhof, 2.10.1916; LI LA SF 01/1916/ad 48a, Franz Joseph an Johann II., 1.10.1916; LI LA SF 01/1916/50, Landwehrgericht beim k.u.k. Militärkommando in Innsbruck an Regierung, 7.10.1916).