Der Landtag debattiert im Rahmen der Beratungen über den Landesvoranschlag über die Kosten der Gesandtschaft in Bern


Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung, nicht gez. [1]

22.12.1932

2. Punkt. Beratung des Landesvoranschlages pro 1933

Präs. [Anton Frommelt]: nimmt die erste Lesung des Voranschlages vor.

[...]

[Emil] Batliner: Bei Position Gesandtschaft muss ich eine Feststellung machen. Die Geschäftsprüfungskommission hat zwar ihren Bericht noch nicht zur Gänze fertig, er dürfte aber bis zur nächsten Sitzung vorgelegt werden. Der Tätigkeitsbericht der Gesandtschaft hat jeder Abgeordnete zur Hand. Ich möchte einige Punkte herausgreifen, was besonders in die Augen springt. Sie schildert, dass wir gute Beziehungen zur Schweiz haben müssen. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Doch nicht die Gesandtschaft macht diese, sondern die Allgemeinheit durch den Gesamteindruck und durch die Regierung. Ferner erwähnt er, dass der Rückgang der schweizerischen Zolleinnahmen auch Rückwirkungen auf unseren Zollanteil haben könnten und dass man sich dagegen wehren sollte. Das gehört nach meiner Auffassung gar nicht in den Bericht. Wir haben keinen Grund, uns zu wehren. Ferner erwähnt der Bericht die neue Alkoholgesetzgebung. Unser Betreffnis lässt sich heute noch nicht bestimmen, es müssen zuerst die Auswirkungen etz. abgewartet werden. - Die Schaffung eines eigenen Eichamtes nimmt auch einen grossen Raum des Berichtes ein. Das ist doch gar nicht so wichtig. Auch steht viel im Berichte bezgl. Arbeiterniederlassungen. Da muss festgestellt werden, dass diese heute systematisch zurückgehen. Daran kann niemand mehr etwas machen. Das sind Folgen der bösen Zeitepoche. Es lässt sich hier fast wie nichts erreichen. Das sind so ein paar Punkte.

Gestern haben wir in der Konferenzsitzung Gelegenheit gehabt, zu hören, dass man aus Sparsamkeitsrücksichten alle grösseren Subventionen einstellen muss. Gestern haben wir nicht aufgebaut, sondern erheblich abgebaut.

Wenn man einem Lehrling, der seine Lehre gemacht hat, nicht mehr zubilligt, so ist das Abbau. Ich wünsche aus Sparsamkeitsrücksichten, dass dieser Posten von Fr. 20'000 aus dem Budget verschwindet. Mit diesem Betrag können wir vieles machen. Wir sind nur ein kleines Land und eine Gesandtschaft ist ein direkter Luxus. Bei der heutigen Zeit finde ich diese Ausgabe nicht mehr gerechtfertigt. Ich weiss, dass es schwer ist, heute zu sagen, weg mit der Gesandtschaft. Aber der Landtag soll beschliessen, die Regierung zu beauftragen, die Sache zu prüfen und bei den schweizerischen Behörden dahin Fühlung nehmen, ob es nicht als einen Akt der Unfreundlichkeit empfunden wird. Damals wurde die Gesandtschaft wegen Abschluss des Zollvertrages geschaffen. Heute aber ist diese Stelle nicht mehr eine unbedingte Notwendigkeit und die Auslagen dafür stehen in keinem Verhältnis zum Erfolge, der erzielt wird. Ich möchte die Herren Abgeordneten ersuchen, meinem Antrage zuzustimmen, dass die Regierung beauftragt wird, die Frage der Auflassung der Gesandtschaft aus Sparsamkeitsgründen zu prüfen und mit den schweizerischen Behörden in Fühlung zu treten, ob es nicht als eine Unfreundlichkeit angesehen würde, wenn sie aufgegeben würde.

[Basil] Vogt: Betr. Besoldung kann ich nicht urteilen. Betr. Abbau, das weiss ich nicht. Es beläuft sich doch die Geschäftszahl auf 1500 und vielleicht kann hier die Regierung urteilen, was geleistet worden ist. Für den Abbau bin ich nicht. Ich könnte hier einen Fall erzählen. Wir hatten einen Schriftenlosen, die Regierung hat auf alle Seiten geschrieben und es hat nichts genützt. Wir haben uns dann an die Gesandtschaft gewandt und als diese es in die Hände nahm, haben wir schnell gewusst, wohin er gehört hat. [2] Wohin kommen dann die vom Fürsten bezahlten Fr. 20'000?

Reg.Chef [Josef Hoop]: Das ist für die allgemeine Verwaltung bestimmt.

Vogt: Ich habe die Auffassung, das sei dieser Posten für die Gesandtschaft. Früher hat es geheissen, die Gesandtschaft bezahle der Fürst.

Reg.Chef: Das Land bezahlt die Kosten der Gesandtschaft. Im übrigen muss ich dem Herren Abg. Vogt kategorisch widersprechen, wenn er behauptet, dass es nichts genützt habe, solange die Regierung den Fall Baier in Händen gehabt habe. Das ist direkt lächerlich. Wenn Abg. Vogt den Geschäftsgang nur einigermassen kennen würde, dann könnte er sowas nicht behaupten. Wir haben mit der französischen Regierung über das politische Departement verkehrt und mussten hiezu die Gesandtschaft in Anspruch nehmen. Wenn sie eben da ist, nimmt man sie auch in Anspruch, wie auch bei anderen Sachen. Wenn die Gesandtschaft nicht mehr ist, so wird man es direkt machen. Es kommt auf das gleiche heraus. Entweder wir[d] der Gesandte abgewiesen oder ihm zugestimmt und so dürfte es auch sein, wenn die Gesandtschaft nicht mehr bestehen sollte. Die Schweiz bewilligt nicht der Gesandtschaft, sondern dem Lande. Das ist eine Verkennung der tatsächlichen Verhältnisse. Dabei will ich nicht sagen, dass die Tätigkeit der Gesandtschaft in sehr vielen Fällen Erfolge zu verzeichnen hat. Wenn einer zu diesem Zwecke da ist und sich der Sache widmen kann, so sind die Aussichten manchmal grösser, als wenn man einen Brief schreibt.

Vogt: Betr. dem Fall Baier bin ich gut unterrichtet. Zuerst hat man mit dem Arbeitersekretariat in Wetzikon verkehrt. Aber es war nichts zu erreichen. Was den Fall Abbau der Gesandtschaft anbetrifft, glaube ich, dass die Arbeiterschaft nicht sehr begeistert ist für den Abbau, denn er hat vielen Arbeitern geholfen.

Reg.Chef: Im Falle Baier lasse ich die Akten kommen und sprechen. Die Regierung hat sich im Interesse der Gemeinde Balzers bemüht, dass der Fremde hinausgeschafft werden kann. Er wird nun in den nächsten Tagen von Frankreich übernommen und riskiert vielleicht etwas, was wir uns nicht vorstellen können. Die Gemeinde Balzers will es so haben, dass er den Franzosen ausgeliefert wird. Bei internationalen Gepflogenheiten wird sonst üblicherweise Asylrecht gewährt und so ist das nicht üblich.

Vogt: Die Gemeinde Balzers will ihn nicht haben. Jene Gemeinde soll ihn haben, die es vernachlässigt hat, die Schriften in Ordnung zu bringen.

[Adolf] Frommelt: Jedenfalls war hier Triesen vermeint. Wir haben ihm durch die Regierung das Dorf verwiesen. Wir haben ihn nicht nach Balzers geschickt. Er ist selbst dorthin gegangen. Eines schönen Tages hat man uns den Baier wieder herübergeliefert und wir haben ihn wieder zurückgeschickt.

Vogt: Ich kenne mich aus in der Sache und lasse mich nicht am Seil herunter.

Präs.: Ich glaube, dass ist keine Landtagsangelegenheit, sondern eine rein private Sache unter den beiden Gemeinden.

Risch F. [Ferdi]: Was die Gesandtschaft anbelangt, so ist die geleistete Arbeit eine kleine Sache. Letztes Jahr wurde von einer Kommission eine wichtige Angelegenheit in Bern erledigt, die immer und immer wieder von der Gesandtschaft verlangt worden ist. Die Sache wurde in einer Sitzung zur Zufriedenheit erledigt. Ich war auch einer von jenen, die den Tätigkeitsbericht der Gesandtschaft verlangt haben und heute bin ich erst recht überzeugt, dass die Auslagen in keinem Verhältnis zur geleisteten Arbeit stehen. Ich möchte die Gesandtschaft abgebaut wissen. Wie die Regierungen unserer bedeutend grösseren nachbarlichen Kantone auch direkt mit Bern verkehren, so können wir das auch im Wege der Regierung machen. Wenn der Präsident und der Reg.Chef diesen kleinen Weg nach Bern machen, so wird sich das bestimmt lohnen, umso mehr, als letztes Jahr innert kürzester Zeit das erreicht und ermöglicht wurde, was die Gesandtschaft in einer langen Zeit nicht fertig gebracht hat.

[Philipp] Elkuch: Es ist einmal in einer Versammlung die Forderung gestellt worden, die Gesandtschaft abzubauen. Wenn ich mich recht erinnere, ist damals betont worden, der Fürst lege besonderes Gewicht auf das Bestehen dieser Stelle. Dafür habe auch der Fürst die Fr. 20'000 gewidmet.

Präs.: Ich bin persönlich der festen Überzeugung und weiss dies auch aus massgebender Quelle, dass der Fürst auf die Haltung der Gesandtschaft kein Gewicht legt. Die Fr. 20'000 werden vom Fürsten ohne eine bestimmte Zweckbestimmung an die Kosten der Landesverwaltung gegeben. Das ist eine selbstverständliche Beitragsleistung an die Verwaltungsauslagen, ob wir die Gesandtschaft haben oder nicht.

Reg.Chef: Ich kann die Auffassung meines Vorredners nur bestätigen. Der beste Beweis ist, dass dieser Beitrag auch weiter bezahlt wird.

Batliner: Wenn ich dem Herrn Reg.Chef einen Tadel aussprechen könnte, so wäre es der, dass er zu wenig nach Bern geht. Wenn die Gesandtschaft einmal abgebaut ist und der Reg.Chef ein paarmal im Jahre nach Bern fährt, so weiss er nicht nur die guten Beziehungen zur Schweiz festzuhalten, sondern sie noch zu stärken. Wenn er an den höchsten Stellen anklopft, wird ihm überall Tür und Tor aufgemacht werden.

Präs.: Die Haltung der Gesandtschaft wurde vielhaft zur Dokumentierung der Autonomie beibehalten. Es war auch ein gewisses Renomé nach aussen. Diesen Grössenwahn sollen wir nicht haben. Andererseits betone ich schon, dass in mancher Angelegenheit eben vieles vorweg durch die Haltung der Gesandtschaft weiter getrieben werden kann. Wenn die Regierung direkt mit Bern verkehrt, so muss man wohl auch zugeben, dass für sie das Bild viel klarer vorliegt. Die Regierung ist dann direkt mit der Sache vertraut und in die Sache besser eingeweiht. Dass Schwierigkeiten in Bern bestünden, glaube ich nicht, wird sich auch niemand einbilden. Die Regierung in Bern wird die Sache als solche ansehen und nicht die Person, die vorspricht. Ich bin auch der Auffassung, dass die Sache vor einem Jahre nicht so gut gegangen wäre, wenn nicht vorgearbeitet worden wäre. Der direkte Verkehr mit Bern gestaltet sich in manchen Punkten wohl auch rascher. Diesem Vorteile gegenüber steht der Nachteil, dass die Regierung ohnhin schon Arbeit genug hat.

Batliner: Ich betrachte die Gesandtschaft nur als eine Repräsentationsperson, die sich wohl ein grosser Staat leisten kann. Wenn wichtigere Sachen zur Verhandlung stehen, so senden auch andere Staaten extra Bevollmächtigte oder die Regierung, oder die Minister, so zu Verhandlungen nach Bern, Genf etz. Das Ähnliche ist bei uns der Fall. Ich glaube, wenn die Regierung vorstellig wird, erreichen wir viel mehr als die Gesandtschaft mit ihrem repräsentativen Charakter.

Präs.: Es gibt gewiss Fragen, wo der Staat seine Autonomie vertreten und wahren muss. Ich bin aber auch der Ansicht, dass dies ohne Gesandtschaft gewahrt werden kann. Wenn man sie weiter beibehalten will, so muss das wegen der Arbeit geschehen. Es frägt sich, ob diese Mehrarbeiten von der Regierung übernommen werden kann. Vielleicht kann der Herr Reg.Chef Aufschluss geben über die Arbeit, die zu leisten ist.

Reg.Chef: Für uns kommt es im Grossen und Ganzen auf das Gleiche heraus, ob wir einen Brief an die Gesandtschaft oder an die betreffende schweizerische Stelle schreiben. Wir schreiben der Gesandtschaft den Sachverhalt und er gibt ihn weiter. In vielen Fällen lässt sich die Sache am Telephon erledigen. Einzig die mündlichen Verhandlungen würden einen gewissen Zeitverlust bedeuten. Vielleicht müsste allmonatlich einmal mündlich verhandelt werden. Die Kosten hiefür würden nicht auf diese Höhe zu stehen kommen. Ich persönlich würde folgendem Gedanken sympathisch gegenüberstehen. Wenn es möglich wäre, einen juristischen Beamten in die Regierung hineinzubringen, der weit weniger kosten würde samt den Reisekosten nach Bern. Tatsächlich ist die Arbeit in der Landesverwaltung sehr gross. Es ist vielhaft nur eine reine Hasterei. Wegen jedem Gesuche laufen die Leute zu mir. Wenn auf diese Weise ein Ersatz geschaffen werden könnte, so wäre der Sache sehr gedient und es käme nicht auf die Hälfte des Betrages. Dabei könnte auch in anderen Sachen gespart werden, so bei der Einholung von Gutachten etz.

[Franz Xaver] Hoop: Mir macht es den Eindruck, dass viel Sachen nur verzögert werden. Wenn einer eben nicht viel zu tun hat, so muss der die Sache hinausziehen und es einteilen, dass er das ganze Jahr Arbeit hat. Bei dem heutigen Abbausistem sollte man schauen, die Sache mit einem kleineren Aufwand zu machen.

Risch F.: Es ist uns bekannt aus der Konferenzsitzung, dass viele vorliegende Subventionsgesuche mangels Mittel abgewiesen bezw. zurückgestellt werden mussten. Nachdem ein grosser Teil der Bevölkerung der Auffassung huldigt, dass diese Kosten überflüssig sind, müssen wir doch erwägen, ob man nicht an den Abbau der Gesandtschaft denken sollte.

Präs.: schreitet zur Abstimmung über den Antrag des Abg. Batliner.

Der Antrag wird von allen Abgeordneten mit Ausnahme des Abg. Vogt angenommen und die Regierung beauftragt, die nötigen Schritte einzuleiten.

[...] [3]

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[1] LI LA LTP 1932/190.
[2] Zur Frage der französischen Staatsangehörigkeit (Bürgerregister der Stadt Mühlhausen) des 1900 geborenen Josef (Joseph) Baier alias Karl Müller siehe LI LA RF 117/086. Baier desertierte 1923 aus der französischen Armee und war danach schriftenlos. Zur Heimschaffung der Familie Baier aus Liechtenstein nach Frankreich siehe LI LA V 002/0141.  
[3] Der Landtag fuhr in der Behandlung des Landesvoranschlages für 1933 fort.