Das Grenzdetachement Nordostschweiz erlässt neue Vorschriften für den kleinen und grossen Grenzverkehr mit Deutschland, Österreich und Liechtenstein


Gedrucktes Plakat des Kommandos des Grenzdetachements Nordostschweiz, gez. Kavallerie-Oberstleutnant Müller [1]

15.3.1918, Schaffhausen

Bekanntmachung an die Bevölkerung längs des Bodensees, des St. Galler Rheintales und des Kreises Maienfeld (Kt. Graubünden)

1. Zum Überschreiten der Grenze von der Schweiz nach Österreich und Deutschland und von Österreich und Deutschland nach der Schweiz verlangen die österreichischen und deutschen Behörden einen regelrechten Reisepass.

2. Für den grossen Grenzverkehr, das heisst den eigentlichen Reiseverkehr, ist ein mit Konsulats- (resp. Gesandtschafts-)Visum versehener Reisepass erforderlich. Für diesen Verkehr sind die Passierstellen

Bahnhof Buchs

Brücke Buchs

Brücke Monstein-Au-Lustenau

Bahnhof St. Margrethen

Bahnhof Rorschach (Schiff)

Bahnhof Romanshorn (Schiff)

geöffnet.

3. Für den kleinen Grenzverkehr gelten die folgenden Vorschriften:

A. Der kleine Grenzverkehr umfasst den Verkehr zwischen Ortschaften beiderseits der Grenze, welche im allgemeinen nicht mehr als 15 Km. von derjenigen Passierstelle entfernt liegen, über welche die kürzeste Verbindung führt.

An jeder Passierstelle liegt eine Karte zur Einsicht auf, aus welcher ersichtlich ist, wie weit der kleine Grenzverkehr über diese Stelle zulässig ist.

B. Für diesen kleinen Grenzverkehr ist schweizerischerseits ein Sichtvermerk der Heerespolizei auf einem Reisepass erforderlich.

Um den Sichtvermerk zu erhalten, ist der Heerespolizei einzureichen:

a) Ein Reisepass ohne konsularisches oder diplomatisches Visum.

b) Eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde, dass der Gesuchsteller seinen ständigen Wohnsitz in der von ihm bezeichneten Gemeinde hat.

c) Geeignete Beweise dafür, dass der Gesuchsteller berechtigte und erhebliche Gründe für den Grenzverkehr geltend machen kann.

Diese Gesuche müssen mindestens 4 Tage zum Voraus dem nächstgelegenen Heerespolizeiposten eingereicht werden.

Der Sichtvermerk wird nur erteilt, wenn der Gesuchsteller seinen ständigen Wohnsitz in einer Gemeinde hat, welche in eine unter A hievor bezeichnete Grenzzone fällt.

Der Sichtvermerk berechtigt zum Überschreiten der Grenze über eine bestimmte Passierstelle und zum Verkehr zwischen bestimmten Ortschaften.

C. Der Sichtvermerk wird nach Massgabe des Bedürfnisses auf höchstens 3 Monate Gültigkeitsdauer erteilt.

D. In Ausnahmsfällen, das heisst, wenn die Zeit zur Beschaffung eines Passes oder zur Einholung des Sichtvermerkes nicht ausreicht, kann gegen Vorweisung von Belegen ein einmaliges Überschreiten der Grenze gestattet werden. Diesbezügliche Gesuche sind an der betreffenden Passierstelle dem Heerespolizeiposten einzureichen, welcher daraufhin einen Passierschein ausstellt.

Der Passierschein berechtigt nur für einmaligen Grenzübertritt, hat eine Gültigkeit von 3 Tagen und ist bei der Rückkehr dem Heerespolizeiposten wieder abzugeben.

E. Den im Auslande wohnhaften Inhabern von Sichtvermerken ist untersagt, innerhalb des schweizerischen Gebietes andere als die in dem Ausweise bezeichnete oder auf der kürzesten Reisestrecke liegende Ortschaften zu besuchen.

4. Für den kleinen Grenzverkehr im Sinne von Ziffer 3 stehen die folgenden Passierstellen zur Verfügung:

Passierstelle Nr. 1 Strasse Luziensteig-Balzers

Passierstelle Nr. 2 Brücke Trübbach-Klein-Mels

Passierstelle Nr. 3 Brücke Sevelen-Vaduz

Passierstelle Nr. 4 Brücke Buchs-Schan

Passierstelle Nr. 5 Brücke Hag-Benderen

Passierstelle Nr. 6 Brücke Büchel-Bangs

Passierstelle Nr. 7 Brücke Oberriet-Meiningen

Passierstelle Nr. 8 Brücke Montlingen-Koblach

Passierstelle Nr. 9 Brücke Kriesseren-Mäder

Passierstelle Nr. 10 Brücke Schmitter-Hatlerdorf

Passierstelle Nr. 11 Brücke Widnau-Wiesenrhein

Passierstelle Nr. 12 Brücke Oberfahr-Lustenau

Passierstelle Nr. 13 Brücke Monstein-Lustenau

Passierstelle Nr. 14 Brücke St. Margreten-Höchst

Passierstelle Nr. 15 Brücke Rheineck-Gaissau.

An jeder Passierstelle sind durch Anschlag die Tageszeiten bekannt gemacht, während denen das Passieren der Grenze gestattet ist.

5. Es ist verboten:

a) Die Grenze ausserhalb der Passierstellen zu überschreiten.

b) Die Grenze im kleinen Grenzverkehr an andern als der im Sichtvermerk oder Passierschein bezeichneten Stelle zu überschreiten.

c) Die Grenze zu andern als den bekannt gegebenen Tageszeiten zu überschreiten.

6. Das Abgeben von Zeichen oder Signalen jeder Art im Grenzgebiet ist verboten.

7. Dem Befehl „Halt" oder der Aufforderung einer Schildwache oder Patrouille „näher zu treten" hat jedermann sofort Folge zu leisten, auch solche Personen, welche im Besitze von Ausweisschriften oder einer Bewilligung sind.

Der Bevölkerung wird in Erinnerung gebracht, dass die Schildwachen und Patrouillen geladene Gewehre tragen und Befehl haben, wenn nötig gegen alle Personen, die ihren Weisungen nicht nachkommen, von der Waffe Gebrauch zu machen.

8. Jede Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Bekanntmachung wird militärgerichtlich verfolgt. Vorbehalten bleibt die Verfolgung bei Nichtbeachtung der Zollgesetze und Ausfuhrverbote.

9. Diese Vorschriften treten mit 20. März 1918 in Kraft. [2] Von diesem Tage an ist die Bekanntmachung vom 10. April 1917 aufgehoben.

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[1] LI LA RE 1918/0520 (3 Exemplare). Die liechtensteinische Regierung bzw. Landesverweser Leopold von Imhof hatte schon am 2.2.1918 das Sektorkommando Sargans des Grenzdetachement Nordostschweiz um Mitteilung ersucht, in welcher Art der kleine Grenzverkehr zwischen Liechtenstein und der Schweiz nach der Bundesratsverordnung vom 21.11.1917 betreffend die Grenzpolizei und die Kontrolle der Ausländer geregelt würde (LI LA RE 1918/520 sowie AS, Bd. XXXI-II, Nr. 67, 21.11.1917, S. 959-967). Das Kommando des Grenzdetachements in Schaffhausen konnte jedoch am 5.3.1918 der liechtensteinischen Regierung noch keine präzise Auskunft dazu erteilen (LI LA RE 1918/1033 ad 0520). Am 14.3.1918 fand dann in der Sache eine Besprechung zwischen den Vertretern der österreichischen Grenzschutzkommandos Feldkirch, dem Chef des Detachements Nordostschweiz und dem liechtensteinischen Landesverweser Imhof in Buchs statt (vgl. die Einladung des Grenzschutzdetachements an die liechtensteinische Regierung vom 11.3.1918 (LI LA RE 1918/1116 ad 0520)). Tags drauf wurde dann vom Kommando des Grenzdetachements Nordostschweiz die gegenständliche Bekanntmachung herausgebracht. Erst mit Schreiben vom 17.4.1918 wurden Landesverweser Imhof auf Weisung des Chefs des Detachements der Heerespolizei Nordostschweiz 20 Exemplare der Bekanntmachung zugesandt (LI LA RE 1918/1723 ad 0520). Landesverweser Imhof übermittelte die Bekanntmachung am 18.4.1918 an alle Ortsvorstehungen sowie an die Nebenzollämter Balzers, Vaduz, Schaan und Bendern zum Anschlag an der Amtstafel bzw. an den Rheinbrücken mit dem Bemerken, dass aufgrund der von der liechtensteinischen Regierung getroffenen Vereinbarung bei Liechtensteinern für den grossen Grenzverkehr die Beibringung des Konsulats- respektive Gesandtschaftsvisums auf dem Reisepass nicht gefordert werde (LI LA RE 1918/1723 ad 0520 revers).
[2] Vgl. in weiterer Folge die Erlassung neuer Vorschriften für die Einreise liechtensteinischer Staatsangehöriger in die Schweiz im grossen Grenzverkehr durch die Zentralstelle für Fremdenpolizei in Bern (L.Vo., Nr. 32, 9.8.1918, S. 1 („Kundmachung betreffend den Reiseverkehr nach der Schweiz")).