Gutachten Dr. Balthasar Helfenstein und Hans Eggenberger betr. Gründung einer Landes-Brandversicherungsanstalt in Liechtenstein


Von der Regierung gedrucktes Gutachten mit Gesetzesentwurf, verfasst von Dr. Balthasar Helfenstein und Hans Eggenberger[1]

Luzern, St. Gallen, 15.8.1924

Gutachten zur Frage der Gründung einer Landes-Brandversicherungsanstalt für das Fürstentum Liechtenstein.

In Verfolgung ihres wirtschaftspolitischen Programms hat sich die fürstlich liechtensteinische Regierung, kraft des Art. 26 der Landesverfassung, die Aufgabe gestellt, auch die Verhält­nisse der Feuerversicherung ihres Landes einer gründlichen Reorganisation zu unterziehen. Es ist fürs Erste beabsichtigt, die Gebäudeversicherung aus ihrem bisherigen Verhältnis mit den privaten Versicherungsgesellschaften von durchwegs auswärtiger Provenienz loszulösen und sie einem neuen Träger, einer noch zu gründenden, einheimischen „Landes-Brand­versicherungsanstalt" zuzuführen, unter gleichzeitiger Ersetzung des bisherigen Erwerbs­prinzips durch ein solches der Gemeinnützigkeit und Gegenseitigkeit dieser Versicherung.

Zwecks Überprüfung der dafür vorliegenden versicherungstechnischen Verhältnisse sind die unterfertigten Experten mit der Erstellung eines Gutachtens betraut worden, sowie mit der Bereitstellung eines Vorentwurfes für ein Organisationsstatut. In dreimaligen seitherigen Augenscheinnahmen, sowie in wiederholten direkten Aussprachen mit Vertretern der hohen Landesregierung und des Landtages samt dem anschliessenden Korrespondenzenwechsel wurden die einschlägigen Fragen vorerst einer generellen Vorbesprechung unterzogen. In verdankenswerter Weise hat zudem die hohe Auftraggeberin diese Untersuchungen durch eine Doppelenquete, einerseits über die heutigen Versicherungsbestände und Versiche­rungskosten, anderseits über die letzte zwanzigjährige Brandschadensentwicklung, wirksam unterstützt.

Gestützt auf das Ergebnis dieser Vorarbeiten, sowie das bisherige Studium der Aktenlage sind die Experten nunmehr heute in der Lage, der hohen Landesregierung von Liechtenstein über die angezogene Frage nachfolgende gutachtliche Ausführungen zugehen zu lassen:

I. Die bisherigen Verhältnisse.

Das Fürstentum Liechtenstein stellt für den Versicherungstechniker, abgesehen von wenigen Industrierisiken, ein Versicherungsgebiet von äusserst gleichmässiger Struktur dar. Es domi­niert zur Hauptsache das mehr oder weniger geschlossene Ortschaftsrisiko, mit seiner Gemengelage von Gebäuden, der gegenüber nur der Bereich der Gemeinde Triesenberg, zum Teil auch Gamprin und die in Betracht kommenden Alpgebiete (Malbun und ähnliche) eine offenere Bauweise erzeigen. Die Besichtigung der einzelnen Bauten ergab weiter, dass die harte Bedachungsweise (Ziegel, Surrogate) mit wenigen Ausnahmen durchgehende anzu­treffen ist; hinsichtlich der Versicherungswerte dürften in dieser Form über 90 % gegen Feuerübertragung gesichert sein. Weniger einheitlich ist das Bild bezüglich der Bauweise (Umfassungswände). Fast genau mit der geographischen Scheidung des Landes in Ober- und Unterland zusammenfallend, zeigt sich auch — eine für den Einheimischen sattsam bekannte Tatsache! — ein deutliches Überwiegen der massiveren Bauweise (Stein, Mauer­werk und ähnliche) im obern Landesteil (Landschaften Vaduz und Gutenberg), während der nördliche, untere Landesteil (Landschaft Schellenberg) vorwiegend, nicht ausschliesslich, weichere Bauarten (Holz, Fachwerk und ähnliche) aufzeigt. Eine ähnliche Scheidung trifft zu auch hinsichtlich der Verhältnisse im Feuerschutzwesen. Sämtliche Ortschaften des Ober­landes, das unbedeutende Planken und das Streudorf Triesenberg ausgenommen, weisen, bis hart an die Grenzen des Schellenbergs, heute durchwegs gutausgebaute und -unterhal­tene Wasserversorgungs- und Hydrantenanlagen auf, denen sich, kraft des Feuerpolizei­gesetzes von 1865, bei Zeiten eine passende Feuerwehrorganisation anschloss. Anders im Gebiete des Unterlandes, mit seinem fühlbaren Mangel an nähergreifbaren, ausgiebigen Hoch- und Überlaufquellen — der gesamte Schellenberg ist, wasserbautechnisch gespro­chen, trocken — und dem bis heute noch in keiner Weise beanspruchten, in allernächster Nähe vorbeistossenden Grundwasserstrom des offenen Rheintales. Ein halbwegs ausrei­chender Feuerschutz fehlt hier fast durchwegs, auch für die ausgesprochenen Ortschafts- und Klumpenrisiken der beiden Dörfer Mauren und Ruggell. Ein weiteres entlastendes Moment indes ist festzustellen in der in den letzten Jahren erfolgten Einführung der elektri­schen Beleuchtung, die heute, bei den dafür bestehenden günstigen Verhältnissen, nunmehr fast in das letzte Gebäude Eingang gefunden und dort vor allem die bisherige Petrol­beleuchtung verdrängt hat, einige wenige Höhenlagen ausgenommen. Die Verhältnisse hin­sichtlich Befeuerung und Beheizung selbst sind die gewohnten und geben dem Experten zu keinen besondern Bemerkungen Anlass. In der Benützungsweise der einzelnen Bauten überwiegen deutlich die landwirtschaftlichen Betriebe, weniger indes der Grösse der darin investierten Versicherungswerte nach. Das Fürstentum Liechtenstein ist ein vorwiegend agrikoles Land, dessen Gebiet nur sporadisch von wenigen Industrie-Risiken (Mühleholz, Triesen), von öffentlichen Bauten (Kirchen, Verwaltungsgebäude, Schlösser, Brücken usw.), sowie von einigen gewerblichen Kleinbetrieben, zumeist solchen der Holzbearbeitung, durchsetzt ist. Hinsichtlich der zwei industriellen Grossrisiken, eine Baumwollspinnerei und eine -Weberei, sei hier beigefügt, dass das eine (Ebenholz) deutliche Shed- und Pavillon­bauweise, unterstützt zudem durch eine moderne Sprinkleranlage, aufweist, während das­jenige von Triesen eine eigene Feuerlöscheinrichtung (Hydrantenanlage) besitzt.

Der Versicherungstechniker beurteilt die natürlichen Verhältnisse des liechtensteinischen Risikos als durchaus normal, zum Mindesten nicht schlechter, als diejenigen der unmittel­baren Nachbarschaft, zum Teil sogar, namentlich im Gebiet des Feuerschutzes und auch der Feueraufsicht (Feuerpolizei, Kaminfeger, Bauaufseher), als fühlbar besser. Die enge Lebens­weise in den geschlossenen Ortschaften, die über 90 % der Gesamtbevölkerung beherbergen dürften, bedeutet zugleich auch eine scharfe gegenseitige Kontrolle der einzelnen Landesan­gehörigen über ihr feuerpolizeiliches Tun und Lassen, ein versicherungstechnisch gar nicht zu unterschätzender Umstand, dessen Wirkungen für ausserordentliche Zeiten und Gefähr­dungen (Föhn) zudem durch ein gut ausgebildetes System von Nacht- und Brandwachen unterstützt werden. Die feuerpolizeiliche Mentalität, wie Disziplin der Bewohner, glaubten wir als recht gute erkennen zu können.

Weniger befriedigend sind jedoch die Verhältnisse in organisatorischer Beziehung, also was die versicherungstechnische Erfassung des soeben geschilderten Risikos anbelangt. Mit Gesetz vom 21. Januar 1909, [2] das selbst die ältern, aber in ihrer Wirkung auf die blossen Wohngebäude beschränkten Bestimmungen der §§ 65 und 66 des obzitierten Feuerpolizei­gesetzes von 1865 ablöste, wurde namentlich auch aus hypothekar-rechtlichen Erwägungen heraus, ein Obligatorium der gesamten Gebäudeversicherung geschaffen, ein Versicherungs­zwang indes, dessen praktische Verwirklichung mehr in die Breite als in die Tiefe zu gehen scheint. Es will dem Experten scheinen, dass heute wohl alle Gebäude, diese aber nicht durchwegs ausreichend, also vollversichert sind! Dem Gebäudeobligatorium gegenüber ist die Mobiliarversicherung immer frei geblieben und verzeigt auch in ihrer Entwicklung wesentlich kleinere Bestände.

Die Durchführung der Versicherung ist, hier wie dort, der Privatindustrie überlassen, die dafür eine Reihe von Organisationen und Gesellschaften in den Konkurrenz- und Acquisi­tionskampf geschickt hat. Wir zählten allein für das kleine Risiko, aus den uns zur Verfügung stehenden, keineswegs vollständigen Notizen, rund zehn Unternehmungen aus dem Bereich der ehemaligen österreich-ungarischen Monarchie, ferner eine reichsdeutsche, vier schwei­zerische, sowie einige weitere, auswärtige Gesellschaften, zusammen somit 15—20 Organi­sationen! In den Beständen der beiden Schweizergesellschaften „Basler-Feuer", Basel, und „Helvetia", St. Gallen, namentlich aber der ersteren, sowie in ein bis zwei altösterreichischen Gesellschaften („Providentia" und andere) dürfte heute der Hauptbestand des liechten­steinischen Risikos untergebracht sein, auf Gebäuden wie Mobiliar, welche Versicherungs­objekte sehr häufig auch ein und derselbe Vertragswortlaut umfasst. Diesen gegenüber steckt beispielsweise die erst später aufgetretene „Schweizerische Mobiliarversicherungs­gesellschaft Bern", als einziges Gegenseitigkeitsunternehmen, noch in den Anfängen ihrer Acquisitions- und Werbetätigkeit.

Die vertraglichen Bindungen betreffen zumeist eine Zeitspanne von 10 Jahren und erzeigen Prämienansätze, die mit 1,50 %o für Häuser und 2,30 %o für Stallbauten (kombiniert 2,00 %o, alles unter Hartdach) am häufigsten anzutreffen sind. Daneben — als Ergebnis der Konkurrenzwirkung, zum Teil aber eher ihres Mangels, und in Anbetracht der jeweiligen Risikenunterschiede — die mannigfachsten Spielarten, mit 8,75 %o als höchstbeobachteter Einzelsatz für eine (offenbar ziemlich exponierte) Stallbaute und 0,40 %o als Tiefstandsatz für neue Kirchen und Schulhausbauten, sowie deren Inhalt!

Auch die rechtliche Regelung knüpft hier an die mannigfachsten Formen an, Versicherungs­bedingungen wie Gesellschaftsstatuten, deren besserer Ausgleich, sagen wir „Nivellierung", gerade Aufgabe eines bevorstehenden Landesgesetzes über den privaten Versicherungs­vertrag geworden ist. Erfahrungen über die bisherige Praxis dieses Schadensersatzrechtes und namentlich über die Art der Schadensregulierungen in Brandfällen seitens der Gesell­schaften, deren Ortsagenturen allein im Lande ansässig sind, stunden den Experten keine zur Verfügung. Eine Erstreckung der Ersatzpflicht auch auf indirekte, mittelbare Brandfolgen (wie Brandchomage, Mietverlust und dergleichen), konnte nur in den seltensten Fällen fest­gestellt werden.

Als Ergänzung dieser Privatorganisationen und dem Gedanken ihres Ersatzes durch ein öffentliches Landesinstitut bereits vorgreifend, bestehen in den beiden Gemeinden Triesen­berg und Ruggell eigene sogenannte Gemeindebrandkassen. Einer dritten Neugründung für die Gemeinde Gamprin in den letzten Jahren blieb vorläufig die regierungsamtliche Geneh­migung des Statuts versagt. Allen diesen Kassen, von denen Triesenberg auf das Entste­hungsjahr 1867 und Ruggell auf das Jahr 1920 zurückgehen, steht kein Monopol zur Verfü­gung; sie arbeiten in Konkurrenz mit den bestehenden, beziehungsweise schon am Platze bestandenen Privatgesellschaften, auf dem einheitlichen Boden des Gebäude-Obligatoriums, dem auch die ausschliessliche Pflege dieser Gemeindekassen angehört, und auf Grundlage sogenannter „Statuten", die Organisationsstatut und Versicherungsbedingung zugleich sind. Für die geschichtliche Beurteilung des Versicherungsgedankens im Lande Liechtenstein ist namentlich die Entwicklung der rein bäuerlichen Selbsthilfe-Organisation der Gemeinde Triesenberg als ein äusserst interessanter Vorgang zu bezeichnen. Der Währungszerfall der Kriegsjahre 1919/20 hat namentlich diesem Lokalinstitute übel mitgespielt und dessen in mühsamer Arbeit von über 50 Betriebsjahren angesammelte Kronenreserven fast völlig ver­nichtet.

Über die bisherige Gesamtentwicklung des Feuerversicherungsgeschäftes im Fürstentum Liechtenstein in den letzten 20 Jahren (1904—1923), auf Gebäuden wie Mobiliar und Gesell­schaften mit Gemeindekassen zusammengerechnet, orientiert übersichtlich Tabelle I des Anhanges. Es sei hier darauf hingewiesen. Die Unterlagen zu dieser Aufstellung, die nur Annäherungswerte schaffen will, ergaben sich zum Teil aus den amtlichen Enqueten, zum Teil aus seither angestellten Berechnungen. Einwandfrei ermittelt sind Brandschäden und Prämienbeträge, während Risikenbestände und Ertragsziffern für die Prämien auf Deduktio­nen beruhen. — Eine weitere amtliche Aufstellung orientiert über die jetzigen Versiche­rungsbestände und deren Verteilung auf die einzelnen Gemeinden. Vergleiche Tabelle II des Anhanges! — Eine Ausscheidung nach Organisationsformen, den Trägern der Versicherung, fehlt, wenigstens für die heutige Zeit.

Soll hier auch für die versicherungstechnische Seite der bisherigen Zustände das Urteil des Experten anschliessen, so ist vor allem auf den Wirrwarr in den bisherigen Organisations­formen, bei der Feuerversicherung schlechtweg wie bei der Gebäudeversicherung im beson­dern, hinzuweisen, sehr zum Schaden ihrer sonstigen, vor allem hypothekarrechtlichen Bedeutung. Öffentliche und private Organisationen, erstere in der Form der noch unausgebildeten und primitiven Gemeindebrandkasse, letztere mit der modern organisier­ten und finanziell gut dotierten Privatgesellschaft, stehen miteinander in Konkurrenz! Und als Ausfluss dessen eine Mannigfaltigkeit, um nicht zu sagen, Ungleichheit in den verschie­denen Versicherungsregelungen, den Ersatzpflichten und namentlich den Prämien­leistungen, dass — sehr oft bei ein und demselben Risiko — sowohl die Frage nach Überbie­tung wie Unterbietung von Leistung und Gegenleistung als berechtigt erscheint. Die Expertise hat hier den Eindruck, dass namentlich in der Prämie das Nachbarschaftsrisiko — ohne Zweifel unter dem Eindruck der frühern Föhnbrände — bisher über Gebühr tarifiert und bezahlt wurde, eine Feststellung, die namentlich einzelne altösterreichische Gesell­schaften und deren etwas ältere Verträge belastet. Ähnliches trifft zu auch für den gegen­teiligen Fall des völlig isolierten Risikos, vor allem der Baute in Berglagen; Sätze von über 4 %o, geschweige denn von 7, von 8 bis 9 %o, sind ein Unding! Es ist, in diesem Zusammen­hange gesprochen, ausfallend, dass auch die rege Konkurrenz- und Acquisitionstätigkeit anderer, zum Beispiel schweizerischer Gesellschaften („Schweizerische Mobiliar"!) an diesen Zuständen noch nichts zu ändern vermochte, ein Fall, der eher auf das Vorwiegen rein per­sönlicher Zusammenhänge mit dem Versicherungsagenten oder Gesellschaftsvertreter beim Vertragsabschluss schliessen lässt, als auf eine eigentliche Gesellschaftsauswahl.

Die Brandstatistik der letzten 20 Jahre verzeigt, nach durchaus vertrauenswürdiger Auf­stellung, eine blosse Schadenshäufigkeit von 1,969 %o, während das heutige Prämienaliment aller Versicherer sich noch auf über 1,95 %o beläuft! Das ist, bezüglich Schadensintensität, nicht viel weniger und nicht viel mehr als beispielsweise die gleiche Statistik der drei schwei­zerischen Kantonalanstalten Thurgau, Freiburg und Solothurn aufweist, bei allseits günstige­ren Voraussetzungen für den Risikenausgleich, und ist fast genau zusammenfallend mit dem Durchschnittsschaden der vier Nachbarbezirke des angrenzenden, St. Galler Rheintales (Ober- und Unterrheintal, Sargans und Werdenberg). Die genannten Ziffern, 1,969 %o und 1,95 %o, machen eine Kostendifferenz von rund 90 Rappen vom Tausend der Versicherungs­summe aus, die bei einem heutigen Versicherungsbestand von 40 Millionen einer Kosten­summe von Fr. 35—40‘000 pro Jahr gleichkommen, einer Summe, die in dieser Höhe unmöglich als einziges Entgelt für gleichzeitige Verwaltungs- und Reservekosten angesprochen werden kann. Die bisherigen Versicherungsunternehmungen profitierten allein in den Jahren 1904—1919 rund Kronen 440,000 an Mehrprämien über die ausbe­zahlten Brandschäden hinaus, eine Ziffer, die sich für das blosse Jahrviert der neuen Wäh­rung (1919—1923) wiederum auf volle Fr. 300,000 beläuft. Da die Vermögensverwaltung der beiden Gemeindekassen eine äusserst bescheidene genannt werden muss, ist ohne weiteres anzunehmen, dass die genannten Überschüsse fast restlos ins Ausland abgeflossen, der ein­heimischen Volkswirtschaft, dem liechtensteinischen Volksvermögen, entzogen worden sind. Daran ändert auch die weitere Feststellung nichts, dass allerdings ein Gutteil dieser Beträge für den relativ teuern Versicherungsapparat der Privatorganisationen Verwendung gefunden hat, eine für die Ökonomie des Landes, wenn es sich hier einfacher einrichten kann, völlig belanglose Feststellung.

Auch organisatorisch gesprochen muss die heute herrschende Vielgestaltigkeit der Versiche­rungsbedingungen und namentlich des Vertragswortlautes, dessen Ausdehnung damit ebenfalls in Frage kommt, für den Versicherten geradezu als ein Hindernis einer richtigen, überlegenen Beurteilung der eigentlichen Vertragsfolgen angesehen werden. Die Ebenbür­tigkeit der beiden Vertragsparteien selbst, mit dem versicherungsnehmenden Laien auf der einen Seite und dem in seinem Fach lebenden Versicherungsgeber (Gesellschaft, Agent) auf der andern Seite, dürfte schon längst, wie anderwärts auch, hinfällig geworden sein, zu Ungunsten des eigentlichen Versicherungsgedankens. Einer weitern Feststellung des schroffen Gegensatzes zwischen moderner Gesellschaft und einfacher Gemeindekasse ist schon oben aus andern Gründen Erwähnung getan worden. Hier sei bezüglich der Lokal­institute noch nachgeführt, dass sowohl das technische wie finanzielle Gebaren dieser Klein­kassen auf die Dauer hätte zu Unzukömmlichkeiten führen müssen. Wenn schon das gesamte Landesgebiet nur bedingt als eigenes Risikengebiet anzusprechen ist, dann ohne Zweifel erst recht nicht diese kleinen Gemeindeterritorien, zumal dann, wenn — was für beide Kassen feststeht — noch die Privatkonkurrenz aus diesem engen Gebiete auszuhalten ist und — was lediglich für Triesenberg zutrifft — der Betrieb ohne jede Rückdeckung, aller­dings mit weitgehendster Risikenauslese arbeitet. Das heisst man lediglich Glück haben, nicht Versichern! Anderseits ist auch wiederum zu betonen, dass jede Rückversicherung, in der hier zu fordernden Höhe und Ausdehnung, die Gemeindekasse wiederum zur blossen Versicherungsmittlerin, diesfalls an den Rück- und eigentlichen Versicherer, degradieren müsste, mit der dann stossenden Feststellung, dass sie sich diese Vermittlungstätigkeit in der Prämie des Direktgeschäftes über Gebühr bezahlen lässt. Ruggell bezieht von seinen Versi­cherten eine Prämie von durchschnittlich 3,8 bis 4,0 %o und bezahlt dasselbe Risiko in der Rückdeckung durch die „Schweizerische Mobiliarversicherungsgesellschaft“ mit bloss 2 %o! Das Aufkommen der Gemeindebrandkassen überhaupt ist für den Fernstehenden etwas unerklärlich, angesichts der Prämienpolitik dieser Kleinbetriebe, die zu hohen Jahresprämien noch Eintrittsgelder und weitere Belastungen für ihre Versicherten statuieren. Eine volle Erklärung ergibt sich nur dann, wenn angenommen werden darf, unliebsame Erfahrungen mit dem frühern Privatversicherer, den Gesellschaften, in der Prämienforderung sowohl wie in der Schadensregulierung. seien der Grund zur Abkehr und selbständigen Organisation dieses Kleingeschäftes gewesen!

Kostentechnisch beurteilt, ist das jetzige Zusammendrängen so vieler Organisationen auf so engem Gebiete, trotz aller Vorteile der Konkurrenz, durchaus nicht als günstig zu bezeich­nen. Es schafft in dem dafür nötigen Unterhalt der zu zahlreichen Versicherungsvertretungen und -Agenturen einen unmotivierten Kostenteil, dem volkswirtschaftlich gar keine Gegen­leistung entspricht, ein Übelstand, dessen Beseitigung auch dem Obligatoriumsgesetze von 1909 nicht oder nicht völlig gelungen ist. Wir schätzen, an Hand der amtlichen Enquete vom Frühling dieses Jahres, allein das Betreffnis des Landes, das es an solchen offenen Acquisi­tions- und Werbekosten — sie trägt immer letzterdings der Versicherte, nicht die Gesell­schaft! — neben dem in der Prämie schon berechneten Kostenanteil noch mitbezahlte, auf zirka Fr. 7‘000 pro Jahr, heisse man das nun Policegebühren, Spesen und Kommission, oder eigentliche Verwaltungskosten und dergleichen. Auch die Beiträge für den Feuerschutz (Gesetz vom 16. Januar 1907 [3] mit 2 % der Prämie), das Analogon der schweizerischen „Lösch­steuer", scheinen ziemlich durchgehend auf den Versicherten abgewälzt worden zu sein. Wir verstehen und begreifen alle diese Erscheinungen nur unter dem Gesichtspunkte, dass der Versicherungsbetrieb einer Erwerbsgesellschaft für den Versicherer stets profitabel bleiben muss und dass auch jedes Mehr an unerhofften Ersatzpflichten — man denke an die Föhnbrände — unnachsichtlich in Prämienerhöhungen der nächstfälligen Versicherungs­verträge, also wiederum beim Versicherten, zum Ausdruck kommen muss.

Die Experten fassen ihr Urteil über die bisherige versicherungstechnische Organisation der Gebäudeversicherung des Fürstentums Liechtenstein in dem Satze zusammen, dass die jet­zige Prämienforderung der Privatgesellschaften wie Gemeindekassen, dem wirklich feststell­baren Risiko gegenüber, dessen grosse Schwankungen (0,0-8,1 %o!) damit keineswegs bestritten werden sollen, nicht entspricht, gegenüber gleichen Risiken von anderwärts sogar als übersetzt erscheint, und dass die massgebenden Instanzen, abgesehen von andern (organisatorischen) Nachteilen, gut tun, bei Zeiten auf eine bessere, vor allem ökonomi­schere Lösung Bedacht zu nehmen. Die hohe Landesregierung sieht, in Wiederaufnahme früherer gleichlaufender Bestrebungen (1903—1904), diese Lösung in der Schaffung eines eigenen Landes-Brandversicherungsinstitutes, vorläufig für Gebäude allein, welchem Gedan­ken auch die Experten, unter bestimmten versicherungstechnischen Kautelen und bei deut­licher Beschränkung auf den Gebäudefall, zustimmen können. Der nähern Darstellung dieses versicherungstechnischen Requisits sollen noch die anschliessenden Ausführungen gewidmet sein.

ll. Die neue Landesbrandkasse.

Es erhebt sich hier die Frage: Welche technischen Voraussetzungen stehen dem neuen Ver­sicherungsinstitute zur Verfügung? Zur Beantwortung dessen genügt es, die Verhältnisse bezüglich des zu erwartenden Versicherungsbestandes, des gleichzeitigen Brandschadens und Prämienertrages, sowie der nötigen finanziellen und technischen Garantien (Rück­versicherung) aufzuzeigen. Wir versuchen dies im Nachfolgenden, unter steter Bezugnahme auf einen bereits vorliegenden Entwurf für ein Organisationsstatut der neuen Anstalt.

1. Der Versicherungsbestand.

Die Frage nach dem Versicherungsbestand ist die Frage nach der Grösse des zu tragenden Risikos. Alle eingegangenen Versicherungssummen sind in erster Linie zu betrachten unter dem Gesichtspunkt einer übernommenen Ersatz- und Haftpflicht, über deren zahlenmässige Auslösung dann die weitere Frage nach der Brandstatistik (Ziffer 2) entscheidet. Die Frage nach dem Bestande hat indes hier noch erhöhte Bedeutung in dem Sinne, als jede öffent­liche Feuerversicherung für Gebäude auf der „Entschädigung nach Taxation" zu organisieren ist, schon aus dem Zwang der blossen Hypothekargarantie heraus. Mit andern Worten: Die im Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses (Einschätzung) erstellte Taxation (Versicherungs­summe) ist im Brandfalle (Abschätzung) zugleich auch Schatzungsunterlage, von der bei­spielsweise im Falle des Totalbrandes nur mehr der Wert der Brandüberreste in Abzug zu bringen ist. Jede gesonderte Ermittlung eines sogenannten „Ersatzwertes" für den blossen Brandfall im Gegensatz zur schon bestehenden Einschätzung wie bei der Privatversicherung, fällt bei der öffentlichen Versicherung, trotz Versuchen in dieser Richtung (Graubünden?), dahin. Sowohl Prämie wie Brandschaden stellen sodann ihrerseits auf diesen Versicherungs­bestand ab. dessen Bedeutung damit durchschlagend wird für die gesamte Existenz und Fortentwicklung eines Institutes.

Im besondern Falle der liechtensteinischen Anstalt ist indes noch auf einige weitere Verum­ständungen hinzuweisen. Einmal ist zur Beurteilung des neuen Bestandes daran zu erinnern, dass die Wirkungen des Obligatoriumserlasses von 1909 ohne Zweifel kaum schon völlig ausgeschöpft vorliegen dürften; der Eindruck zahlreicher bestehender Unterversicherungen bleibt, deren Ausmerzung dann Aufgabe der Einführungs-Schatzungsrevision für die neue Anstalt würde, ihr aber ohne Frage noch wesentliche Mehrbestände zuführen müsste. Soll ferner dem Gegenseitigkeitsgedanken seine konsequente Durchführung gesichert sein, so ist auch nicht mehr an einen Ausschluss der schlechtern, weil erhöht feuersgefährlichen Risiken zu denken. Wenigstens nicht zum vornherein! Das sei besonders an die Adresse der beiden Fabrikrisiken von Mühleholz und Triesen, aber auch einzelner Holzbearbeitungsgebäude und dergleichen gesprochen, die im Neuinstitut alle Platz haben. Bei dem der Anstalt zu gebende­n Monopolcharakter ist es ferner selbstverständliche Voraussetzung, dass sämtliche vorfindlichen Gebäude ausschliesslich diesem Monopolinstitut zugewiesen und dort in einer Hand, ohne weitere Konkurrenz eines Zweitversicherers, vereinigt werden. Die Frage nach dem Versicherungsbestand der neuen Anstalt deckt sich insofern genau mit der andern Frage nach der Grösse jenes Volksvermögens, das in den Gebäuden des Landes investiert sein soll. Bei Beurteilung dieser Werte hat man sich indes rechtzeitig zu vergegenwärtigen, was als Versicherungswert dieser Objekte gelten soll, ob Bauwert (Wiederherstellungskosten) oder Verkehrswert (Veräusserungsinteresse) oder ein Wert, der beide Lösungen miteinander kombiniert. Die nachfolgenden Ausführungen sind nun in der Voraussetzung geschrieben, dass — schon in Rücksicht auf die bisherige Privatregelung und die Statuten der Gemeindekassen, an die hier anzuschliessen wäre und die alle nur Bauwerte, und zwar Zustandsbauwerte, in dieser oder jener Bezeichnung versicherten — auch das künftige Landesinstitut eine reine Bauwertversicherung schaffen werde, mit etwelchen Schutzbestimmungen lediglich gegen den Spekulationsbrand. Weitere Fragen, wie die nach der Ausdehnung der Gebäudezubehör, der Ausdehnung des Gebäudebegriffes und dergleichen kommen hier zahlenmässig nicht in Betracht. Die Expertise hat die Meinung, dass auch dem Charakter der neuen Schätzung, als einer nun einheitlichen amtlichen Taxation, die nicht mehr vom Antrag des Versicherungsnehmers allein abhängig ist, eine gewisse Bedeutung für den neuen Bestand zukommt, wenigstens im Sinne einer grössern Gleichmässigkeit der Schätzungen. Selbstbebehalte, das sind Versicherungsquoten (zum Beispiel ein Viertel), auf Wunsch des Versicherten in dessen eigene Rechnung zu geben, empfehlen wir grundsätzlich fallen zu lassen, da sie anerkanntermassen nur das Sorgenkind der Hypothekargarantie darstellen und jeder Sorge für Vollversicherung wiederum zuwiderlaufen.

Unter diesen Voraussetzungen schätzen die Experten den künftigen Versicherungsbestand der neuen Landesbrandkasse auf Gebäuden für heute auf rund 40 Millionen Frankenwährung. Zur Stütze dieser Schätzung sei weiter darauf hingewiesen, dass bereits die amtliche Enquete dieses Frühjahres, soweit das blosse Gebäuderisiko betreffend, einen Risikenbestand von rund 32 Millionen feststellte (Tabelle II). Unter Einrechnung einiger fehlender Grossrisiken und nach Mitschätzung der ungefähren Unterversicherungen — das Detail der Enquete gestattet nähere Rechnungen — sowie nach Berücksichtigung der übrigen, im Obstehenden berührten Verumständungen dürfte sich die Enquetesumme wiederum den obigen 40 Millionen nähern. Vergleiche zudem, die die Experten mit Beständen schweizerischer Kantonalanstalten, pro Kopf der Bevölkerung, anstellten (St. Gallen, Graubünden, Nidwalden, Zug und andere), bestätigten das wahrscheinlich Zutreffende unserer obigen Annahme, ergaben eher noch etwas höhere Ansätze. Leider fehlen nähere Unterlagen pro Versicherungsobjekt der neuen Anstalt.

Diesem Bestände von Fr. 40 Millionen haften indes, schon rein summentechnisch gesprochen, einige Nachteile an. Der Bestand verteilt sich einmal auf zu wenig Versicherungsobjekte und drängt sich auch, territorial gesprochen, auf ein zu enges Gebiet zusammen. Eine bloss schätzungsweise Zusammenstellung der Versicherungssummen einzelner Grossrisiken (Schlösser Vaduz und Gutenberg, Rheinbrücken, Fabriken Triesen und Mühleholz, die verschiedenen Asyle, Kirchen, Institut Gutenberg, Kloster Schellenberg, Verwaltungsgebäude und ähnliche) ergab bereits einen Risikenbestand von 8—10 Millionen oder rund ein Viertel bis Fünftel des zu erwartenden Gesamtbestandes! Zum Teil allerdings, wie die Kirchen, blosses Summenrisiko darstellend. Dazu tritt noch eine weitere, für die Beurteilung des neuen Bestandes ebenso nachteilige Feststellung: Über 90 % dieser 40 Millionen dürften im Bereich von Ortschaften, und zwar im Unterland: von weichgebauten Ortschaften ohne ausreichenden Feuerschutz, gelegen sein! Sogar vom Rest ist noch ein kleiner Teil wiederum als exponiertes Risiko gefährdet!

Angesichts solcher Zahlen und Feststellungen ergibt sich für die Expertise sofort Eines zur unumstösslichen Gewissheit: Ein Versicherungsbestand von bloss 40 Millionen, bei derartiger Struktur seines Risikos und der Kleinheit des Risikengebietes, kann für sich allein niemals als tragfähige Versicherungsgrundlage angesehen werden! Das sogenannte „Gesetz der grossen Zahl", mit dem dadurch bedingten automatischen Schadensausgleich, kann auf so engem Raume und bei solch grosser Belastung nicht mehr zur Auswirkung kommen. Eine Folge dessen sind Schadens- und Intensitätsziffern, die, wie schon Tabelle I für die Vergangenheit ausweist, den allergrössten Schwankungen, vor allem nach oben, ausgesetzt sind und in dieser Form von einem völlig auf sich allein angewiesenen Institut nicht mehr ohne Beschwerde auszuhalten sind. Es muss daher schon hier mit aller Deutlichkeit auf die Notwendigkeit einer technischen wie finanziellen Beihilfe hingewiesen werden, einerseits im Wege einer — für die Anstalt obligatorischen — Rückversicherung, anderseits durch Beigabe passender finanzieller Garantiemittel (Reserven, Prämienpolitik usw.), unter gleichzeitiger Reorganisation und Reaktivierung des gesamten Feuerschutzes.

Die Expertise legt Wert darauf, diese Feststellung rechtzeitig zu machen, und muss wünschen. dass deren Bedeutung auch an massgebender Stelle restlos anerkannt werde. Was indessen doch auf kleinem Gebiet, mit bescheidenen Mitteln und bei äusserst ungünstigen technischen Voraussetzungen gleichwohl in Wirklichkeit zu organisieren ist, das zeigt deutlich die Entwicklung der Landesbrandversicherungsanstalt des Schweizerkantons Nidwalden. dessen Risiko, abgesehen von der fast zahlenmässigen Übereinstimmung (13.000 Seelen, 13 politische Gemeinden, 5000 Gebäude), viele Ähnlichkeit mit demjenigen der neuen liechtensteinischen Anstalt aufweist. Wir setzen hier die wegleitenden Zahlen: Gründungsjahr 1884; Einführungsbestand 6—10 Millionen; 1924: 70 Millionen, davon rund 20 Millionen (25 %) Ausnahmerisiken; Rückversicherung rund 40 bis 45 %; Schadensintensität 1884—1924 0,304 %o, 1923—1919 = 0,369 %o; Betrag der Überschüsse (Reservefonds) 1884—1924 Fr. 1,1 Millionen, das ist 15,7 %o!; Senkung der Erstprämien (1,00 %o Durchschnitt) im 28. Betriebsjahr um 25 (auf 0,75 %o); Deckung des gesamten staatlichen Feuerpolizeikredits durch die Kasse; Subventionsaufwand für brandprophylaktische, Zwecke seit Betriebsbeginn rund 1/2 Million! Ähnlich Glarus, Appenzell A.-Rh. (beide mit ausgesprochenen Föhnzonen), auch Zug und andere mehr, — Wirklichkeiten, die in keinem Lehrbuch der Feuerversicherung und auch in keinem Tarif der Privatgesellschaften zu unterbringen sind!

2. Der Brandschaden.

Beantwortet die Frage nach dem Versicherungsbestande diejenige nach der Grösse des Risikos, so die Frage nach dem zu erwartenden Brandschaden die Qualität desselben. Mit welcher Schadenshäufigkeit also muss und darf das neue Gebäudeinstitut im Fürstentum pro Jahr rechnen? Und anschliessend daran: Was soll dann später an finanziellen und technischen Sicherungen vorgekehrt werden?

Die Antwort gibt uns hier die Brandstatistik, für sich eine Aufstellung von Tatsachen, in ihrer Anwendung aber und Schlussfolgerung für kommende Schäden eine blosse Wahrscheinlichkeitsrechnung, deren Richtigkeit zudem beim vorliegenden kleinen Versicherungsgebiet bestenfalls nur in mehrjährigen Durchschnitten völlig auszuweisen ist. Diese Brandstatistik verzeigt gemäss Tabelle l (siehe Anhang), deren einwandfreie Erstellung sich die Experten, mit Unterstützung der hohen Auftraggeberin, besonders angelegen sein liessen, für das Fürstentum im bisherigen gesamten Feuerversicherungsgeschäft folgende Brandfrequenzen:

In den letzten 5 Jahren (1923—1919):

rund 0,50 %o

In den letzten 10 Jahren (1923-1914):

rund 0,45 %o

In den letzten 20 Jahren. (1923-1904):

rund 1,07 %o

In den Jahren 1866—1903 (zum Vergleich):

rund 1,80 %o

die letztere Ziffer lediglich als Schätzung, aber im festen Raume von 1,50—2,00 %o aufgeführt. Im direkten Vergleich dazu seien die Ergebnisse der vier bereits früher zitierten st. gallischen Nachbarbezirke (in Klammer: Werdenberg allein) gegenübergestellt:

In den letzten 5 Jahren

rund 1,00 %o (0,85 %o)

In den letzten 10 Jahren

rund 0,87 %o (0,73 %o)

In den letzten 20 Jahren

rund 1,01 %o (0,85 %o)


Die beiden Kantonalanstalten von St. Gallen und Graubünden zeigen im letzten 15- bis 20jährigen Mittel rund 0,70 und 0,40 %o, die neue Vorarlberger Landes-Feuerversicherungsanstalt 1921 (Gründungsjahr) und 1922 gar nur 0,10 und 0,02 %o!

Die höchste Brandfrequenz des liechtensteinischen Risikos in der (amtlichen) Beobachtungsperiode von 1904—1923 verzeigt das Jahr 1907 (Vaduzer Grossbrand) mit rund 8 %o, die zweithöchste das Jahr des gleichen Vorkommnisses in Triesen, 1913, mit rund 4 %o; als Minima erscheinen dagegen das brandlose Jahr 1918, die ¼ %o des Jahres 1923, sowie die 0,3—0,4 %o der Jahre 1921 und 1922, sowie 1904 und 1905. Die Aufstellung zeigt, dass namentlich in den letzten Jahren, zurück bis zum letzten Triesener Föhnbrand von 1913, die Brandstatistik eine merkliche Verbesserung erfahren hat, die auch durch seitherige Zwischenüberraschungen (Mauren 1922 0,85 %o!) .nicht mehr wesentlich gestört werden konnte.

Auf Grundlage der vorstehenden Ergebnisse sind die Experten geneigt, der neuen Landes-Brandversicherungsanstalt eine voraussichtliche, wahrscheinliche Schadensfrequenz von rund 1,00 %o pro Durchschnittsjahr zuzubilligen. Dieser Durchschnitt — er stellt mehr als das Doppelte der wirklichen Brandstatistik aus 1914 bis 1923 dar — soll als zahlenmässiger Ausgangspunkt für die weitern Ausführungen angenommen werden, dem gegenüber dann jedes allfällige Mehr (Föhn und Grossbrände) auf den Weg der Rückversicherung und Rückdeckung zu verweisen ist.

In organisatorischer und rechtlicher Beziehung ist hier noch folgendes beizufügen: Der Zweck einer öffentlichen Brandversicherungsanstalt, als Schadens- und nicht Summenversicherung, ist der völlige Schadensausgleich, die völlige Schadloshaltung des Gebäudeeigentümers, aber unter Ausschluss jeder Gewinnmöglichkeit, mit dem dadurch bedingten Schutz gegen Spekulationsbrände. Die Anstalt wird für alle diejenigen Schadensursachen zu haften haben, für die schon ihre Vorgängerinnen, die Gesellschaft und die Gemeindekasse aufkamen, also Schäden zufolge Brandereignis, Blitzschlag, mit oder ohne Entzündung, sowie Rettungs- und Löschschäden. Das Explosionsrisiko selbst empfehlen die Experten, bei der verklausulierten Fassung der Privatbedingungen und weil dortzulande nur von ganz ausnahmsweiser Bedeutung, einfach in eine Spezialvereinbarung zu weisen, die die Versicherungsmöglichkeit belässt, aber gegen eine Spezialprämie (als Zuschlag). Kriegs- und Erdbebenschäden sind ihrer Natur nach als ausserordentliche Ereignisse von der neuen Anstalt deutlich abzulehnen. Im übrigen erfolgt, wie bereits früher bemerkt, „Entschädigung nach Taxation", welche Taxation die Gebäude samt ihren mitgeschätzten Pertinenzen (Zubehören) deckt, nicht aber zugleich in den bloss mittelbaren, indirekten Brandfolgen, die für sich als Gegenstand einer besondern, diesfalls fakultativ zu gestaltenden (Zusatz-) Versicherung vorgeschlagen werden. Wir meinen damit Räumungskosten, Sicherungsvorkehren, Schäden an der Liegenschaft des brandgeschädigten Gebäudes usw., nicht aber die eigentliche Brandchomage (Betriebs- und Mietverluste), die ihrer komplizierteren Natur wegen besser der Privatindustrie überlassen bleibt, die sie auch meist im Zusammenhang mit der Mobiliarpolice erledigt. Damit werden indes bereits Zusammenhänge mit dem neu zu schaffenden Aufsichts- und Versicherungsvertragsgesetz berührt, deren Darstellung nicht mehr Aufgabe dieser Expertise ist.

Es ist klar, um das auch hier noch anzufügen, dass bei Schaffung einer Landesanstalt Entschädigungsformen, wie die Zuweisung von Bauholz aus den Gemeindewäldern, die Beigabe sonstiger Naturalien und dergleichen, wie sie, sogar unter Sanktion durch das Statut, bei den frühern Gemeindekassen üblich waren, allseits einer deutlichen, gesetzlich als solche erzwingbaren Geldleistung in der Landeswährung zu weichen haben. Auch auf möglichste Einschränkung, wenn nicht Verbot des Brandbettels (Brandkollekten), ist zu dringen, deren Auswirkung von jeher einem steten Desaveu [4] der Wohltat wie Leistungsfähigkeit einer jeden Versicherungseinrichtung gleichkam. Auf die grundsätzliche Bedeutung des Feuerschutzes, der Brandprophylaxe schlechtweg, als wichtigsten Faktor einer steten weitern Reduktion des Brandschadens, wurde schon früher hingewiesen.

3. Die Prämie.

Eines der ersten Mittel, das neben Rückversicherung und Reserven zur Schaffung der unbedingt notwendigen finanziellen Unterlagen und Garantien für die neue Anstalt führen soll, ist eine richtige Prämie, eine richtige Prämienpolitik. Sie hat indes, zumal im vorliegenden Falle, zwei ganz verschiedene Aufgaben zu erfüllen. Sie soll einerseits, unter Beseitigung der bisherigen Ungleichheiten in den privaten Konkurrenztarifen und der Auswüchse bei den Gemeindekassen, den Kostenaufwand der Versicherung besser dem wirklichen Risiko anpassen, also mehr „Steuergerechtigkeit" schaffen. Anderseits soll sie aber zugleich der Anstaltskasse das nötige Aliment liefern, nicht bloss, um daraus die ausgemittelten Brandschäden und die zugehörigen Verwaltungskosten begleichen zu können, sondern um darüber hinaus zur raschesten Äufnung und Dotierung der Reserve- und Garantiemittel, als Schutz gegen Ausnahmeereignisse, schreiten zu können. Im letztern Punkte ist die Tarifierung, als Werkzeug dieser Prämienpolitik, im Gegensatz zur Brandstatistik, eine blosse Ermessensfrage, deren Bedeutung darum, vor allem in abstimmungs- und referendumspolitischer Hinsicht, nicht verkleinert werden soll.

Bei der Durchführung der beiden vorgenannten Gesichtspunkte begegnet indes die Expertise — und der Gesetzgeber wird es ihr rasch nachfühlen können — ausserordentlichen Schwierigkeiten. Sie liegen für Liechtenstein vor allem darin, dass das zu gründende Landesinstitut mit seinen Prämienforderungen doch an die schon bestehenden Ansätze der Gesellschaften wie Gemeindekassen anzuknüpfen hat, Sätze indes, die unter dem Einflusse der verschiedenen Organisationsformen und ihrer Konkurrenz fast jede Grundsätzlichkeit oder Richtung verloren haben und oft bei ein und demselben Risiko die grösste Mannigfaltigkeit aufweisen. Aus dieser Erwägung heraus muss beispielsweise schon die erste Frage der sogenannten „Einheitsprämie" ohne weiteres verneint werden. Soll, was für den Experten feststeht, der Übergang der Gebäudeversicherung an das „Staatsinstitut" für den Grossteil der Versicherten (nicht des Versicherungsbestandes) kein Anlass zur Kostenverteuerung werden, so muss das Risiko klassifiziert und zwar gründlich klassifiziert und abgestuft werden! Das tun auch die jetzigen Privattarife und tun die Gemeindekassen, deren Tarife und Sätze damit automatisch zur Unterlage des neuen Tarifes werden. Wir erinnern, zur Stütze dessen, an den analogen Vorgang, wie er sich auch im Schweizerkanton Graubünden bei Schaffung der dortigen Anstalt in den Jahren 1907—1912 vollzogen hat. Klassifikation und Tarifierung überdies gesucht in einer Mittellösung, die, unter dem Einfluss des Gegenseitigkeitsgedankens, das schlechte Risiko nicht seinem vollen Nachteil, aber auch das gute Risiko nicht seinem vollen Vorteil überlässt!

Von diesen Erwägungen ausgehend schlagen die Experten in beiliegendem Entwurf insgesamt sechs Gebäudeklassen vor, deren Unterschiede einmal in der festzustellenden Bauweise und sodann der Bedachungsart beruhen, während das bestehende Nachbarschaftsrisiko innert den Klassen selbst durch besondere Zuschläge erfasst werden soll. Die Lösung stellt ein Mittelding zwischen Privattarif und Gemeindestatut dar, neigt eher mehr dem ersteren zu, auch in den gewählten Prämiensätzen, weil sich hier auch der Grossteil des bisherigen Risikos sammelte. Das Supplement dazu bildet eine Klasse VII, die Klasse des gefahrerhöhten Gebäudes, dessen besondere Zusammenfassung uns, sowohl aus Gründen der Kontrolle wie der Rückversicherung, die hier obligatorisch zu halten wäre, angezeigt erschien. Zum Ausgleich für einzelne, derzeit vielleicht noch tiefer und im Landesinstitut etwas höher belastete Objekte ist die Gewährung von „Rabatten", also von Erleichterungen (Rabattsystem) vorgesehen, auch hier dem Privattarif folgend und auslösbar auf blossen Beschluss des Landtages hin, der von dieser Kompetenz Gebrauch zu machen hätte, sobald die finanzielle Lage der Kasse nach deren Konsolidierung einen solchen weitern Aderlass ertragen wird.

Eine probeweise Anwendung der neuprojektierten Klassifikation mit den gleichzeitigen Prämienansätzen (%o) für eine Reihe von Musterobjekten ergab die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens die Hälfte — um nicht mehr zu behaupten — der unter das neue Institut fallenden Gebäulichkeiten prämientechnisch gegenüber der bisherigen Regelung entlastet wird. Einzelnenfalls natürlich in wechselndem Ausmasse. Ein Versuch zur Gesamtarifierung des Bestandes, auf Grund von Annäherungswerten für die künftigen Klassenwerte, ergab zudem ein durchschnittliches Prämienaliment von rund 1,8 %o, gegenüber heute von 1,95 %o, womit die obige Behauptung von der Prämienentlastung, sowie die frühere von dem zur Hauptsache kostenverbilligenden Übergang der Privat- an die öffentliche Versicherung, genügsam erhärtet sein dürften. Für die Gebäude der VII. Klasse wird das noch durch Aufstellung einer besondern „Prämienmaxime" im Gesetze selbst auszudrücken vorgeschlagen, zu allseitiger Beruhigung.

Diese Durchschnittsprämie von 1,80 Desaveu sei als Ausgangspunkt der weitern nachfolgenden Ausführungen angenommen. Sie erbringt, bezogen auf den Versicherungsbestand im Sinne von Ziffer 1 dieser Ausführungen, mit Fr. 40 Millionen einen jährlichen Prämienertrag von rund Fr. 75—80,000. Davon dürften, innert des gewählten Klassifikationssystems, rund 70 als Wirkung der eigentlichen Bau- und Bedachungsarten, beziehungsweise ihrer Differenzierung, 20 % als Ausdruck des Nachbarschaftsrisikos und 10 % als besonderes Aliment der VII. Klasse angesprochen werden. Bei 1,80 %o Prämie und 1 %o Brandschaden (vergl. Ziffer 2) verbleibt somit der neuen Kasse normalerweise ein finanzieller Spielraum von 0,80 %o, haltend rund Fr. 32—35,000 pro Jahr, eine Summe, die sie bei einfachster Organisation des Apparates — und es sei nur das beabsichtigt! — fast voll für rascheste Äufnung der Reserven verwenden kann.

Bei 1,95 %o alter und 1,89 %o neuer Durchschnittsprämie ist somit der Übergang der Gebäude aus Privat- und Gemeindeversicherung an die Landesversicherung ohne Mehrbelastung der Volkswirtschaft bereits Tatsache. Über diese Prämien hinaus bezahlte sodann der Versicherte schon bisher separat seine Abschluss-, Provisions- und Policenkosten; in der neuen Regelung werden das einzig die Einschätzungskosten sein. Die Stempelsteuer verbleibt in ihrer bisherigen Abwälzung auf den Versicherten; für später mag auch hier, dem Beispiel der schweizerischen Anstalten folgend, eine entgegenkommendere Lösung getroffen werden.

4. Die Rückversicherung.

Die Kleinheit des vorliegenden Risikos und dessen übergrosse Schwankungen in der Schadensziffer (nicht Durchschnittshöhe!) bedingen, wie an früherer Stelle bereits ausgeführt wurde, eine Entlastung der Kasse vor allem im Wege der Rückversicherung. Neben die finanzielle Reserve — die zum Beispiel bei den bisherigen Gemeindekassen mit ihren Bestimmungen über Vorschüsse, Darleihen, Prämiennachschüsse und dergleichen allzu einseitig und über Gebühr, auf Kosten ihrer Versicherten, gepflegt wurde — gehört noch eine technische Reserve, die ohne übergrosse Kapitalanhäufungen oder Verpflichtungen in diesem Sinne den Schadensausgleich jedes Jahres, mit grösserem Vorteil und besser, durch eine blosse Teilung des Risikos und dessen teilweise Abwälzung an einen Zweit-, den Rückversicherer, bewerkstelligt. Die gesamte Privattätigkeit wie Rendite in der Schadensversicherung, zu der auch unsere Brandversicherung gehört, ruht heute zur Hauptsache auf dem blossen Gedanken dieser Risikenteilung, entweder schon im Direktgeschäft, was vorliegend bei der Monopolstellung der neuen Anstalt ausgeschlossen ist, oder dann mittelst Zuhilfenahme einer bis ins feinste Detail ausgebauten Rückdeckung und Rückversicherung, ein Weg nun, der sich auch vorliegend als gangbar erweist. Der Vorgang ist dann der, dass die künftige Landeskasse den Versicherten als einziger und voller Versicherer gegenübertritt, ihrerseits aber im Vertragswege von den übernommenen Haftpflichten einen Teil derselben, ohne Berührung des „Klienten", an den Rückversicherer abtritt, gegen Bezahlung einer vereinbarten Gegenleistung, der Rückversicherungsprämie, um dann im Brand- und Schadensfalle gleicherweise einen Teil der geleisteten Entschädigungssummen von diesem Rückversicherer wiederum rückvergütet zu erhalten.

Wie soll nun diese Rückversicherung, um ihren Erfolg mit den geringsten Mitteln zu erreichen, organisiert werden? Die Experten empfehlen der Anstaltsleitung, angesichts der Struktur des vorliegenden Risikos, zwei Systeme: Entweder eine kombinierte „Schadensexcedenten- Rückversicherung" oder dann eine reine Quoten-Rückdeckung, kombiniert mit einer solchen für eine einfache (Summen-) Excedenten-Rückversicherung. Zur Erklärung der beiden Systeme sei beigefügt, dass im ersteren Fall der gesamte Jahres-Brandschaden der Anstalt, ohne Rücksicht auf seine Herkunft und Zusammensetzung, also einzig in seiner zeitlichen Erfassung, als Ganzes behandelt und in dem den sogenannten „Selbstbehalt" der Anstalt (mittlerer bisheriger Schadensdurchschnitt) übersteigenden Teil, eben diesem „Schadensexcedenten", vom Rückversicherer gedeckt wird. Bleibt der Schaden unter diesem Selbstbehalt, so fällt, im rohen Sinne des Systems, jede Rückvergütung, bei im übrigen gleichbleibender Prämienleistung, dahin. Anders die Quotenrückversicherung, die lediglich einen bestimmten Teil, zum Beispiel 70 oder 80 % des gesamten Risikenbestandes in Schaden und Prämie — letztere selbständig errechnet — an den Rückversicherer abstösst. In Ergänzung dazu hätte nach Vorschlag eine sogenannte „Spitzenköpfung" der wichtigsten und grössten, das normale Jahresgeschäft am meisten belastenden Einzelrisiken zu treten, nach erfolgter sorgfältiger Auslese derselben; erst der Rest stünde der eigentlichen Quotenversicherung zu Grunde. Gegenüber dem ersteren System, das als idealste Lösung der Rückversicherungsfrage anzusehen ist, stellt der zweite Vorschlag eine blosse Aushilfslösung, eine Opportunität dar, die aber bei richtiger und zweckgemässer Risikenauslese ihren Zweck ebenfalls fast restlos zu erfüllen vermag und heute zum Beispiel von der Privatindustrie noch fast ausschliesslich und allein benützt wird.

Da eine Schadensexcedenten-Rückversicherung für das kleine, unausgeglichene liechtensteinische Risiko voraussichtlich kaum einen Vertragskontrahenten — als Träger einer solchen Versicherung — finden dürfte, haben die Experten mit Vorteil ihren nachfolgenden Ausführungen die zweite Möglichkeit zu Grunde gelegt, eine allgemeine Quotenversicherung mit vorausgehenden Einzelrückdeckungen. In Rücksicht auf den Charakter der Neugründung, deren finanzielle Sicherheit und nicht glänzender Betriebsüberschuss in erster Linie anzustreben ist, empfehlen die Experten, diese Quote vorerst recht ausgiebig zu gestalten, und auch die Einzelexcedenten, wenn nur irgendwie störend, alle abzustossen. Es sei zu diesem Zwecke ein Ansatz von 70 % für die allgemeine Quote und von 30-90 % für die Einzelexcedenten in Vorschlag und Rechnung genommen. In diesem Falle bleibt die Anstalt noch mit Resten von 30 % beziehungsweise 70—10 % als Direktversicherin an Schaden und Beständen interessiert und profitiert prämientechnisch einerseits mit der Vollprämie des noch verbliebenen Direktgeschäftes, anderseits mit der Differenz zwischen Direktprämie und Rückversicherungskosten in der Rückdeckung.

Einige Musterbeispiele sollen dieses System etwas näher erläutern. Ein erster Fall: Das Gewerberisiko der Fabrik von Mühleholz-Vaduz mit schätzungsweise Fr. 500,000 sei für sich mit 80 abgedeckt und unterstehe im übrigen der ordentlichen Quotenrückdeckung von 70 %. Im Falle eines Brandschadens von Fr. 200,000 — eine sicherlich beträchtliche Summe für einen Einzelfall, der hier zum Überfluss noch mit „Sprinkler" gesichert ist! — gehen vorerst 80 % mit Fr. 160,000 als Einzelexcedent an den Rückversicherer über; der Rest mit Fr. 40,000 fällt in das ordentliche Jahresgeschäft, das davon weitere 70 % mit 28,000 Franken entlastet. Damit verbleiben für den Direktversicherer vom Gesamtschaden mit Fr. 200,000 schliesslich noch blosse Fr. 12,000, die sich als einziges rechnerisches Risiko der Anstalt darstellen! Ein zweiter Fall: Das Summenrisiko der Kirche von Ruggell (zirka Fr. 300,000) sei mit 50 % Spezialdeckung versehen. Bei einem Dachstuhlbrand (Blitzschlag!) von Fr. 50,000 — eine höchst unwahrscheinliche Schadensgrösse! — gehen somit vorerst Fr. 25,000 in Einzeldeckung und vom Rest weitere 70 % mit Fr. 17,500 in Quotendeckung ab; der Anstalt verbleibt noch ein Rest von Fr. 7500, das ist 15 % des Gesamtschadens! Ein letzter Fall: Der Ortsbrand von 1913 in Triesen wiederhole sich, entsprechend der jetzigen Bauwerterhöhung aber mit rund Fr. 200,000. Es ist, um das hier einzufügen, beabsichtigt, in der Einzelrückversicherung auch die meist gefährdeten Ortschaftsrisiken, nach Situationsplan und Auslese, zu berücksichtigen. Erfolgt dies hier nur mit durchschnittlich 40 %, so ergeben sich folgende Erleichterungen: 40 % von 200,000 Franken gehen mit Fr. 80,000 als Spitzenköpfung ab, ebenso vom Rest (Fr. 120,000) weitere 70 % mit Fr. 96,000, so dass der Anstalt schliesslich von dem gesamten befürchteten Grossbrand — ein Ereignis von durchschnittlich Dezennien! — noch bare Fr. 36,000 als Eigenrisiko auflasten. Das kann sie aushalten!

Es ist klar, dass auf diese Weise die Tragfähigkeit des Anstaltsbudgets an Brandschäden in ungeahnter Weise zunimmt. An anderer Stelle (Ziffer 5) findet sich ein passender, zahlenmässiger Ausdruck dafür. Den Preis für diese erhöhte Sicherheit bildet nun die Rückversicherungsprämie, die von der Anstalt aus ihren Prämienbeständen auszuscheiden und an den Rückversicherer abzuführen ist. Über die Höhe derselben, in Promille wie Franken, bestimmen einerseits der Rückversicherungsvertrag und anderseits der jeweilige Rückversicherungsbestand, beurteilt an einer mehrjährigen Brandstatistik, zu der dann der Rückversicherer noch die nötigen Zuschläge für Verwaltungs- und Reservekosten zu machen pflegt. Zu Budgetzwecken haben wir, der Schadensvermutung von 1 %o folgend (vergleiche Ziffer 2), einen Satz von 1,20 %o in der allgemeinen Quotendeckung und einen solchen von 2,00 %o für die Einzelexcedenten (Durchschnitt) angenommen. Letzteres in der besonderen Voraussetzung, dass neben besonderen Gefahren- (Gewerbe- und Ortschafts-) Risiken auch sogenannte blosse Summenrisiken, bei sonst durchaus normaler Feuersgefährde, zur bessern Vertragsregelung in die Rückdeckung gegeben werden. Unter dieser Bedingung dürften die beiden Ansätze allseits genügen. Im übrigen sei schon hier bemerkt, dass eine Rückversicherung ein Vertragsverhältnis auf zwei Seiten bedeutet, wobei die Anstalt zur Hauptsache nicht den gebenden, sondern den nehmenden, vom Risiko-Standpunkte aus immer den gewinnenden Teil darstellt! Das muss auch hier bezahlt werden!

Als Träger der Rückversicherung kommt, nachdem eine Konkurrenz unter den Privatorganisationen aus grundsätzlichen Gründen, schon aus der Tendenz des Revisionswerkes heraus kaum beabsichtigt sein dürfte, nur ein Rückversicherungsinstitut gemeinnützigen oder öffentlichen Charakters in Frage. Es sei hier als solche hingewiesen auf den „Rückversicherungsverband kantonal-schweizerischer Feuerversicherungsanstalten" in Bern, die „Deutschland", das Rückversicherungsinstitut der deutschen Feuersozietäten (Provinzialkassen) in Berlin u. a. m. Die Möglichkeit, mit einem dieser Rückversicherer einen Rückversicherungsvertrag in dem von der Expertise geforderten System abzuschliessen, ist nun von den Experten ebenfalls, und zwar mit Erfolg, überprüft worden. Es genügt hier, zu bemerken, dass die bezüglichen, von der hohen Landesregierung gewünschten Sondierungen bereits zu einem durchaus positiven Resultate führten, mit der Gewissheit für die dortigen verantwortlichen Instanzen, dass dem neuen Institute jedenfalls nach dieser Richtung nicht die geringsten Schwierigkeiten erwachsen werden. Im Wege des Vertragsabschlusses mit diesem oder jenem Rückversicherer sind dann alle nähern Details des neuen Verpflichtungsverhältnisses (Deckungssystem, Prämiensatz, Zahlungsverkehr, Vertragsdauer, Schiedsgericht etc.) festzulegen. Es sei fürs Erste — worauf die Expertise besonderes Gewicht legt — eine Bindung auf mindestens fünf, wenn nicht besser zehn Jahre in Aussicht genommen und zwar auf Grundlage einer festen, nicht variablen Prämie. Dem Rückversicherer ist auf jeden Fall ein sorgfältig ausgewähltes Verzeichnis der meistbelastenden Einzelrisiken samt zudienenden Beschrieben zur Verfügung zu halten.

5. Die finanziellen Garantien.

Wir haben im Nachstehenden noch einige Fragen finanzieller Natur zu beantworten. So einmal: Wie stellt sich wohl unter den gegebenen Verhältnissen das Betriebsbudget eines Normaljahres für die neue Anstalt? Welches ist deren äusserste Tragfähigkeit an Brandschäden, mit und ohne Rückversicherung? Welche Mittel können alljährlich zur Äufnung der Reserven bereitgestellt werden und was ist eventuell zur weitern finanziellen Sicherstellung der Anstaltskasse schon heute zu organisieren?

a) Betriebsrechnung.

Bestimmend für den Betriebsausfall jedes Jahres sind Brandschaden, Prämie, Verwaltungskosten und allfällige Nebeneinnahmen (Fondszinsen, Gebühren usw.) sowie, als Unterlage des Gesamten, die Höhe des jeweiligen Versicherungsbestandes. Letzterer wurde (unter Ziffer 1) mit rund Fr. 40 Millionen veranschlagt, ferner die zu erwartende Brandfrequenz mit 1,00 %o des genannten Bestandes (Ziffer 2) und das Prämienaliment mit 1,80 %o desselben (Ziffer 3). An Verwaltungskosten fallen sodann solche für das künftige Schatzungswesen (Taggelder), für den Prämieneinzug (Provision) und für die Besorgung der eigentlichen Verwaltungsgeschäfte (Besoldungen, Unkosten) in Betracht. Bezüglich der Fondszinsen im besondern geht, wie unter lit. c nachstehend noch näher ausgeführt wird, die Rechnung von dem Vorhandensein eines Garantiefonds, beziehungsweise einer Garantieerklärung von mindestens Fr. 200‘000 aus, dessen Zinsen (zu 5 %), schon für das erste Betriebsjahr zu gute zu schreiben sind. So ergibt sich folgendes

 

Normalbudget.

A. Einnahmen.

 

 

1. Prämienerträgnis (1,80 °/oo von Fr. 40 Mill. Versicherungskapital)

Fr. 72‘000.-

 

2. Zinsen des Garantiefonds (5 % von Fr. 200,000)

Fr. 10‘000.-

Fr. 82‘000.-

 

B. Ausgaben.

 

 

1. Brandentschädigungen (1,00 %o auf Fr. 40 Mill. Versicherungskapital

Fr. 40‘000.-

 

Fr. 40,000.-

 

 

2. Betriebskosten:

 

 

a) Verwaltungs- und Unkosten Fr. 5,000.-

 

 

b) Schatzungskosten (Jahresrevision) Fr. 1,800.-

 

 

c) Prämieneinzug (3 % Provision) Fr. 2,200.-

Fr. 9‘000.-

Fr. 49‘000.-


Es verbleibt somit ein voraussichtlicher Betriebsüberschuss im normalen Schadensjahr von Fr. 33,000.—

b) Tragfähigkeit.

Zur Tragung von Brandschäden stehen somit im Falle des obigen Normalbudgets, seine überschiessenden Mittel mitinbegriffen, insgesamt Fr. 73,000 zur Verfügung. Das ist rund 1 ¾ %o, oder das rund zweifache des budgetierten und das vierfache des Schadensdurchschnittes im letzten Dezennium. Durch blosse Einsparung von Verwaltungskosten — wir denken an eine vorläufig ehrenamtliche Besorgung der gesamten Anstaltsgeschäfte — kann diese Haftpflichtsumme noch um weitere Fr. 2—4000 erhöht werden. Mit Zuhilfenahme der Rückversicherung indes und dank deren Intervention im Falle des Grossbrandes hebt sich diese Tragfähigkeit erst recht wesentlich, was das folgende

Rückversicherungsbudget

ausweist: 

 

A. Einnahmen

B. Ausgaben

1. Prämienerträgnis wie oben

Fr. 72‘000.-

 

2. Fondszinsen wie oben

Fr. 10‘000.-

 

3. Betriebskosten wie oben

 

Fr. 9‘000.-

4. Rückversicherungskosten (nach folgender approximativer Schätzung: Fr. 10 Mill. in zirka 60 % Einzeldeckung à 2,00 °/oo und der Rest mit Fr. 34 Mill. zu 70 % Quote à 1,20 %o) zusammen rund

 

Fr. 40‘000.-

5. Brandschaden: Er sei angenommen mit

 

Fr. 170‘000.-

6. Rückvergütungen auf diesem Brandschaden (mit durchschnittlich 80 % als Mittel zwischen günstigstem und ungünstigem Fall angenommen)

Fr. 136‘000.-

 

Rechnungsausgleich

Fr. 218‘000.—

Fr. 219‘000.-


Mit Zuhilfenahme der Rückversicherung erhöht sich somit die Tragfähigkeit des Normalbudgets an Brandschäden von bloss Fr. 73‘000 bis 75‘000 auf Fr. 170‘000, das ist das Zweieinhalbfache des frühern Ansatzes.
170,000 Franken aber bedeuten dem Versicherungsbestand von Fr. 40 Millionen gegenüber eine Deckung von 4 %o oder das Zehnfache des im Jahrzehnt 1923/1914 wirklich festgestellten Iahresbrandschadens! Mit einem blossen Prämienzuschlag von 20 Rappen, zwei Jahre lang beziehbar, oder einem gleichwertigen Zuschuss von rund Fr. 16,000 aus den einmal vorhandenen Reservemitteln kann überdies dieses Schadensausmass in der obigen Rechnung noch um weitere Fr. 65,000, also auf über Fr. 235,000 (= rund 6 %o!) erhöht werden.

Im Falle einer Schadensexcedenten-Rückversicherung müsste sich dieses Bild noch günstiger gestalten! Für das hier vorliegende Quotensystem indes ist noch zu bemerken, dass sich dieses Ergebnis (bezüglich Höchstbrandschaden) zum Teil noch nach unten wie nach oben verschieben kann, je nachdem der Brandschaden auf hoch-, mittel- oder schlechtgedeckten Risiken eintrifft oder gar lediglich eine Häufung vieler Kleinschäden darstellt. Aber auch bei bloss 1,00 %o Brandschaden, der Ziffer des Normalbudgets, lässt die Rückversicherung — deren Intervention hier nicht notwendig wird, deren Prämie aber weiterläuft — noch einen Überschuss von Fr. 20‘000 bis 25‘000 frei.

e ) Reserven.

Als Neugründung entbehrt die Anstalt schon zu Betriebsbeginn eines passenden Reservefonds, der erst sukzessive aus den Überschüssen der einzelnen Betriebsjahre zu äufnen wäre. Die Garantie der Anstaltsleistung liegt diesfalls ausschliesslich im Prämienertrag und vor allem in der Rückversicherung. Um indes diese beiden Faktoren nicht zu überlasten, empfehlen die Experten gleichzeitig die Schaffung eines sogenannten „Garantiefonds", der bis zum Erscheinen des eigentlichen Reservefonds dessen Funktionen zu übernehmen hätte. Es genügt allerdings hiefür auch eine blosse Garantieerklärung, zum Beispiel seitens der Landeskasse, ohne effektive Bereitstellung der erforderlichen Kapitalbeträge, auf so lange, als eine günstige Brandschadensentwicklung die Anstalt, was zu erwarten ist, mit ihrem Normalbudget auskommen lässt. Auf jeden Fall aber erscheint es als geboten, wenigstens die Zinsen eines solchen „Fonds" der jährlichen Gewinn- und Verlustrechnung der Anstalt zuzuführen. Hinsichtlich der zu wählenden Höhe dieser Garantiemittel sei darauf hingewiesen, dass der Schweizerkanton Graubünden 1912 eine solche in der Höhe von Fr. 2 Millionen auf den Eintrittsbestand von rund Fr. 400 Millionen bei seiner neuen Anstalt statuierte, also von 5 %o, ein Satz, den wir auch für das kleinere, noch weniger ausgeglichene liechtensteinische Risiko eher über- als unterschritten wissen möchten. Unsere Annahme geht vorläufig auf Fr. 200,000, die obigen 5 %o, denen gegenüber allein der Grossbrand von Vaduz seinerzeit seine 8 %o erforderte!

An effektiven Reserven oder Faktoren, die dieser Wirkung gleichkommen, seien hier übersichtlich noch einmal zusammengestellt: Die jährlichen Rechnungsüberschüsse; die Zinsen eines Garantie- beziehungsweise Reservefonds; die Möglichkeit weiterer Kosteneinsparungen beziehungsweise deren teilweise Deckung durch die Landeskasse, zumal für den Einführungsfall; die Schaffung weiterer kleinerer Einnahmen, zum Beispiel im Gebührenwege (Schätzungen); die Schadens- Differenz zwischen Budget (1,00 %o) und Wirklichkeit (0,50—0,45 %o) und anderes mehr. Für den Fall des Katastrophalbrandes treten hinzu die Wirkung der Rückversicherung, die Kompetenz zu allfälligen Prämiennachbezügen und die Bereitstellung ausreichender Kapitalreserven, diese Aufzählung zugleich im Sinne einer „Priorität" ihrer Inanspruchnahme ausgesprochen. Wir nehmen indes auch hier wiederum Anlass, zu betonen, dass die beste Reservierung, zumal für ein öffentliches Institut auf Gegenseitigkeit seiner Mittel und seiner gemeinwirtschaftlichen Aufgabe Rechnung tragend, von jeher ein richtiger und gut ausgebauter Feuerschutz war und ist, mit der Verhinderung und Verminderung des Schadensfalles selbst, zu welchem Zwecke und Ziele auch der neuen Landes-Institution kein Aufwand und keine Anstrengung zu gross sein darf!

III. Der Gesetzes-Entwurf.

Die Experten haben, über die Begutachtung der versicherungstechnischen Verhältnisse hinaus, noch den Auftrag erhalten, ihre Feststellungen gleichzeitig in Form eines festen Vorentwurfes für das zu schaffende Organisationsinstitut der neuen Anstalt niederzulegen. Das ist erfolgt; es sei auf die betreffende Beilage hingewiesen. Zur Erklärung derselben mögen, soweit dies nach den vorstehenden, einlässlichen Ausführungen noch notwendig erscheint, folgende Begleitbemerkungen dienen:

Der Entwurf basiert auf der Voraussetzung von Obligatorium, Monopol und Gegenseitigkeit der blossen Gebäudeversicherung und ist bestrebt, in Zusammenfassung von Organisationsstatut und Versicherungsbedingung zu einem einzigen Erlass (30 §§), ein möglichst einfaches, auch in der breiten Volksmasse jederzeit verständliches Versicherungsverfahren zu schaffen. Die neue Anstalt soll, was ihr ohne Zweifel am zuträglichsten sein wird, des raschesten im Volke Fuss fassen, sie soll deutlich seine Kasse werden und auch im Rahmen der Landesverwaltung möglichste Bewegungsfreiheit und Selbständigkeit geniessen (eigene Rechtspersönlichkeit; Art. 24, Ziffer 4, Steuergesetz usw.)! Entsprechend der verfassungsrechtlichen Stellung des Erlasses erscheint derselbe in der Form des Gesetzes, führt aber bereits eine Reihe von Verordnungs- und Ausführungsvorschriften mit, dergestalt, dass sich der künftige Vollzug zur Hauptsache auf den blossen Instruktionsweg beschränken kann. Die baldige Zurverfügungstellung eines versicherungstechnisch eingeführten Organs ist schon aus diesem Grunde sehr angezeigt, als künftiger Leiter dieser Anstalt, dem ohne Schaden auch etwas kaufmännischer Geist einzuhauchen ist. Dem Mitspracherecht der Versicherten selbst, sowohl bei der Ein- und Abschätzung samt Klassifikation als auch — durch das Mittel des Landtages beziehungsweise des Gesetzesreferendums — bei der Verwaltung und Kontrolle der Anstalt ist weitgehendster Spielraum belassen worden. Die Organisation der drei bestimmenden Grössen: Schatzung, Abschatzung und Prämie basiert auf den im vorstehenden Gutachten gewonnenen technischen Ergebnissen und lässt schon heute zahlreiche Anpassungsmöglichkeiten an später auftretende neue Bedürfnisse offen.

Bezüglich aller weitern Einzelheiten muss auf den eventuellen mündlichen Vortrag hingewiesen werden. Dasselbe gilt auch für die Beantwortung aller jener Einwände, Einwürfe, Bedenken, Befürchtungen, Zweifel, Missverständnisse usw. usw., wie sie sich bei solchen Vorgängen jeweils erfahrungsgemäss an die Entstehung eines Institutes knüpfen. Es sei hier lediglich noch darauf hingewiesen, dass sich bei Schaffung einer Gebäudeanstalt auch die Prüfung der Frage empfiehlt, ob nicht gleichzeitig auch ein Obligatorium für die Mobiliar- und Fahrhabeversicherung zu statuieren sei, dessen Kontrolle dann, bei Privatbetrieb, gerade der neuen Gebäudeanstalt zu übertragen wäre.

Einer besondern Schwierigkeit, neben der rechtzeitigen Bereitstellung der nötigen finanziellen Garantien, sei hier noch speziell gedacht: Der rechtzeitigen, reibungslosen Auflösung der bisherigen und zum Grossteil noch über ein Jahrfünft laufenden, privaten Vertragsverhältnisse und, daran anschliessend, der Aufhebung der bisherigen Gemeindebrandkassen. Da auch die liechtensteinische Verfassung die deutliche Eigentumsgarantie ausspricht, so ist zum vornherein darauf Bedacht zu nehmen, dass für den Betriebsbeginn der Anstalt, als Termin dieser Auflösungen, keine allzu kurzen Fristen angesetzt werden, was sich auch schon aus technischen Gründen empfiehlt (Liquidation des Altgeschäftes, Einführungsarbeiten usw.). Speziell der Durchführung der ersten allgemeinen Schatzungsrevision soll eine ausreichende Frist und Zeitspanne vorbehalten werden, da sie die Grundlage alles Spätern zu werden hat. In jedem andern Falle sind, hier wie dort, rechtliche und technische Schwierigkeiten unausbleiblich, auch bei aller Würdigung der Vorzugsstellung, die hier im Gegensatz beispielsweise zu gleichen schweizerischen Verhältnissen, dem liechtensteinischen Landtag beziehungsweise seinem Souverän zukommt. In diesem Sinne legt der Entwurf die Festsetzung des Betriebsbeginnes — es ist an den 1. Juli 1925 gedacht — in den Beschluss des Landtages.

Dem beiliegenden Entwurf kommt einzig die Bedeutung zu, nach der finanziellen und namentlich technischen Seite der darin angezogenen Fragen hin, orientierend wirken zu wollen. Nach der rechtlichen Seite hin, speziell was seine Eingliederung in die bestehenden Kodifikationen des Landes anbetrifft, bildet er lediglich Ratschlag, Unterlage und Anleitung; das Übrige ist von landeskundiger Hand dazu zu tun.

In Erledigung des ihnen gestellten Auftrages haben die Experten im Vorstehenden versucht, der hohen Landesregierung von Liechtenstein als Auftraggeberin ein zuverlässiges Bild der technischen Verhältnisse für einen der wichtigsten Zweige der dortigen Volkswirtschaft, der Gebäude-Feuerversicherung, zu geben. Der Weg dazu war, angesichts der zur Verfügung stehenden, vielfach unzulänglichen Unterlagen, nicht ganz ohne Schwierigkeiten zu gehen; auch ausserordentliche Verhältnisse, wie der Währungszerfall, die Verschiebung aller Preis- und Wertverhältnisse und dergleichen, gerade in der massgebenden Beobachtungsperiode, spielten dabei mit. Die Grösse des gestellten Auftrages selbst hat ebenfalls seine etwas verzögerte Erledigung mitverursacht. Hier ist vor allem darauf hinzuweisen, dass, trotz der Kleinheit des zu beurteilenden Risikos und des ihm zur Verfügung stehenden Gebietes, oder besser gesagt: Gerade darum, alle einzelnen versicherungstechnischen Notwendigkeiten überprüft und in aller Sorgfalt und Einlässlichkeit bewertet werden mussten, sollten Überraschungen und Enttäuschungen für später endgültig ausgeschaltet sein.

Als wichtigstes Ergebnis der angestellten Untersuchungen sei hier nochmals daran erinnert, was deutlich als jederzeitige, unwandelbare Voraussetzung für ein zu gründendes, eigenes Feuerversicherungsinstitut für Liechtenstein zu gelten hat: Eine ständige, in allen Teilen gut ausgebaute Rückversicherung, sowie die rechtzeitige Bereitstellung ausreichender, eigener Garantiemittel! Dies vorausgesetzt, können wir dem neuen Institut seine Lebensfähigkeit nicht bestreiten, im Gegensatz zum ehemaligen Gutachten [Rudolf] Landtvom Jahre 1904, das allzu sehr von privatgesellschaftlichen Vorstellungen beherrscht und auch dem zu beurteilenden Risiko nie wirklich näher getreten ist. Opfer werden allerdings für die Jugendzeit des neuen Institutes seinem Schöpfer auch hier nicht erspart bleiben; Erfolg und Gewinn erblühen eben in jeder Schadensversicherung erst nach völliger Konsolidation eines Institutes, dessen Entwicklung hier zudem von Natur aus dauernd mit bleibenden Schwierigkeiten und ausnahmsweisen Hemmnissen zu rechnen haben wird.

Die Bestrebungen der liechtensteinischen Regierung auf Schaffung einer eigenen Gebäude-Brandversicherungsanstalt sind hervorgegangen aus der vorbildlichen Sorge um die Erhaltung und Stärkung der wirtschaftlichen, weil auch politischen Selbständigkeit ihrer Landesangehörigen. Den zuständigen Stellen kann wenigstens das eine Recht nicht verwehrt werden: Ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten, bei Zustimmung und Billigung des Souveräns, nach eigenem Ermessen und in Freiheit in Ordnung zu bringen, auch auf versicherungspolitischem Gebiete! Betritt sie dabei, wie vorliegend, technisch und finanziell einwandfreie Wege, so ist ihr auch von Seiten des Fachmanns kein Vorwurf zu machen.

Es zeichnen mit der Versicherung ihrer vollkommenen Hochachtung

Luzern/St. Gallen, den 15. August 1924.

Die Experten:

gez. Dr. B. Helfenstein,

gez. Eggenberger.

 

 

Tabelle l.

Fürstentum Liechtenstein.

Die Entwicklung des Feuerversicherungsgeschäftes aus Gebäude und Mobiliar in den 20 Jahren 1904-1923.

Jahr

Prämien­eingänge

Ertrag
in %

Versiche­rungs-Be­stände in Mio.

Brandschäden

In­tensi­tät

Bemerkungen

 

In Kronen

 

 

 

 

 

1904

25.000.-

1’85 §

13,5

8’630.-

0,639

 

1905

30’000. -

1’86

16,1

5’100.-

0,316

 

1906

35’000. -

1’86

18,8

7’000.-

0,372

 

1907

40’497.50

1’87

21,6

175’000.-

8,110

1907: Grossbrand in Vaduz
(Kr. 175’000 = 8,110 %o)

1908

50’423.50

1’87

26,9

49’500.-

1,840

1909

50’247.50

1’88

26,7

26’440.-

0,991

 

1910

52’655.50

1’88

28,0

17’020.-

0,607

 

1911

54’003.50

1’89

28,5

83’900.-

2,994

 

1912

55’095.50

1’89

29,1

12’280.-

0,422

 

1913

56’799.-

1’90

29,9

121’938.-

4,078

1913: Grossbrand in Triesen (Kr.113,938 = 3,811 %o)

1914

63’761.-

1’90

33,5

18’212.-

0,543

1915

78’205.50

1’91

40,9

18’050.-

0,441

1916

86’335.50

1’91

45,2

26’100.-

0,577

 

1917

73’263.26

1’92

38,2

16’300.-

0,427

 

1918

80’000.-

1’92

41,6

-

0,000

 

1919

172’684.-*

1’93 §

(40,0 )†

7’500.-

0,187

 

 

In Franken

 

 

 

 

 

1920

78’527.57 *

1’93

40,7

16’749.-

0,411

 

1921

120’141.50 *

1’94

(40,0 ) †

16’000.-

0,400

 

1922

(100’000 -) †

1’94

(40,0 ) †

47’000.-

1,175

1922: Grossbrand in Mauren (Fr. 34,000 = 0,850 %o)

1923

(90’000.-) †

1’95 §

(40,0) †

10’940.-

0,217

Im Gesamten
1904-1923 (20 Jahre) Schadensdurchschnitt 1,069 %o.
Ohne Gross-(Föhn-) Brände 0,617 %o.

Bemerkungen

* Überführung der Kronen in Frankenwerte und umgekehrt für die Übergangsjahre 1919—1921 zu Kursen von 1919/15,2%; 1920/2,8 % und 1921/irr. (0). Aufrechnung auf Grundlage folgender von der Regierungskanzlei übermittelten Originalzahlen:

1919: Fr. 14’508.50Kr. + 76’981.50 = Kronen 172’684.-
1920: Fr. 72’307.50 -+ Kr. 224’551.50 = Franken 78’527.57
1921: Fr. 120’141.50 + Kr. 5’690.- = Franken 120’141.50 (?)

Mit dem Jahre 1921 verschwinden alle Kronennotierungen.

† Supponierte Versicherungs- bezw. Prämienbestände auf Grund von Unterlagen, wie sie sich aus den Resultaten der regierungsamtlichen 1924er Enquete ergaben, die pro 1923/Ende einen Gesamtbestand von Fr. 37,5 Millionen oder zuzüglich einiger fehlender Objekte, von Fr. 40 Millionen feststellte. (Siehe Tabelle II.)

§ Eine amtliche Aufstellung vom Jahre 1993, die anlässlich des Gutachtens Landt aufgestellt wurde, verzeigte bei Kr. 12,9 Millionen Bestand und Kr. 23‘788.- Prämien einen Ertrag von 1,84 %o. Die Enquete von 1923/24 ergab ihrerseits 1,95 %o. Für die Zwischenzeit wurden Annäherungswerte erstellt, die den beiden Grossbränden von Vaduz und Triesen (1907/1913) und den dadurch bedingten (sukzessiven) Prämienerhöhungen Rechnung tragen.

 

Zur Übersicht:

Prämienüberschüsse:

1904—1919 (Kronenwährung):

Prämien Kr. 1’928’971.26

 

 

Schäden Kr.    592‘970.-

Kr. rund 436’000. -

1920—1923 (Frankenwährung):

Prämien Fr.    393’688.50

 

 

Schäden Fr.     90‘689.-

Fr. rund 303’000.-

 

 

 

Tabelle II.

Fürstentum Liechtenstein

Die Verteilung der Versicherungsbestände aus Gebäude und Mobiliar von 1923 und 1903 auf die politischen Gemeinden.

Gemeinden

 

Bestände von 1923

 

Zum Vergleich

 

Gebäude

Anteil

Mobiliar

Zusammen

Anteil

Bestände von 1903

 

Fr.

%

Fr.

Fr.

%

Kr.

%

Balzers

3’931’892

12,6

785’305

4’717’197

12,6

1’086’287

8,4

Triesen

3’279’902

10,5

384’661

3’664’563

9,8

1’424/794

11,0

Triesenberg

1’851’995

5,9

122’000

1’973’995

5,3

730’950

6,3

Vaduz

5’761’960

18,4

1’108’193

6’870’153

18,3

3’007’723

23,3

Schaan

5’994’215

19,2

2’179’139

8’173’354

21,8

1’763’821

13,6

Planken

360’052

1,2

123’590

483’642

1,3

99’185

0,8

Eschen

2‘732’556

8‘7

414’216

3’146‘772

8,4

1’493’828

11,6

Gamprin

1’385’373

4,4

119’740

1’505’113

4,0

640’144

4,9

Ruggell

1’493’576

4,8

295’088

1’788’664

4,8

812’031

6,1

Schellenberg

962’512

3,1

244’097

1’206’569

3,2

511’469

3,8

Mauren

3’524’141

11,3

415’723

3’939’864

10,5

1’345’467

10,2

 

31’278’174

100,0

6’191’712

37’469’886

100,0

12’915’699

100,0

 

Quellen: Amtliche Enqueten von 1924/April und von 1903 (Gutachten Landt).

 

 

Gesetzes-Entwurf für die Errichtung einer Landes-Brandversicherungsanstalt für das Fürstentum Liechtenstein.

§ 1

Errichtung, Zweck und Persönlichkeit

Für das Gebiet des Fürstentums Liechtenstein wird eine öffentliche Brandversicherungsanstalt mit Sitz in Vaduz gegründet.

Der Zweck dieser Anstalt ist die Durchführung der Gebäudebrandversicherung (§ 5).

Die Anstalt geniesst eigene Rechtspersönlichkeit.

§ 2

Verwaltung und Organisation

Die Leitung der Anstalt wird durch Organe der Landesverwaltung, in Verbindung mit der Landeskasse und unter Aufsicht der Regierung besorgt.

Das Nähere über die Aufgaben und die Entschädigungsweise der Verwaltungsorgane bestimmt der Landtag.

Alle Jahre ist über die wesentlichsten Geschäfts- und Rechnungsvorkommnisse an den Landtag, als Oberaufsichtsbehörde, Bericht zu erstatten.

§ 3

Obligatorium und Monopol

Der Brandversicherungsanstalt gehören alle im Gebiet des Fürstentums gelegenen Gebäulichkeiten an, die mindestens einen Schatzungswert von Fr. 500 aufweisen.

Die Vorschrift des § 20, Absatz 2 hienach bleibt vorbehalten.

Neu entstehende Bauten (Neu-, Aus- und Umbauten) können ebenfalls bei der Anstalt, zu besondern Bedingungen, versichert werden.

§ 4

Gegenseitigkeit

Die Zugehörigkeit der einzelnen Gebäude zur Brandversicherungsanstalt beruht auf Gegenseitigkeit, in dem Sinne, dass sich die jeweiligen Eigentümer derselben wechselseitig für den Brandfall die Schadloshaltung garantieren.

Zur Erreichung dieses Zweckes sind sämtliche Vermögensmittel der Anstalt (Prämien, Reserven usw.) von Gesetzes wegen zweckgebunden.

§ 5

Ersatzpflicht

Die Brandversicherungsanstalt vergütet den Schaden an den bei ihr versicherten Gebäuden, wenn derselbe entstanden ist:

a) Durch Brand;
b) durch Blitzschlag, mit oder ohne Entzündung;
c) durch Rettungs- und Löschvorkehren.

Explosionsschäden werden nur bei besonderer Vereinbarung und Prämie mitentschädigt.

Schäden zufolge Krieg, Erdbeben und ähnlichen ausserordentlichen Ereignissen sind von jeder Entschädigungsleistung durch die Anstalt ausgeschlossen.

§ 6

Haftung für mittelbare Folgen

Die Anstalt haftet nur für den materiellen Schaden am Gebäude, der in der Zerstörung  und Beschädigung desselben besteht.

Schädigungen mittelbarer Art, wie Räumungskosten, Sicherungsvorkehren, Liegenschaftsschäden und dergleichen sind von der ordentlichen Entschädigung ausgeschlossen, können indes gegen besondere Versicherung und Prämie mitentschädigt werden.

Alle übrigen mittelbaren Brandfolgen, wie Betriebs- und Mietverluste, Änderung der Baulinie und ähnliche sind nicht entschädigungsberechtigt.

§ 7

Gebäudeschatzung

Zwecks Feststellung der Brandversicherung eines Gebäudes wird dasselbe einer amtlichen Einschätzung unterworfen.

Als Schatzungswert gilt der ortsübliche Bauwert (Baukosten) eines Gebäudes, abzüglich der seit der Erbauung bereits eingetretenen baulichen Wertverminderung (Alter, Abnützung, schlechter Unterhalt, falsche Bauweise und ähnliche).

Für den Brandfall bleiben indes die Bestimmungen des § 22 hienach vorbehalten.

§ 8

Versicherungssumme

Jedes Gebäude wird zu seinem vollen Schatzungswerte in die Versicherung aufgenommen.

Die Versicherung umfasst auch alle jene niet- und nagelfesten Gegenstände, die als  Zubehören zum gewohnten ortsüblichen Ausbau eines Gebäudes gehören.

Im Vollzugswege ist diese Vorschrift noch näher auszuführen.

§ 9

Einschätzungs-Organe

Die Einschätzung der Gebäude erfolgt durch eine besondere amtliche Schatzungskommission.

Die Kommission besteht aus einem Vertreter der Brandversicherungsanstalt als Obmann, einem beeidigten, vom Landtag zu bezeichnenden Baufachmann und dem Gemeindevorsteher des jeweiligen Schatzungsortes.

Es ist allseits zugleich für die nötige Stellvertretung (Ersatzmänner) zu sorgen.

Für den Rekursfall ernennt der Landtag eine besondere dreigliedrige Rekurskommission.

§ 10

Schatzungswesen

Begehren um Gebäudeeinschätzungen können jederzeit, sowohl seitens des Gebäudeeigentümers, wie der Schatzungskommission und der Anstaltsverwaltung gestellt werden.

Schätzungen, deren Durchführung sofort zu erfolgen hat, fallen zu Lasten des Gesuchstellers.

Die Verwaltung der Anstalt ordnet im übrigen jedes Jahr eine einmalige kostenlose Revisionsschatzung an, wofür die Begehren in den Gemeinden rechtzeitig zu sammeln sind.

§ 11

Verurkundung, Rekursrecht

Die Schatzungskommission nimmt von jeder Einschätzung ein Protokoll auf, das von allen Mitgliedern auf seine Richtigkeit zu unterzeichnen ist.

Das Nähere über die Einschätzungsweise, wie auch über die Protokollierung und Registrierung ist im Instruktionswege festzulegen.

Vom Ergebnis der Schatzung ist dem Gebäudeeigentümer schriftliche Mitteilung zu machen. Innert 10 Tagen vom Erhalte dieser Schatzungsanzeige an kann er die nochmalige Einschätzung durch die Rekurskommission (§ 9) verlangen, deren Befund dann endgültig ist.

 

 

§ 12

Wirksamkeit

Die Schatzungen treten mit dem Eintreffen der Schatzungsanzeige beim Versicherten in Kraft.

Mit dem Inkrafttreten beginnt auch die Haftpflicht der Anstalt und die Prämienpflicht des Gebäudes.

In Rekursfällen beginnt die Wirksamkeit der Schätzung erst nach erfolgter Durchführung der Rekursschatzung.

§ 13

Prämie

Zur Bestreitung ihrer Auslagen erhebt die Brandversicherungsanstalt jährliche Prämienbeiträge.

Zu diesem Behufe werden die einzelnen Gebäude, je nach der Grösse ihrer Feuersgefahr, in verschiedene Klassen eingeteilt, wobei nach Massgabe der §§ 14—16 nachstehend zu verfahren ist.

Die Klassifikation und Beitragsfestsetzung der Gebäude erfolgt durch die Schatzungskommission gelegentlich der Einschätzung, diejenige der VII. Klasse direkt durch die Verwaltung der Anstalt.

§ 14

Klassifikation:

a) Bauart und Bedachung

Nach Bauart und Bedachung werden die Gebäude in folgende Beitragsklassen eingereiht:

 

Prämie: %o

I. Klasse:

 

Gebäude von massiver Bauart (Stein, Mauerwerk u. a.) unter harter Bedachung (Ziegel, Metall u. ä.)

Fr. 0.80

II. Klasse:

 

Gebäude von vorwiegend massiver Bauart unter harter Bedachung

Fr. 1.—

III. Klasse:

 

Gebäude von vorwiegend hölzerner Bauart (Fachwerk, Riegel u. ä.) unter harter Bedachung

Fr. 1.30

  

IV. Klasse:

 

  

Gebäude von ausschliesslich hölzerner Bauart unter harter Bedachung

Fr. 1.60

  

V. Klasse:

 

  

Gebäude von gänzlich oder vorwiegend massiver Bauart unter weicher Bedachung (Schindeln, Holz u. ä.)

Fr. 2.—

  

VI. Klasse:

 

  

Gebäude von vorwiegend oder gänzlich hölzerner Bauart unter weicher Bedachung

Fr. 2.50

  

von je Fr. 1000 Einschätzungssumme gerechnet.

 

   

 

§ 15

b) Nachbarschaft

Gebäude in weniger als 20 Meter Entfernung

von jeder Nachbarbaute erleiden zu

den Ansätzen des § 14 noch einen Zuschlag:
a) Bei harter Bedachung von 30 %;
b) bei weicher Bedachung von 60 %.

Gebäude unter Weichdach in einer Entfernung von 20—40 Meter von Nachbarbauten erhalten einen Zuschlag von 40 %.

Die übrigen Nachbarschaftsbauten sind zuschlagsfrei.

Gemischte Dächer (weiche und harte Bedachung) gelten für die Dauer dieses Zustandes als weiche Dächer.

§ 16

Gefahrerhöhung

Gebäude, die zufolge ihrer Benützungsweise oder unmittelbarer Nachbarschaft von solchen, auch zufolge ganz exponierter Lage und ähnlicher Gründe eine wesentlich erhöhte Feuersgefährde aufweisen, werden einer besondern, der VII. Klasse zugewiesen.

Die Prämienfestsetzung der VII. Klasse erfolgt von Fall zu Fall; sie darf indes das Mass gleicher oder ähnlicher Sätze der Privatversicherung, beziehungsweise der vormaligen Gemeindebrandkassen nicht überschreiten.

§ 17

Rabatte

Der Landtag ist befugt, im Beschlusseswege auf den ihm gutscheinenden Zeitpunkt hin folgende Ermässigungen (Rabatte) auf der ordentlichen Prämie zu gewähren:

a) Für Ortschaftsgebäude im Schutzbereiche leistungsfähiger Hydrantenanlagen mit genügend Druckwasser und richtiger Bedienung einen Rabatt von 10—25 % der Prämie;

b) für Gebäude zu öffentlichen, kirchlichen und gemeinnützigen Zwecken einen Rabatt von 10—30 %.

§ 18

Einzug

Der Einzug der Prämien findet jedes Jahr im Januar für das laufende Rechnungs- und Betriebsjahr durch die Gemeindevorsteher statt.

Prämienpflichtig ist der im Zeitpunkte der Fälligkeit (1. Januar) im Grundbuch vorgemerkte Gebäudeeigentümer.

Beträge, die bis zum 1. Juli nicht eingehen, haben 5 % Verzugszins zu zahlen. Ausstände auf Jahresende sind im Exekutionswege einzuholen.

Hinsichtlich Vollstreckbarkeit und Pfandsicherung sind die Prämienforderungen der Anstalt den öffentlich-rechtlichen Geldleistungen im Sinne der Art. 121 ff. des Landesverwaltungsgesetzes gleichgestellt.

Die Stempelsteuer auf der Prämienquittung trägt vorläufig der Gebäudeeigentümer.

§ 19

Reservefonds

Rechnungsüberschüsse, die nicht zur Deckung der Ausgaben eines Betriebsjahres benötigt werden, sind einem besondern Fonds, dem Reservefonds, zuzuweisen.

Die Zinsen dieses Fonds sind alljährlich wiederum in die laufende Rechnung einzustellen.

Der Reservefonds steht im Eigentum der Anstalt und hat zur Aufgabe den Rechnungsausgleich jedes Jahres. Er ist in sichern Wertpapieren (Hypotheken, Staatspapiere und ähnliche) anzulegen.

Je nach Anwachsen dieses Fonds können die in §§ 14—16 genannten Ansätze, auf Beschluss des Landtages hin, herabgesetzt werden.

§ 20

Rückversicherung

Die Brandversicherungsanstalt wird eine ständige Rückversicherung, zumal der besonders gefährdeten und höchstversicherten Gebäude, unterhalten.

Gebäude, deren Rückversicherung sich entweder gar nicht oder nur mit finanzieller Beschwerde für die Anstalt bewerkstelligen lässt, können aus derselben ausgeschlossen werden.

Die Rückversicherungsverträge unterliegen ihrem ganzen Inhalte nach der regierungsamtlichen Genehmigung.

§ 21

Fehlbeträge

Sollten nach einem stattgehabten grössern Brandfalle, auch trotz der bestehenden Rückversicherung, die ordentlichen Jahreseinnahmen der Anstalt zur Deckung der Ausgaben nicht ausreichen, so kann von Landtage eine vorübergehende Erhöhung der Jahresprämie, in Form fester Zuschläge zu den in §§ 14 bis 16 genannten Ansätzen, verfügt werden.

Der Landtag ist überdies zur Aufnahme von Darlehen und Vorschüssen bei der Landeskasse für die Anstalt befugt.

Nach Erstarkung des Reservefonds sind allfällige Fehlbeträge ausschliesslich diesem zu entnehmen.

§ 22

Gewinnverbot

Die Brandentschädigung darf niemals zur Quelle des Gewinnes für den Versicherten werden. Es ist daher in jedem Falle nur der wirkliche Verlust zu entschädigen, bis zur Höhe der Versicherungssumme.

Bei Gebäuden, die vor dem Brande aus irgendeinem Grunde (zweckwidrige Benützung, schlechter Unterhalt, Naturereignisse oder Umbauten, Abbruch und anderes) bereits wesentlich an Schatzungswert verloren hatten, ist zur Schadensausmittlung von diesem herabgeminderten Wert auszugehen, der dann schätzungsweise neu festzulegen ist.

Wird das Brandobjekt gar nicht wieder aufgebaut, so ist zuerst zu untersuchen, ob kein geringerer Verkehrs- oder Ertragswert vorhanden ist. Trifft dies zu, so ist bloss dieser, nicht der Schatzungswert, zu entschädigen.

§ 23

Total- und Teilbrände

Erleidet ein Gebäude einen Totalbrand, derart, dass es nicht wieder instandgestellt werden kann, so gilt als Brandentschädigung die Schätzungssumme (§ 22), von der dann nur mehr der Wert allfälliger Brandüberreste in Abzug zu bringen ist.

Bei blossen Teilbränden, derart, dass ein Gebäude wieder hergestellt werden kann, ist die Brandentschädigung vorerst im Verhältnis der festzustellenden Beschädigung zum Gesamtwert des Gebäudes und dann seiner Schätzungssumme auszumitteln.

 

 

§ 24

Schadens-Ausmittlung

Die Schadensausmittlung erfolgt durch die Einschätzungskommission (§ 9). Sie besorgt auch die Erstellung des Abschätzungsprotokolls, das von jedem Mitglied unterschriftlich auf seine Richtigkeit zu bestätigen ist. Vom Ergebnis der Abschätzung erhält der Brandgeschädigte eine schriftliche Anzeige. Innert 19 Tagen vom Erhalt derselben kann er eine zweite Abschätzung durch die Rekurskommission (§ 9) verlangen, die dann endgültig entscheidet.

§ 25

Abzüge und Regressrecht

Wer sein Gebäude absichtlich in Brand steckt oder auch seine Rettungspflicht offensichtlich nicht erfüllt, geht des Rechtes seiner Brandentschädigung gänzlich verlustig.

Bei blosser Fahrlässigkeit beschränkt sich der Verlust der Entschädigung auf verhältnismässige Teile derselben.

Über das Mass dieser Abzüge entscheidet die Regierung nach Massgabe der strafgerichtlichen Untersuchung. Im Streitfalle urteilt darüber das Landgericht.

Bei Brandstiftung durch Drittpersonen erwirbt die Anstalt, durch Zahlung dem Brandgeschädigten gegenüber, ein Rückgriffsrecht auf das Vermögen des Brandstifters.

§ 26

Hypothekargarantie

Bei Brandfällen auf Gebäuden, die als Grundpfand dienen, haftet die Brandversicherungsanstalt für sämtliche liegenden Ansprachen, bis zum Betrage der Versicherungssumme.

Im Brandfalle geht daher der dingliche Anspruch des Hypothekargläubigers von Gesetzes wegen ohne weiteres auf die Brandentschädigung, beziehungsweise wiederum auf die aus ihr bestrittene Ersatzbaute über.

Diese Haftung besteht ausdrücklich auch für den Fall, dass der Gebäudeeigentümer seiner Entschädigung ganz oder zum Teil verlustig gehe (§ 25).

§ 27

Schadens-Auszahlung

Die Auszahlung der Brandentschädigung erfolgt sofort nach Abschluss der amtlichen Untersuchung über die Brandursache und gemäss dem Ergebnis derselben.

Die Auszahlung findet durch die Landeskasse an den Brandgeschädigten statt, dem die Entschädigungssumme je nach Fortschreiten der Wiederaufbaute auszufolgen ist.

Bei Nichtwiederaufbau grundbuchlich belasteter Gebäude ist die Entschädigung vorerst zu Gerichtshanden zu legen, zwecks vorgängiger Befriedigung der Hypothekaransprecher; im übrigen gehört die Entschädigungssumme dem Gebäudeeigentümer.

§ 28

Strafbestimmungen

Es ist verboten und wird im Übertretungsfalle mit Bussen von Fr. —.— bis —.— bestraft:

a) Jede anderweitige, also Doppelversicherung eines schon in die Brandversicherungsanstalt aufgenommenen Gebäudes;

b) absichtliche Verheimlichung einer ausserordentlichen Gefahrserhöhung des Gebäudes oder dessen Wertverminderung.

Die Vorschrift des § 25 vorstehend bleibt zudem für den Brandfall vorbehalten.

§ 29

Übergangsbestimmungen

Bis zur genügenden Äufnung des Reservefonds (§ 19) auf eine Mindesthöhe von Fr. 300‘000 ist auf Rechnung der Landeskasse ein vorläufiger Garantiefonds von Fr. 200‘000 zu schaffen, dessen Zinsen der jährlichen Betriebsrechnung zu gute zu halten sind.

Zur Einführung des vorstehenden Gesetzes sind sämtliche Gebäude einer allgemeinen Schatzungsrevision, erstmals auf Kosten der Landeskasse, zu unterwerfen, die längstens alle 15 Jahre, bei Gebäuden des § 16 längstens alle fünf Jahre zu wiederholen ist.

Mit Betriebsbeginn der öffentlichen Versicherungsanstalt fallen die bisherigen Verträge auf Gebäuden mit privaten Versicherungsgesellschaften, sowie die Versicherungen der Gemeindebrandkassen ohne Entschädigung dahin. Das Vermögen der letztern bleibt Gemeindeeigentum und ist für Zwecke der Feuerpolizei und der Feuerwehr zu verwenden.

§ 30

Schlussbestimmungen

Der Landtag bestimmt den Tag der Wirksamkeit dieses Gesetzes und des Betriebsbeginnes der Anstalt. Er erlässt auch die zum Vollzug nötigen, nähern Ausführungsvorschriften.

Mit der Durchführung wird die fürstliche Regierung beauftragt.

Durch dieses Gesetz kommt dasjenige vom 21. Januar 1909 betreffend die obligatorische Versicherung aller Gebäude gegen Brandschaden, sowie die übrigen entgegenstehenden Vorschriften in Wegfall.

______________

[1] LI LA LTA 1924/L9. 29 Seiten. Zur Sache: 1905 war die Errichtung einer (staatlichen) Landesbrandversicherung erstmals geprüft worden. Nach der Einholung eines Berichts des Wiener Versicherungstechnikers Rudolf Landt wurde der Vorschlag vom Landtag verworfen. 1909 wurde durch Gesetz die obligatorische Feuerversicherung eingeführt. 1923 wurde die Idee einer staatlichen Brandversicherung wieder aufgenommen. Der Landtag stimmte dem Regierungsentwurf am 14.11.1925 mit grosser Mehrheit zu, in der Folge ergriff aber die Fortschrittliche Bürgerpartei das Referendum. In der Volksabstimmung vom 7.2.1926 wurde das Gesetz aber mit Zweidrittel-Mehrheit verworfen.
[2] Gesetz vom 21. Januar 1909 betreffend die obligatorische Versicherung aller Gebäude gegen Brandschaden, LGBl. 1909, Nr. 3.
[3] Gesetz vom 26. Dezember 1906 betreffend die Beitragsleistung von Feuerversicherungs-Gesellschaften zu den Kosten der Feuerwehren und zur Unterstützung verunglückter Feuerwehrmänner, LGBl. 1907, Nr., 2, ausgegeben am 16.1.1907.
[4] Desaveu: Leugnung.