Der Obmann der Gewerbegenossenschaft Stephan Wachter ärgert sich über das fehlende Interesse der Gewerbetreibenden an der Gewerbegenossenschaft


Leserbrief von Stefan Wachter als Obmann der Gewerbegenossenschaft

6.8.1915

Gewerbegenossenschaft.

In Nr. 32 der „Oberrheinischen Nachr." regt sich ein Handwerker, der jedoch der Redaktion sehr nahe stehen dürfte, da ihm doch mit einem Eingesandt der Ehrenplatz im Blatte gewährt wurde, darüber auf, dass der Gewerbe- Genossenschaftsvorstand seinen Verpflichtungen nicht nachkomme.

Es ist mir heute weniger darum zu tun, diese Ausführungen zu beantworten, als vor der Öffentlichkeit mein Vorgehen zu erklären. Laut Bericht der fürstlichen Regierung an die Gewerbe Genossenschafts-Vorstehung vom 1. Mai 1912 (Zahl 1180) haben die Genossenschaftsfunktionäre ihre Tätigkeit am 1. Juni 1912 aufzunehmen gehabt und diese Tätigkeit wie statutarisch festgelegt auszuüben. Somit wäre also die 3jährige Amtszeit am 1. Juni 1915 vorüber gewesen. Inzwischen ist nun die Änderung der Gewerbe-Ordnung beschlossen worden und sind auch bereits in dieser Sache einige Kommissionssitzungen abgehalten worden. Da nun die Neuregelung der Gewerbeordnung selbstverständlich eine ganz andere Gestaltung der Gewerbe-Genossenschaft mit sich bringen muss, wenn man diese Gewerbe- Genossenschaft nicht ganz fallen lasse« will, so hat sich der Gewerbe-Genossenschafts-Vorstand vorgenommen an Hand der gemachten Erfahrungen der genannten Kommisston Vorschläge zu machen und dann die Beschlüsse einer Generalversammlung mitzuteilen. Die Generalversammlung hat dann diese Beschlüsse durchzuberaten und event. Anträge an den nächsten Landtag zu stellen. Da sich nun diese Kommissionsberatungen weiter in die Länge ziehen, ist auch bis heute diese vorgesehene Versammlung unterblieben.

Was General-Versammlungen anbelangt, so sind solche in der ersten Zeit des Bestehens der Gewerbe-Genossenschaft zur Genüge abgehalten worden vor leeren Tischen, Interesse war von Anfang an nicht viel an der Genossenschaft und Verständnis dafür noch weniger, sonst hätte man nicht seiner Zeit den einzigen Gegner der Kollektivgenossenschaft zum Vorstand gemacht. Erfreuliche Arbeit hat nur die Sektion der Sticker geleistet. Das Interesse, das die andern Sektionen gezeigt, ist am besten daraus zu erkennen, dass z. B . am 30. März 1913 in Vaduz eine Generalversammlung der Sektion VI (Handel und Gastgewerbe) abgehalten wurde. Mitglieder 150, Teilnehmer 32. Ferner die gleiche Sektion am 27. Dez. 1914 eine Generalversammlung mit wichtiger Tagesordnung, (wurde auch in den „Oberrheinischen" bekannt gemacht) Teilnehmerzahl 17. Von Vaduz keine. Dann war am 15. April 1915 eine Sektionsversammlung III (Baugewerbe) richtig einberufen. Teilnehmerzahl 10 von 45 Mitgliedern. Jedoch hat der Sektionsobmann es nicht für nötig befunden zu erscheinen und auch nicht sich zu entschuldigen. Eine Generalversammlung vom 3. Nov. 1912 betreff Genossenschaftskrankenkasse sei noch kurz erwähnt, an der zirka 60 Mitglieder von im ganzen 485 teilgenommen. Der Aufforderung an die Sektionsobmänner im Jänner 1913, ihre Sektionsversammlung abzuhalten sind auf Drängen der Gewerbe-Vorstehung nur 3 Sektionen nachgekommen. Die andern wussten nichts zu verhandeln.

Ich will heute anderes nicht erwähnen, doch dürften die angegebenen Daten ein Bild vom Interesse der Allgemeinheit unter den Gewerbetreibenden geben und darf es da dem Obmann kaum verargt werden, wenn er selbst der Sache den eigenen Lauf lässt. Denn schliesslich ist die Genossenschaft doch für Alle, nicht nur für den Obmann. Nun will ich noch erwähnen, wie die Kommission zur Gesetzesberatung ernannt wurde.

Am 14. April ist bei der Gewerbe-Vorstehung die Aufforderung von der fürstlichen Regierung eingelaufen, die Gewerbe-Genossenschaft möge zu den Kommissionssitzungen betreff Änderung der Gewerbe-Ordnung eine Kommission entsenden und zwar das erstemal auf 22. April. Indem nun in diesem Zeitraum eine Generalversammlung nicht mehr hat ordnungsgemäss einberufen werden können, so wurden der Gewerbe-Ausschuss und die Sektionsobmänner zu einer Zusammenkunft einberufen auf 20. April und dort eine 3er Kommission ernannt, welche die Interessen der Gewerbetreibenden zu vertreten hätten und wurde derselben auch genaue Weisung erteilt. Im übrigen verweise ich auf einen demnächst in der Zeitung erscheinenden Rechenschaftsbericht über die bisherige Tätigkeit der Gewerbe-Genossenschaft, dem dann auch die ersehnte Generalversammlung folgen wird, wo dann Gelegenheit geboten ist, dem alten Vorstand den Laufpass zu geben. Doch es wird dies nicht nötig sein, denn es hat so jeder schon genug.

St . Wächter.

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