Schreiben von Albrecht Dieckhoff an die Regierung [1]
18.10.1933, o.O.
Zurückkommend auf das Problem "Rechtshilfevertrag" möchte ich den Abschluss eines solchen grundsätzlich empfehlen, falls damit ein Doppelbesteuerungsvertrag verbunden ist, so wie er seinerzeit zwischen der Schweiz und dem Deutschen Reiche geplant, aber nicht ratifiziert wurde. [2]
Bei dieser Gelegenheit: Nimmt eigentlich praktisch das Fürstentum am deutsch–schweizerischen Transfer-Abkommen teil? [3] Das dürfte für die beiden liechtensteinischen Banken und ihren Geschäftsgang von Bedeutung sein: Schweizerische – also auch liechtensteinische? – Besitzer von Scrips erhalten durch das neue Abkommen auch weiterhin ihre deutschen Anleihezinsen unverkürzt!
Grundsätzlich möchte ich nochmals betonen, dass eine gegenseitige Fühlungnahme beiden Ländern nur nützen kann. Die Einnahme aus der legalen Holdingpraxis werden auch in Zukunft durch einen Rechtshilfevertrag nicht beeinträchtigt werden. An der Schieberpraxis hingegen, soweit eine solche überhaupt noch in nennenswertem Umfange bestehen sollte, hat der fürstliche Fiskus sowieso kein grosses finanzielles Interesse und vor allem muss der Regierung daran liegen, die eigenen Landeskinder vor derartigen Versuchungen zu schützen und den Ruf des Fürstentums nach aussen reinzuhalten. Dunkle Elemente, die den deutschen Steuerfiskus betrügen wollen, werden es auch stets verstehen, dem fürstlichen Fiskus das Seine vorzuenthalten. Auch habe ich es mehrfach erlebt, dass Interessenten vor legalen Gründungen im Fürstentum zurückschreckten mit Rücksicht auf die anti–liechtensteinische Propaganda der letzten Jahre. Wenn nun nicht nur eine Besserung eintritt, sondern, im Gegenteil, Liechtenstein als anständiger gilt denn die Schweiz, Luxemburg und die Niederlande, so wäre damit für die legale Praxis sehr viel mehr gewonnen, als etwa zweifelhafte Gepflogenheiten – soweit sie überhaupt noch im Gange sind – dem fürstlichen Fiskus an Abgaben einbringen könnten, ganz abgesehen von der nicht zu unterschätzenden moralischen Schädigung der Landeskinder.
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[1] LI LA RF 136/394/002.
[2] Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Deutschen Reiche zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftssteuern vom 15. Juli 1931, ratifiziert am 29.1.1934 (AS 1934, Bd. 50, S. 106-132).
[3] Mit dem Reichsgesetz vom 9.6.1933 über die Zahlungsverbindlichkeiten gegenüber dem Ausland (RGBl., 1933, I, S. 349f.) erliess das NS-Regime ein Transfermoratorium. Devisentransfers für Zinsen aus mittel- und langfristigen Auslandsschulden wurden eingestellt. Deutsche Schuldner wurden verpflichtet, die fälligen Zinsen und Tilgungszahlungen in Reichsmark an die mit diesem Gesetz gegründete Konversionskasse für deutsche Auslandschulden zu zahlen, die dann die Ansprüche der ausländischen Gläubiger nach einem bestimmten Schlüssel befriedigte. Der Schweiz gelang es im Herbst 1933, eine befristete Vereinbarung auszuhandeln, die schweizerischen Gläubigern einen vollständigen Transfer der Kapitalerträge zugestand, während die übrigen Gläubiger lediglich 75% der Kapitalerträge transferieren konnten (DDS, Bd. 10, Nr. 335, 339).