Landesverweser Leopold von Imhof beschwert sich über Autofahrten österreichischer Offiziere in Liechtenstein


Maschinenschriftliches Schreiben von Landesverweser Leopold von Imhof an das k.u.k. Stationskommando in Feldkirch [1]

12.8.1915

In letzter Zeit sind in der hiesigen Bevölkerung mehrfach Klagen laut geworden, dass Offiziere aus Feldkirch bei ihren Automobilfahrten im Fürstentume die gebotene Vorsicht ausserachtlassen und die vorgeschriebene Fahrgeschwindigkeit erheblich überschreiten, wodurch namentlich in den Ortschaften und den nicht zu überblickenden Strassenkrümmungen leicht Unglücksfälle herbeigeführt werden könnten. Ich gestatte mir zunächst darauf aufmerksam zu machen, dass Automobilfahrten österreichischer Offiziere in Uniform in Liechtenstein jetzt leicht missdeutet werden könnten und im Nachbarlande Zweifel an der Neutralität des Fürstentums zu erwecken geeignet sind, die auf die Beziehungen Liechtensteins zur Schweiz, welcher das Fürstentum den hauptsächlichsten Lebensmittelbezug dankt, von nachteiligem Einflusse sein könnten.

Wenn ich gleichwohl dem Übertritt österreichischer Offiziere nach Liechtenstein bis auf Weiteres kein Hindernis in den Weg legen will, darf ich doch der Erwartung Ausdruck geben, dass das geehrte k.u.k. Militärstations-Kommando auf die in Feldkirch stationierten Herren Offiziere dahin Einfluss nehmen werde, das Gebiet des Fürstentums künftig nur in Zivilkleidung zu betreten.

Was den Automobilverkehr im Fürstentume anbelangt, so gelten dafür analoge Vorschriften wie solche für Österreich mit der Ministerial-Verordnung vom 27. September 1905 R.Gbl. Nr. 156 [2] erlassen wurden.

Die Taxen sind beim Eintritte in das Fürstentum (Ortschaft Schaanwald) zu entrichten.

Ich darf nach diesen Hinweisen wohl annehmen, dass künftig die das Gebiet des Fürstentums mittels Automobilen befahrenden Herren Offiziere diese Vorschriften beachten und so zu begründeten Klagen der Bevölkerung und allfälliger Einleitung von Strafamtshandlungen keinen Anlass geben werden. [3]

Als einer der Herren Offiziere, welche die Taxeinhebungsstelle überfahren und die vorgeschriebenen Geschwindigkeiten überschritten hat, wurde mir Rittmeister Baron Rothschild genannt.

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[1] LI LA RE 1915/2857. Das Dokument wurde am 12.8.1915 von David Strub ins Reine geschrieben.
[2] Verordnung des Ministeriums des Innern im Einvernehmen mit dem Finanzministerium vom 27.9.1905, betreffend die Erlassung sicherheitspolizeilicher Bestimmungen für den Betrieb von Automobilen und Motorrädern, öst. RGBl. 1905 Nr. 156.
[3] Das Stationskommando versicherte mit Schreiben vom 20.8.1915, es sei angeordnet worden, dass "den Anforderungen der fürstlichen Regierung [...] in jeder Richtung Rechnung getragen wird" (LI LA RE 1915/2857).