Das Zoll-Oberamt in Feldkirch wirft den liechtensteinischen Radfahrervereinen Missbräuche im Grenzverkehr mit Vorarlberg vor und droht, ihnen die Vergünstigungen im Grenzverkehr zu entziehen, falls die österreichischen Radfahrervereine von Liechtenstein nicht zuvorkommender behandelt würden


Maschinenschriftliches Schreiben des Zoll-Oberamts Feldkirch an die Liechtensteinische Regierung, gez. Hofrat Seidler[1]

29.1.1923

Liechtensteinische Radfahrervereine, Missstände im Grenzverkehre

Das gefertigte Zolloberamt beehrt sich der fürstl. Liechtensteinischen Regierung folgende Mitteilung zu machen:

In Liechtenstein bestehen dermalen 9 Radfahrervereine, welchen die Begünstigung des zoll- und werterlagsfreien Verkehres für ihre Mitglieder nach Österreich eingeräumt wurde.

Es sind dies:

  1. 1.      Radfahrerclub „Edelweiss“ in Vaduz,
  2. 2.      Radfahrerclub „Allheil“ in Ruggell
  3. 3.      Radfahrerclub „Alpenrose“ in Schellenberg,
  4. 4.      Radfahrerbund in Schaan,
  5. 5.      Radfahrerclub „Gemütlichkeit“ in Nendeln,
  6. 6.      Radfahrerclub in Gamprin,
  7. 7.      Radfahrerbund in Eschen,
  8. 8.      Radfahrerbund in Mauren und
  9. 9.      Radfahrerclub „Liechtensteiner Schwalben“ in Bendern.

Die Erfahrungen, die jedoch bisher mit diesen Vereinen gemacht wurden, sind sehr ungünstige und es müssen diese Organisationen als unzuverlässig bezeichnet werden.

So waren z.B. mit Ende 1922 nicht weniger als 134 Mitglieder obiger Vereine mit der ordnungsmässigen Erledigung ihrer Vormerkscheine im Rückstande.

Die Gebahrung mit den Mitgliedskarten lässt sehr viel zu wünschen übrig. Wiederholt ereigneten sich die Fälle, dass Mitgliedskarten willkürlich abgeändert, mit Radierungen, Streichungen, voll Undeutlichkeiten und Schmierereien, mit Namen unberechtigter Aussteller und Inhaber den Zollämtern zur Beamtshandlung vorgelegt wurden. Auch gestatten die Vereine, dass Angehörige und Bekannte der Mitglieder die Karten zum Verkehre verwenden, was zu Doppelausstellungen und Verlusten amtlicher Vormerkscheine führte und eine ordnungsgemässe Kontrolle ungemein erschwert. Es ist übrigens ein unhaltbarer Zustand, dass auf einem so kleinen Grenzsabschnitte 9 Vereine mit so mangelhafter Organisation einen begünstigten Verkehr geniessen, der den österreichischen Grenzzollämtern eine Menge zollamtlicher Mehrarbeit und Kosten verursacht.

Sollte daher in die Gebahrung dieser Vereine nicht Ordnung gebracht oder durch Zusammenfassung zu einem einzigen, straff organisierten Landesverbande eine geregelte Abwicklung und dadurch eine Vereinfachung dieses Verkehres erzielt werden, so würde sich das gefertigte Zolloberamt zu seinem Bedauern genötigt sehen, den Vereinen diese Begünstigungen zu entziehen.

Weil diese Massnahmen sicherlich Veranlassung zu Vorstellungen und Beschwerden böte, so sieht sich das gefertigte Zolloberamt veranlasst, schon heute von dieser Möglichkeit die Fürstliche Regierung in Kenntnis zu setzen und zu ersuchen, Ihrerseits auf diese Vereine im vorerwähnten Sinne einzuwirken, dass die Verwirklichung dieser Massnahmen unterbleiben kann.

Nach den dem Zolloberamte seitens des Radfahrerverbandes für Tirol und Vorarlberg sowie des Kreises „Oberland“ der Arbeiter-Radfahrer-Vereine Vorarlbergs zugekommenen Beschwerden, soll die Begünstigung des zollerlagsfreien Fahrradverkehres, wie sie den zahlreichen Liechtensteinischen Radfahrervereinen von der österr. Zollverwaltung in entgegenkommenster Weise eingeräumt wurde, trotz wiederholter Bemühungen von der fürstl. Liechtensteinischen Regierung bis heute nicht gewährt worden sein, so dass sich die hierländigen Radfahrverbände über die Vorenthaltung dieses Gegenseitigkeitsrechtes benachteiligt erachten und gegen eine einseitige Begünstigung Einsprache erhoben haben.

Wir ersuchen die Fürstlich-Liechtensteinische Regierung zum Gegenstande um gefällige eheste Rückäusserung. [2]

______________

[1] LI LA SF 27/1923/452 ad 8. Registraturvermerke:  Stempel „Zoll-Ober-Amt Feldkirch (mit Wappen), dazu: „Zahl 1175“. Von Seiten der liechtensteinischen Regierung: “Die 9 Radfahrervereine für Samstag 24.3.1923 vorm. 9 Uhr zu einer Besprechung eingeladen“, gez. Gustav Schädler.
[2] In ihrer Antwort vom 9.2.1923 wieder die Regierung den Vorwurf der ungleichen Behandlung zurück. Ferner teilte sie dem Ober-Zollamt mit, dass die Radfahrervereine zu einer Besprechung des Problems eingeladen würden.