Wilhelm Beck rechtfertigt seine Haltung in der Verfassungsfrage und verteidigt sich gegen den Vorwurf, er sei Republikaner (2)


Artikel von Wilhelm Beck in den "Oberrheinischen Nachrichten" [1]

7.8.1920

Zur Politik der Wiener Gesandtschaft

(Entgegnung von Dr. W. Beck, Vaduz)

Ich gebe Ihnen [Prinz Eduard] die Versicherung ab, dass ich auch ohne Diplomatenränke und -Schwänke den Mut hätte, öffentlich für die republikanische Idee aufzutreten und zu werben, wenn ich überzeugt wäre, dass nun einmal Liechtenstein eine Republik sein solle. Sie täuschen sich in mir aber, wenn Sie mich zu einem Scheinmonarchisten stempeln wollen. Ich finde mich mit Rücksicht auf meine verschiedenen Äusserungen in der Presse und sonst gar nicht mehr bemüssigt, Ihnen und anderen, die mich längst zum Republikaner stempeln möchten, ein umständliches politisches Glaubensbekenntnis abzulegen. Von einem Prinzen lasse ich mir weder die Überzeugung geben, noch nehmen. Voll und ganz stehe ich auf dem Boden des Programmes der Volkspartei, [2] das ich Sie bitte, sich recht gut einzuprägen. Daraus möchte ich nur erwähnen, dass ich uneingeschränkt für eine wirklich demokratische Monarchie auf parlamentarischer Grundlage, ohne besondern Hintergedanken, eintrete. Ein Volksfürstentum soll es sein. Die herumgebotene Behauptung, ich oder die Volkspartei wollen den Fürsten [Johann II.] verdrängen, ist eine zur Stimmungsmache erfundene Unwahrheit. Ich bitte Sie, sich zu merken, dass nach jenem Programme alle Berufs-, Standes- und Klassenvorrechte ausgeschaltet werden, vorbehaltlich der Vorrechte des Monarchen. Einmal wurde mir der Vorwurf gemacht, ich hätte gesagt, man solle in Zukunft "Herr Prinz" sagen. [3] Dies entspräche wohl dem Sinne unseres demokratischen Programms. So wenig die Partei, die Führer und meine Wenigkeit dazu da sind, um stets Schmeicheleien, die so gerne gehört werden, zu sagen, und um Unangenehmes zu verschweigen, das man nicht hören will, so wenig mache ich einen grossen Unterschied zwischen dem Geburtsstande der Menschen. Prinzen sind für mich Menschen wie jeder andere undich schätze sie hoch ein oder niedrig, je nach dem allgemeinen menschlichen Verdienste. In meinen Augen entscheidet vor allem der rein menschliche Standpunkt. Ich werde mir in Zukunft je nach den Umständen die Anrede Herr Prinz gestatten. Suchen Sie aber darin nicht wieder die "republikanische" Gleichheitsmacherei. Das hat nicht mit leeren Schlagworten zu tun und ebenso will ich die Ehrenrechte des Monarchen als solchen nicht berühren. Die Behandlung der gewöhnlichen Bürger von oben herab und das Fühlenlassen, dass man etwas Besseres sei, zieht nicht mehr. Eine solche Behandlung kam in der Nichtbeantwortung von Eingaben und Telegrammen, aber auch sonst zum Ausdruck. Sie gelten ja meines Wissens als der demokratische Prinz im Fürstenhause. Wohlan, machen Sie Ihrem Beinamen alle Ehre, indem Sie uns helfen, ein echt demokratisches Staatswesen aufzurichten. Der Ehrenname mag recht bald durch Taten bewiesen werden. Endlich erlaube ich mir, daran zu erinnern, dass nach jenem Programm die Ausschaltung aller Zwischenmauern zwischen Fürst und Volk und ein unmittelbarer und direkter Verkehr zwischen dem Fürsten und den Landesbehörden verlangt wird. Wie steht es mit der Verwirklichung dieses Postulates, seitdem der Herr Gesandte Aussenminister ist, wie manche meinen.

Immer wieder wird die Fürstentreue der Volkspartei, ihrer Führer und Angehörigen angezweifelt, ja verhöhnt, trotz der seit 1918 mehrfach kundgetanen Äusserungen. Hierzu folgendes:

Was unter Fürstentreue auf der einen Seite alles verstanden wird und was auf der andern Seite, will ich nicht weiter untersuchen, das aber glaube ich, dass sie weder sklavisch noch bedingungslos und voraussetzungslos ist. Und wenn Sie von mancher Seite immer wieder und gar auffällig betont wird, dann möge man in Wien den Grund hierfür doch verstehen und Betrachtungen anstellen.

Die Fürstentreue zum regierenden Haus kommt insbesondere bei der in früherer Zeit gekannten und auch noch in unserer alten Verfassung [4] erwähnten Huldigung zum sichtbaren Ausdruck. Unsere Altvorderen haben mehrmals gehuldigt. Im Regierungsarchiv finden sich Akten über die Huldigung der Herrschaft Schellenberg vom 16. März 1699, der Grafschaft Vaduz vom 9. Juni 1712 und dieser beiden Landschaften anlässlich der Erhebung derselben zu einem Reichsfürstentume vom 5. September 1718. Diese Akten sind auszugsweise mitgeteilt im 10. Band des Jahrbuches des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein. [5] Aus jenen Akten geht nun mit aller Deutlichkeit hervor, dass unsere Vorfahren nur unter der ausdrücklichen Voraussetzung Treue schworen, dass ihnen ihre Rechte und Freiheiten gewahrt bleiben. Ihre Treue war demnach keine unbedingte und sklavische. Das geht namentlich aus der offenen Rede des Altlandammans Basil Hoop von Balzers hervor. – Seither sind mehr als 200 Jahre über unsere Landschaften dahingegangen, mit allen Nöten und Kümmernissen der Zeiten. Jene Rechte und Freiheiten sind unter dem absoluten Polizeistaat allmählich zertrümmert und dem Volke sind ganz unbekannte absolutistische Auffassungen aus fernen Teilen Österreichs aufgedrängt worden. Das zeigt die rechtsgeschichtliche Vergleichung zur Genüge. Wir sind es unsern Altvordern im Grabe schuldig, dass wir ihnen im Zeitalter der Demokratie Ehre machen. Die Interessen des Landes und des Fürstenhauses könne heute nur mehr und am besten in einer echt demokratischen Verfassung, die an den freien deutschen Rhein passt, gewahrt werden. Im Sinne einer solchen Verfassung hat sich die Fürstentreue zu bewegen und zu begrenzen. Vergangene Rechtsbegriffe und landesfremde, dem Geiste des Alemanenvolkes widersprechende Auffassungen, es möge auch noch so oft versucht werden, sie uns mundgerecht zu machen, gehören der Geschichte an. Mit der beständigen Nörgelei über Mangel an Fürstentreue u.a. muss man es schliesslich begreiflich finden, und sich nicht wundern, wenn eines schönen Tages in Liechtenstein – ohne mein Zutun und entgegen meinem Willen eine republikanische Partei in aller Offenheit entstehen wird. Die beständige Verbitterung, Benachteiligung u.a. in politischer Beziehung müssen unter der Nachwirkung der Erfahrungen schliesslich jener rufen, ferner die Verschleppung der demokratischen Verfassungsreform mit einem wirklichen, nicht nur scheinbaren Entgegenkommen gegenüber den Anforderungen der Zeit, die versuchte Berufung eines Ausländers an die Regierung, [6] womit nach Glauben vieler eben stillschweigende Nebenabsichten verbunden waren, die unglaubliche Sprache von Spezialgesandten, von Maschinengewehren und Pistolen und nicht zuletzt die nachwirkende Erinnerung an unfähige oder autokratische Landesverweser: diese Momente und manch andere, haben unter dem Einflusse des das monarchische Prinzip tödlich verletzenden Krieges bei manchen den Glauben an dasselbe erschüttert. Kann man es schliesslich diesen im übrigen ehrenwerten Mitbürgern verargen, wenn sie einem andern politischen Ideal huldigen. Je mehr der unwahre Vorwurf wegen mangelnder Treue zum Fürsten erhoben, je hartnäckiger damit politische Spekulation im Land und in Wien getrieben werden und je mehr man damit Volksforderungen bekämpft, desto grösser wird die Zahl der Anhänger einstens werden. Das polit. Ankreidungssystem muss unter diesen Umständen leider Früchte tragen, wie man sie nicht erwarten sollte. Die geistigen Urheber dieser neuesten Erscheinung sind nicht in der Volkspartei zu suchen. Es ist meine publizistische Pflicht, auf neueste Erscheinungen hinzuweisen und ich würde sie nicht erfüllen, wenn ich nur Vogel Strausspolitik triebe. Einen warmen Appell richte ich an Sie, Herr Gesandter, das Übel bei der Wurzel zu heben. Missverstehen und missdeuten Sie meine Worte nicht!

Mit diesem Kapitel gehört die Volkstreue, die es neben der Fürstentreue gibt. Beide sollten sich zwar nicht ausschliessen; immerhin können wir praktisch beobachten, dass sie früher zu Gegensätzen gestempelt worden sind. Dieser Zwiespalt wirkt heute noch nach. Vielleicht liegt hierin z.T. eine Erklärung für den Parteigegensatz. Damit will ich nicht sagen, dass die Volkspartei als solche nur Treue gegenüber dem Volke kenne. Auf den Begriff der Treue zum Volke will ich weiter weder historisch noch politisch eingehen. Soviel darf zur Aufklärung immerhin gesagt werden, dass die rechtliche, kulturelle und wirtschaftliche Hebung des Volkes in erster Linie im gegenwärtigen Verfassungskampf eine Rolle spielt, mag auch dies dem Einzelnen von heute noch einwenig zum Bewusstsein kommen. Volkstreue betätigt sich im Ausbau der Rechte des Volkes in Demokratie – ihr Feind ist jedes Gesslertum [7], das System volksfremder Beamter und was drum und dran hängt. Das seit langer Zeit und noch in den letzten Jahren offenkundig zur Schau getragene Misstrauen gegen alle politischen Regungen der Volksseele ist als Überbleibsel des Polizeistaates unvereinbar mit der Treue zum Volke. Die Volkstreue verlangt in Zukunft, dass der Monarch mehr im Lande weilt, dass nicht auswärtig wohnende Behörden bestehen u.a.m. Neben den dynastischen Interessen haben die Interessen des Volkes ihre Berücksichtigung zu finden. Wie schon bemerkt, müssen sich nicht nur ideal, sondern auch realpolitisch Fürstentreue und Volkstreue zusammenfinden, ja einander ergänzen. Das ist es aber nicht, wenn selbst hohe Persönlichkeiten sich äussern, "ja mit dem Volke kann man alles machen, wenn nur seine Führer nachgeben" und wenn sie die Sprache der Maschinengewehre und Pistolen als Rettungsmittel nennen. Das ist kein Ausdruck der Volkstreue. Ich bitte den Herrn Gesandten ja auch recht volkstreu zu amtieren!

Es ist eine eigentümliche Wiederkehr in der Geschichte, wie wir aus Nachfolgendem ersehen:

Mit Ihrem Vorwurfe, ich sei republikanisch angehaucht, geht es mir, wie unserem unvergesslichen Geschichtsschreiber Peter Kaiser. Seine Geschichte des Fürstentums Liechtenstein schloss er mit einer freimütigen und offenen Kritik an den damaligen Zuständen ab. Gleich nach dem Erscheinen (1847) seines Buches bezeichnete man es deshalb in höfischen Kreisen als "seichtes" Werk. Und vor nicht gar langer Zeit hat noch ein Autokrat geschrieben. Kaiser sei republikanisch angehaucht, ja schwärmerisch veranlagt gewesen. [8] So hat man diesem Mann aus dem Volke Steine ins Grab hinab nachgeworfen, weil er in das damalige fremdvögtische System hineingezündet hat. Ähnlich wie Peter Kaiser geht es mir, und meine Wenigkeit hat doch den einen Trost: nämlich einen grossen Vorfahren zu haben.

Aus den Ausführungen meines Gegners scheint hervorzugehen, dass er mich auch deshalb republikanisch findet, weil ich einen Zoll- und Postanschluss an die Schweiz will. Doch bei mir, das kann ich diesen Herren versichern, geben sachliche Momente den Ausschlag und nicht Sonderinteressen, wie man es bei andern nur zu gut merkt. Diese sachlichen Momente sind dem Gegner so gut bekannt wie mir. Für sie werde ich einstehen. Ich könnte es mit meinem Gewissen nicht verantworten, wenn durch meine Schuld Kind und Kindeskinder aus einer unglücklichen Wirtschaftsehe erblich belastet würden. Das sind sie aber bei einem Zollanschluss an die gesunde, wohlgeordnete Schweiz nicht.

Wenn sie mich, weil ich eine bis auf die Knochen demokratische Monarchie erkämpfe, eine Republikaner nennen wollen, wohlan, tun Sie es!

Dies alles vorausgeschickt, wollen wir die vom Herrn Gesandten zur Massenbeeinflussung in die Welt hinausgeschleuderte Unwahrheit über meinen Republikanismus prüfen.

a) Ich hatte schon mehrfach mündlich und schriftlich die Ehre, meinen Standpunkt dem Herrn Gesandten auseinanderzusetzen, so dass er beim Schreiben des Artikels nicht im geringsten Zweifel sein konnte. Nicht umsonst und jedenfalls nicht weil ich Republikaner sein soll, hat man mich von Wien aus um Gedankenaustausch mehrmals angegangen. Leider habe ich dabei früher schon so schlechte Erfahrungen in verschiedener Hinsicht gemacht, dass ich hierauf lieber verzichte. Oder soll ich mehr sagen, damit die Leser selber ein Urteil bilden können?

In einem Brief vom 6. April 1920, [9] der an Deutlichkeit über meinen Standpunkt nichts zu wünschen übrig lässt, präzisierte ich letzteren und hob über Unregelmässigkeiten Einspruch. In wohlwollender, ja belobender (!) Weise erhielt ich hierauf über meine "mehrfach erwiesene Loyalität" (!) d. h. wohl gegenüber dem Landesfürsten, die gewiss schwerwiegende Anerkennung des Herrn Gesandten. [10] Also im April erhielt ich diese Anerkennung und trotzdem wirft man mir eine Äusserung von Bern vom Januar 1920 vor und bringt diese mit einer fremden Zeitungsnotiz in Verbindung. Diese Logik und Schnüffelei nach republikanischer Gesinnung ist nicht jedermann eigen.

Zudem beweisen auch andere Schreiben, z.B. aus jüngster Zeit, dass mich der Herr Gesandte persönlich, also nicht vor der Öffentlichkeit, anders einschätzt. Vor der Öffentlichkeit muss man doch die Masse beeinflussen und Effekt machen. Nicht wahr?

b) Der Herr Gesandte stellt die Sache so dar, als ob die Stimmungsmache der schweizer. "Republikanischen Blätter" für den Zollvertrag mit Liechtenstein mit meiner Bemerkung bei den Berner Verhandlungen: "Vorläufig ist Liechtenstein noch eine Monarchie" im Zusammenhang stände. [11] Jene Bemerkung sei allerdings taktvoll als rednerische Entgleisung aufgefasst worden.

Über eine Ihrer Bemerkungen, die mehr als rhetorisch entgleist war, habe ich oben bei der Besprechung der Zollgeldentschädigung berichtet. Im übrigen folgendes: Republikanische Blätter. Ihre geradezu leichtfertige schlussfolgernde Vielschreiberei erhellt aus der Vermutung, mit der Sie einen Artikel jener Blätter mit mir und meiner angeblich republikanischen Gesinnung in Beziehung bringen. Es ist das ein in Nummer 46 jener Blätter [12] erschienener redaktioneller Artikel, der über unsern angestrebten Zollanschluss berichtet und dessen Inhalt dem Sinne nach übrigens in andern schweizer. Blätter schon vorher erschienen war. Diese Verdächtigung passt zum Vorwurf wegen meiner schweizerischen Studien, der Praxis in dort, und meiner Liebe zur Schweiz.

Die Antwort auf diese unwahre Verdächtigung erhalten Sie in nachfolgendem Schreiben:

Herrn Dr. jur. W. Beck, Vaduz.

Herr Doktor!

Man macht mich [Johann Baptist Rusch] auf die in Nummer 55 des "Liechtensteiner Volksblatt" angehobene Artikelserie des Herrn Dr. Eduard Prinzen von Liechtenstein aufmerksam, in welchem dieser Aristokrat in einem sehr wenig fürstlichen Ton über Sie herfällt. Sie werden darin in verdachtsweisen Zusammenhang mit dem Artikel gebracht, der am 5. Juni in "Schw. Republ. Bl." bezüglich des schwebenden Zollabkommens der Eidgenossenschaft mit dem Fürstentum erschienen ist und Ihre öffentliche Stellung in Liechtenstein wird durch Anspielungen in trübes Licht gestellt, als ob Sie dem wenig patriotischen Werk oblägen, zum Schaden Ihrer Heimat eine ausländische Presse falsch zu unterrichten.

In der Annahme, dass diese Angriffe, die mehr durch den Namenszug des Autors, als den Ton ihre hohe Abkunft verraten, für Sie, Herr Doktor, in hohem Grade unangenehm sein müssen, beeile ich mich der Wahrheit zur Ehre festzustellen, was folgt:

  1. Jener Artikel in den "S. R. Bl." stammt aus meiner Feder, war vom Standpunkt des Schweizers aus geschrieben und stützte sich auf Erörterungen des Zollvertrages in schweizer. Blättern.
  2. Sie haben durch sofortige Vorstellung bei mir die Richtigkeit jenes Artikels angefochten und eine den Verhältnissen und Interessen Liechtensteins gerecht werdende Rectifikation in Nummer 46 [13] veranlasst, die wiederum redaktionell verfasst und, was die Politik Liechtensteins anbetrifft, nach unseren eigenen Heften und hierseitigen Anschauungen umgearbeitet wurde. Von dem Ihnen vorgeworfenen Republikanismus hatte ich bei jener Unterhaltung leider wenig bemerkt. Auf eine diesbezügliche Andeutung meinerseits und den Vergleich mit dem Fürstentum Neuenburg [14] erklärten Sie sehr unzweideutig, das Volk von Liechtenstein fühle sich mit dem angestammten Fürstenhaus in aller Treue und Loyalität verwachsen und kein Liechtensteiner denke daran, diesbezüglich etwas abzuändern. Wenn eine Annäherung an die Schweiz gewünscht werde, erstrecke dieser Wunsch sich in keinem Punkt über das Wirtschaftliche und Verkehrspolitische hinaus. Man dürfe Liechtenstein diesbezüglich nicht mit Vorarlberg verwechseln.
  3. Die "S. R. Bl." werden nicht in der Offizin gedruckt, in welcher das von Ihnen redigierte Blatt erscheint, und wer meine Haltung zu den leitenden Organen jenes Druckereiunternehmens kennt, weiss, dass jeder Verdacht der Intimität zwischen jener und unserer Druckerei ausgeschlossen ist. [15]

Meinerseits habe ich noch zu bemerken, dass wir absolut kein besonderes intensives Streben nach einer Vereinigung des Fürstentums mit der Eidgenossenschaft an den Tag legen. Wir lieben unsere Nachbarn im Ländli, sind gerne bereit, nach den Umgestaltungen des alten österr. Staates ihnen gegenüber jene Dienste und Obliegenheiten zu übernehmen, die sie glauben vorteilhafter an einen grösseren Nachbarstaat abzutreten und freuen uns, wenn wir ihnen nützlich sein können. Wir halten die republikanischen Ideale für etwas zu Grosses, als dass wir irgendwie Wert darauf legten, dass sie gerade in Ihrem kleinen, von einem populären Monarchen regierten Ländchen sich verwirklichen. Sie haben Neuland genug gewonnen und es wird die Sorge eines Jahrhunderts sein, sie dort zu festigen und zu vertiefen. Unsere spezielle Aufgabe ist nicht, den Republikanismus in andere Länder zu tragen, sondern ihn im eigenen Lande als lebendige Idee und nicht bloss toten Buchstaben wieder zu erwecken.

Indem ich glaubte, Ihnen dies auf die gegen Sie gerichteten persönlichen Angriffe mitteilen zu sollen, spreche ich nochmals mein Befremden über die auf Vermutungen und Argwohn gestützte Polemik eines Mitgliedes der hohen Aristokratie einem Mann aus dem Volk gegenüber aus und versichere Sie meiner ergebenen Hochachtung

J. B. Rusch
Redakteur der "Schweizer. Republ. Blätter".

Zu diesem Schreiben will ich nicht mehr viel hinzufügen. Nun, mein Herr, was sagen Sie dazu? Genügt es, einfach auf die Tatsache hin, dass die "Nachrichten" und der "Liechtensteiner Unterländer" und die "Schweizer. Republik. Blätter" am gleichen Orte, aber nicht in der gleichen Druckerei herausgegeben werden, so leichthin einen schweren Verdacht auszusprechen? Gerade umgekehrt verhält sich die Sache: ich habe eine Richtigstellung jenes Artikels veranlasst: die Richtigstellung jenes Artikels veranlasst; die Richtigstellung wurde redaktionell verfasst und enthält leider wieder einige Gedanken, mit denen ich nicht einverstanden bin und die nicht richtig sind. Ich will nur einiges aus jenem zweiten Artikel bringen: "Auf die Bemerkungen über die Bestrebungen des liechtensteinischen Zollanschlusses in letzter Nummer sind uns aus Vaduz folgende Orientierungen zugegangen: Es ist unrichtig, wenn man von einer Zollunion spricht. Liechtenstein begehrt im Zollgebiet der Schweiz aufzugehen, was als Zollanschluss bezeichnet werden muss. Der Zollertrag im Verhältnis zu Österreich war in den letzten Jahren 250-300'000 Kronen. Liechtenstein bildete mit Vorarlberg zusammen ein Verrechnungsgebiet des österreichischen Zolles. Der Ertrag dieses Gebietes wurde auf den Kopf der Bevölkerung in durchschnittliche Berechnung gebracht und diese mit den Jahren wachsende Summe dem Lande Liechtenstein auch gegenüber der Schweiz auf eine solche Auszahlung nicht verzichten. [16] Da es an den Subventionen und Vorteilen, welche das Schweizervolk aus dem Ergebnis der Zölle geniesst, keinen Anteil hat, ist es nur billig und recht, dass ihm nach den im Vertrag vorgesehenen Formeln ausgerechneten Grundlage sein Anteil an den Zolleinnahmen rückvergütet wird. Der Vertrag des Zollanschlusses ist fertig erstellt und harrt gegenwärtig der Unterzeichnung durch die beiden Behörden."

Man sollte nun doch glauben dürfen, dass einem Diplomaten solche Schnitzer nicht passieren könnten! Der "Argus" der Presse in Genf weiss zwar vieles zu berichten, leider nicht immer das Richtige! An den Türen des geheimen Redaktionskomitees der "O.N." gibt es nichts zu horchen, da dieses Blatt jede Kamarillawirtschaft grundsätzlich bekämpft und diesem Bestreben Nachahmung zu finden hofft.

Was würde der Herr Gesandte dazu sagen, wenn ich von ihm als Diplomaten Auskunft über die Richtigkeit von Meldungen über ihn in der Wiener Presse verlangte? Dort ist ja die Tätigkeit des Herrn Gesandten mehr als erwünscht beleuchtet worden. Davon wird man auf der allwissenden Wiener Gesandtschaft auch Kenntnis haben.

Meine Bemerkung in Bern. Es ist unschön von einem Prinzen, um nicht mehr zu sagen, wenn er meine Worte: "Vorläufig sind wir noch eine Monarchie" in einem völlig verdrehten unterschobenen Sinn zitiert. Jene Worte habe ich anlässlich der Besprechung der Stellung der Zollbeamten im Lande und Anpassung der bezüglichen Vorschriften an unsere monarchischen Verhältnisse in dem Sinne gebraucht: dass man nun einmal beim Zollanschluss und seiner Durchführung mit den Eigentümlichkeiten einer Monarchie rechnen müsse, und so lange als wir eine Monarchie seien. Damit habe ich, wie ja der Gesandte selber zugeben muss, gar nicht die Ansicht geäussert, dass unser Land nur mehr "vorläufig", d.h. einstweilen bis etwas anderes an die Stelle trete, eine Monarchie sei. Wenn ich solche Absichten hegen würde, so wäre ich jedenfalls nicht zuerst in diesem Sinne in Bern tätig. Wenn Sie zitieren, führen Sie die Rede auch sinngemäss an, den einen Rat gebe ich Ihnen. Niemals hätte ich geglaubt, dass ein schlauer Diplomat alten Schlages zu solchen Kampfmitteln greifen würde. Wenn es nun notwendig wird, werde ich Ihre verschiedenen Äusserungen über unsere jetzige Regierung u.a. sinn- und wortgemäss anführen. Ich brauche sie sicherlich nicht zu verdrehen, um verstanden zu werden.

Nebenbei gestatte ich mir noch die Bemerkung, dass es in Zukunft wünschenswert ist, wenn auch andere Kommissionsmitglieder bei solchen Konferenzen neben Ihnen mehr zum Worte kommen. [17] Denn in erster Linie sollen die geborenen Liechtensteiner Aufschluss geben.

Soviel zu dieser unwahren Aufmachung.

VIII.

Zusammenfassend ist hervorzuheben, dass der Herr Gesandte auf jene vier Fragen eine kurze, bündige aber vollinhaltlich wahre Antwort nicht geben will und nicht gegeben hat. Der Korrespondent wartet noch auf die richtige Auskunft.

Der Schlag mit seiner Artikelserie sollte andere, besonders mich und die Führer der Volkspartei ins Herz treffen. Auf die lange Antwort war ich gezwungen, in einer ebenfalls langen Antwort zu erwidern. Besonders hervorheben möchte ich, dass ich in diesen Artikeln nur einiges aus meiner Sammelmappe zur Aufklärung der Leser geboten habe. Es ist noch mehr Stoff vorhanden. Wenn der Kampf weiter gehen sollte, so werde ich nicht mehr so viel zurückstellen.

Befremdend ist es, dass der Herr Gesandte gerade an mir seinen Groll auslassen will, wo er doch auch gegebene Versprechen kennen sollte. Die treibenden Beweggründe zu diesem Handeln liegen offen zu Tage und ich werde mich darnach richten. – Wohl ist mir bekannt, dass der Herr Gesandte in Wien gegenüber der Hofkanzlei, Mitgliedern des Fürstenhauses usw. einen recht schweren Standpunkt hat und dass man seiner Tätigkeit auch dort oft misstrauisch begegnet. Vielleicht mag diese Abneigung ja damit zusammenhängen, dass unser Herr Gesandte in den Augen mancher – Namen zur Verfügung – viel zu demokratisch ist. Auffassungen Altösterreichs vertragen einen demokratischen Gedanken bekanntlich recht schwer. Obwohl ich keinen Grund des Entgegenkommens hätte, muss ich hier, um allen Missverständnissen vorzubeugen, erklären, dass ich mit meiner Antwort an den Gesandten seinen Gegnern weder einen Dienst leisten will, noch kann. Denn ihre Geistesverfassung passt vielfach noch weniger zur demokratischen Gesinnung des Liechtensteiner Völkchens, das haben Vorgänge jüngster Zeit sattsam dargetan.

Wer echt demokratisch, frei und offen, ohne Hintergedanken, unser Staatwesen aufbauen will, zum Wohle des Landes, seiner Bevölkerung, dem reiche ich die Hand zu gemeinsamer Arbeit.

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[1] O.N., Nr. 63, 7.8.1920, S. 1f. Der Artikel ist Teil einer umfangreichen Pressefehde zwischen Wilhelm Beck und Prinz Eduard. Ausgangspunkt war ein Artikel eines Korrespondenten in den "Oberrheinischen Nachrichten", der die Tätigkeit der Wiener Gesandtschaft kritisierte und u.a. eine Antwort auf die Frage forderte, wie "der Herr Gesandte sein in diesem Frühjahr abgegebenes Versprechen, das Land müsse binnen zwei Monaten eine Verfassung haben", einzulösen gedenke (O.N., Nr. 52, 30.6.1920, S. 2 ("Zur Politik der Wiener Gesandtschaft")). Prinz Eduard antworte mit einem vierteiligen Artikel im "Liechtensteiner Volksblatt" (L.Vo., Nr. 55, 10.7.1920, S. 1f.; Nr. 56, 13.7.1920, S. 1f., Nr. 57, 17.7.1920, S. 1f.; Nr. 58, 21.7.1920, S. 1 ("Zur Politik der Wiener Gesandtschaft")). Zu dieser Artikelserie nahm Wilhelm Beck in fünf Ausgaben der "Oberrheinischen Nachrichten" Stellung (O.N., Nr. 59, 24.7.1920, S. 1; Nr. 60, 28.7.1920, S. 1; Nr. 61, 31.7.1920, S. 1f.; Nr. 62, 4.8.1920, S. 1f.; Nr. 63, 7.8.1920, S. 1f. ("Zur Politik der Wiener Gesandtschaft")).
[2] O.N., Nr. 3, 18.1.1919, S. 1f. ("Programm der christl.-sozialen Volkspartei Liechtensteins").
[3] Laut dem "Liechtensteiner Volksblatt" hatte Wilhelm Beck an der Versammlung vom 18.4.1919 in Triesen, an der die Protestresolution gegen die Berufung von Josef Peer zum Landesverweser beschlossen wurde, gesagt: "Überhaupt dieses Durchlaucht sagen, er sage jetzt dann nur mehr Herr Prinz" (L.Vo., Nr. 32, 21.4.1920, S. 1 ("Die Fürchtemacher")).
[4] Konstitutionelle Verfassung vom 26.9.1862 (LI LA SgRV).
[5] Albert Schädler: Huldigungs-Akte bei dem Übergang der Herrschaft Schellenberg und Grafschaft Vaduz an die Fürsten von Liechtenstein, in: JBL 10 (1910), S. 5–30.
[6] Die Berufung von Josef Peer.
[7] Gessler: Hochmütiger Landvogt aus der im 15. Jahrhundert entstandenen Tellsage.
[8] Gemeint ist wohl: Franz Josef Kind: Peter Kaiser, in: JBL 5 (1905), S. 5–38, wo Kaiser als "etwas republikanisch angehaucht" bezeichnet wird (S. 27f.).
[9] LI LA V 003/1189, Beck an Prinz Eduard, 6.4.1920.
[10] LI LA V 003/1189, Prinz Eduard an Beck, 12.4.1920.
[11] Angesprochen sind die ersten Gespräche zwischen der Schweiz und Liechtenstein über den Abschluss eines Zollanschlussvertrags vom 23./24.1.1920 in Bern. Vgl. LI LA SF 27/1920/0650 ad 64, Protokoll der Konferenz vom 23./24.1.1920.
[12] Die Angabe der Ausgabe der "Schweizerischen Republikanischen Blätter" ist irrig. Tatsächlich erschien der angesprochene Artikel in: Schweizerische Republikanische Blätter, Nr. 45, 5.6.1920, S. 2 ("Zum Zollvertrag mit Liechtenstein").
[13] Schweizerische Republikanische Blätter, Nr. 46, 12.6.1920, S. 1 ("Der Zollanschluss von Liechtenstein").
[14] Neuenburg, ursprünglich eine Grafschaft, seit dem 17. Jahrhundert ein Fürstentum, unterhielt seit dem Mittelalter enge Beziehungen zur Eidgenossenschaft. Das Fürstentum, das seit 1707 dem preussischen Königshaus gehörte, trat 1814 als Kanton der Eidgenossenschaft bei. Der Wiener Kongress sanktionierte 1815 zwar den Beitritt, setzte jedoch gleichzeitig die Hohenzollern wieder als Landesherren ein. 1848 stürzten die Républicains die royalistische Regierung und errichteten eine Republik. Im Neuenburgerhandel von 1856 scheiterte der Versuch der Royalistes, der Anhänger des preussischen Königs, die alte Ordnung mit Gewalt wiederherzustellen. Nach Vermittlung der Grossmächte verzichtete Preussen schliesslich 1857 auf Neuenburg.
[15] Die "Oberrheinischen Nachrichten" wurden gedruckt durch die Sarganserländische Buchdruckerei AG in Mels (Kt. SG). Druck und Verlag der "Schweizerischen Republikanischen Blätter" befanden sich ebenfalls in Mels.
[16] Der Satz steht tatsächlich so in den "Schweizerischen Republikanischen Blättern". Vermutlich ist eine Zeile ausgefallen.
[17] Der liechtensteinischen Delegation gehörten nebst Prinz Eduard und Wilhelm Beck auch Emil Beck, liechtensteinischer Geschäftsträger in Bern, Landtagspräsident Friedrich Walser und Landrat-Stellvertreter Emil Batliner an.