Fürst Johann II. legt dem Landtag einen Gesetzentwurf zur Sistierung der hausgesetzlichen Bestimmungen von 1895 vor


Gedruckte Botschaft der Regierung an den Landtag, nicht gez. [1]

Vor dem 17.11.1902

II. Regierungsvorlage betreffend die zeitliche Ausserkraftsetzung des Gesetzes vom 14. März 1895

Der im Auftrage Seiner Durchlaucht des regierenden Fürsten [Johann II.] von der Regierung dem Landtage zur verfassungsmässigen Behandlung vorgelegte Gesetzentwurf hat folgenden Wortlaut:

Gesetz

womit ein Nachtrag zu dem Gesetze vom 14. März 1895 betreffend die hausgesetzlichen Bestimmungen über die Eheschliessungen der Fürsten und Prinzen des fürstl. Hauses [2] erlassen wird. 

"Wir Johann II. von Gottes Gnaden souverainer Fürst und Regierer des Hauses von und zu Liechtenstein etc. etc. etc. haben mit Rücksicht darauf, dass die Verhältnisse in dem Kaiserstaate Österreich eine gesetzliche Anerkennung der mit Gesetz vom 14. März 1895 für das Fürstentum Liechtenstein für verbindlich erklärten hausgesetzlichen Bestimmungen über die Eheschliessungen der Fürsten und Prinzen des fürstlichen Hauses derzeit nicht in sichere Aussicht nehmen lassen und zur Vermeidung jeder Gefahr einer Disparität zwischen der Succession in das Fürstentum Liechtenstein und jener in das in Österreich befindliche Primogenitur-Fideicommiss Nachstehendes verordnet: 

Das Gesetz vom 14. März 1895 betreffend die hausgesetzlichen Bestimmungen über die Eheschliessungen der Fürsten und Prinzen des fürstlichen Hauses wird hiemit bis zu dem Zeitpunkte ausser Kraft und Wirksamkeit für das Fürstentum Liechtenstein gesetzt, in welchem dasselbe im österreichischen Kaiserstaate beziehungsweise für die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder [3] des österreichischen Kaiserstaates gesetzliche Anerkennung und Geltung erlangt haben wird."

Die Gründe, welche diese Gesetzesvorlage notwendig machten, sind in der Gesetzeseinleitung selbstersichtlich gemacht. Wegen des in Österreich befindlichen Primogenitur-Fideicommisses des fürstlichen Hauses Liechtenstein haben die hausgesetzlichen Bestimmungen vom Jahre 1895 auch die gesetzliche Anerkennung von Seite Österreichs nötig. Diese ist jedoch bis jetzt nicht erfolgt und derzeit in Anbetracht der Verhältnisse in Österreich auch nicht in Aussicht. Zur Vermeidung allfälliger Schwierigkeiten empfiehlt sich daher die vorgeschlagene Sistierung des Gesetzes vom Jahre 1895 bis zu dem Zeitpunkte, in welchem es die gesetzliche Anerkennung Österreichs erlangt haben wird. [4]

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[1] LI LA LTA 1902/L01. Die Botschaft findet sich in der vom Landtagspräsidium erstellten Tagesordnung des Landtags für den 17. und 19.11.1902. Die Gesetzesvorlage wurde in der Landtagssitzung vom 17.11. genehmigt (LI LA LTA 1902/S04/2) und von Fürst Johann II. am 10.12.1902 in Meran gezeichnet (LGBl. 1902 Nr. 2).  
[2] Siehe LGBl. 1895 Nr. 1. Dabei handelte es sich um die wesentlichen Bestimmungen des Hausvertrages der fürstlichen Agnaten vom 11.9.1893. 
[3] Beim Begriff "für die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder" handelt es sich um die offizielle Bezeichnung für die österreichische Reichshälfte der habsburgischen Doppelmonarchie. 
[4] Die Anerkennung durch Österreich erfolgt nicht. Somit fand der Familienvertrag von 1893, der förmlich nie aufgehoben wurde, keine Anwendung. Mit dem Gesetz vom 8.2.1926 betreffend die Abänderung des Fürstlichen Familien-Vertrages vom 1.8.1842, LGBl. 1926 Nr. 3, wurden die eherechtlichen Bestimmungen ergänzt.