Bericht des Turninspektors über den Turnunterricht an den liechtensteinischen Schulen im Jahr 1923


Gedruckter Rechenschaftsbericht der Regierung an den Landtag [1]

1923

In 16 Klassen erhielten 466 Knaben Turnunterricht. Davon entfallen auf Balzers Oberklasse 47, Mittelklasse 18, Triesen Oberklasse 45, Mittelklasse 19, Triesenberg Oberklasse 49, Mittelklasse 23, Vaduz Oberklasse 37, Schaan 53, Planken 8, Nendeln 12, Schaanwald 13, Mauren 49, Eschen 38, Gamprin 11, Ruggell 32 und Schellenberg 12 Schüler.

Der Turnstoff wurde entnommen aus „Anweisung zur Erteilung des Turnunterrichtes in der Volksschule nach Prof. Dr. O. H. Jäger“. Die vorgeschriebenen Übungen wurden nach dem amtlich eingeführten Turnplan durchgearbeitet. Nach Angabe der Turnlehrer wurden von den darin enthaltenen Übungen durchgenommen: in Balzers Oberklasse 15, Mittelklasse 10, Triesen Oberklasse 10, Mittelklasse 10, Triesenberg Oberklasse 12, Mittelklasse 6, Vaduz 16, Schaan 15, Planken 12, Nendeln 12, Schaanwald 12, Mauren 16, Eschen 20, Gamprin 12, Ruggell 9 und Schellenberg 2.

Leider gibt es noch Lehrer, die das Turnen nur als Nebenfach betrachten und die vorgeschriebene wöchentliche Unterrichtsstunde nicht einhalten, bezw. ausgefallene Turnstunden nicht einholen. Solche Lehrer erreichen dann allerdings das Lehrziel im Turnen nicht.

Da fast in allen Schulen im Freien geturnt werden muss (nur Planken, Nendeln und Schellenberg besitzen Turnlokale), so ist der Erfolg des Turnens im Winter durch die Witterung stark beeinflusst. Der verflossene Winter war zum Turnen im Freien recht ungünstig, und es sind infolgedessen viele Turnstunden ausgefallen. Diese ausgefallenen Unterrichtsstunden im Turnen müssen, wenn es irgendwie möglich ist, wieder eingebracht werden. Deshalb sollen im Sommer recht viele Turnstunden eingeschaltet werden. Es haben die Schüler auch grosse Freude am Turnen, diese Beobachtung kann man allenthalben machen. Der Lehrer muss es nur verstehen, die Schüler zu leiten und er selbst muss Lust und Liebe am Turnen zeigen; dann wird der Erfolg auch in diesem Fach nicht ausbleiben.

Im besonderen sind folgende Bemerkungen zu beachten:

Die Disziplin liess auch heuer wieder in einigen Turnklassen zu wünschen übrig. Reden, Lachen und fortwährende Unruhe in der Reihe sind durchaus nicht zu dulden.

Ebenso muss wieder erwähnt werden, dass den Ordnungsübungen in einzelnen Schulen unbedingt mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden soll. Man kann die Beobachtung machen, dass dort, wo obige Übungen genau und stramm ausgeführt werden, auch die anderen Turnübungen gut gehen. Der erste Eindruck, den man von einer Turnklasse bekommt, ist in der Regel ausschlaggebend. Beim Richten und Zählen nehmen die Schüler „Augen rechts“. Dass die Schüler beim Antreten der Grösse nach aufgestellt werden sollen, muss immer wieder erwähnt werden.

Die Wendungen sind zuerst in zwei und nach tüchtiger Übung in nur einer Zeit, und zwar immer „kniegestreckt“ auszuführen.

Die Gelenkübungen ohne und mit Stab sind immer das beste, was gemacht wird. Auf Gleichzeitigkeit in den Bewegungen ist stets zu achten.

An einzelnen Schulen wurde tatsächlich stramm marschiert. Auf aufrechte, ungezwungene Körperhaltung ist stets hinzuweisen. Blick dem Vordermann ins Genick, und nicht auf den Boden! Den Marschübungen sollte recht viel Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Der Turnunterricht ist Anschauungsunterricht; der Lehrer muss daher die Übungen musterhaft vormachen.

Ankündigungs- und Ausführungsbefehle sollen nicht in Hast aufeinander folgen.

Jeder Befehl sei kurz, markiert, laut und schneidig. Dort, wo die Befehle schneidig gegeben werden, werden die Übungen in der Regel auch stramm gemacht. Die Befehle müssen der Einheit wegen wörtlich nach „Jäger“ gegeben werden; da fehlt es bei einigen Turnlehrern.

Turnspiele sollen noch fleissiger geübt werden. Zu empfehlen ist, einige wenige Spiele bis zur vollständigen Geläufigkeit zu üben, da sonst die Kinder keine Freude an den Turnspielen gewinnen. Es ist ein Vorteil für unsere Jugend, wenn sie die Turnspiele lieben lernt, so dass sie auch in freier Zeit sich zu heiterm Spiele sammelt.

Die Pflege des Marschliedes ist sehr zu empfehlen.

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[1] Rechenschaftsbericht der Regierung an den Landtag 1923, S. 78 f. - Der Balzner Oberlehrer Georg Kindle wurde 1922 Turninspektor, so dass dieser Bericht wohl von ihm verfasst wurde.