Die Liechtensteiner wehren sich gegen den "Örtlichen Betriebskostenzuschlag der ÖBB", den diese seit Kriegsende für Fahrten durch Liechtenstein erheben, weil sie einen Teil der Löhne in Franken auszahlen mussten


Eingesandt in der NZZ aus Liechtenstein, nicht gez. [1]

16.1.1925

Der Frankenzuschlag für die Durchreise Liechtensteins

Man schreibt uns aus Buchs

„In Ihrer geschätzten Zeitung rollen Sie die Frage des sogen. Frankenzuschlages für die Durchreise Liechtensteins auf. Der Umstand, dass die Ansicht landläufig zu sein scheint, dass die Regierung Liechtensteins diese Gelder einkassiere, bewegt mich, kurz auf die Angelegenheit zurückzukommen.

In den Jahren 1919/20 ist in Liechtenstein nach und nach der Schweizerfranken als Geldverkehrsmittel eingeführt worden, weil das bisherige Geld, die Kronennote, wegen des stets sinkenden Wertes in Liechtenstein einfach unmöglich wurde, um mit der Schweiz, auf die man angewiesen war, geschäftlich zu verkehren. Das Volk im Ländli hat sich nach und nach auf die Frankenwährung eingestellt. Nicht so die Eisenbahnangestellten auf der Strecke Schaan - Tisis. Diese wurden von ihrer vorgesetzten Behörde fortgesetzt mit den sehr entwerteten Kronennoten entlöhnt. Nun konnten aber diese Leute, die die Lebensmittel und alle andern Bedarfsartikel in Franken bezahlen musste, unmöglich mit den Kronen auskommen; sie gerieten in schwere Not (Das Einkommen eines Angestellten betrug damals etwa eine Million Kronen, oder, umgerechnet, 75 Schweizerfranken). Wegen Mangels an Schweizerfranken lehnte die Bundesbahndirektion Innsbruck die Auszahlung der Gehälter in Franken an die genannten Angestellten ab. Folge: Im Herbst 1920 dreitägiger Streik auf den gesamten Linien der österreichischen Bundesbahnen. Die Verhandlungen ergaben alsdann eine teilweise Frankenzahlung an die Eisenbahner in Liechtenstein. Von diesem Zeitpunkte an erhob die österreichische Bundesbahnverwaltung den sogenannten liechtensteinischen Grenzzuschlag, eine Massnahme, die eine gewisse Berechtigung hatte. Der Name des Zuschlages, wie auch die Höhe desselben änderten sich in den Jahren wiederholt.

Nicht zuletzt dürften die erneut gestellten Begehren um Aufhebung dieses Zuschlages, der Liechtenstein angekreidet wurde, zur heute gebräuchlichen Bezeichnung „Örtlicher Betriebskostenzuschlag der österreichischen Bundesbahnen“ geführt haben. Er beträgt für die Durchreise durch Liechtenstein: III. Klasse Schnellzug 2 Fr., Personenzug 1 Fr.; II. Klasse Schnellzug 4 Fr., Personenzug 2 Fr.; I. Klasse Schnellzug und Personenzug einheitlich 6 Fr., und zwar jeweilen für die einfache Fahrt. Für die Stationen Schaan und Nendeln wird jedoch die halbe Taxe erhoben.

Diese Zahlen lassen auf ganz bedeutende Einnahmen an Schweizerfranken schliessen, denn nur solche, und nicht etwa Kronen oder Schillinge, sind zu zahlen. Dem Reisenden erscheint dieser Zuschlag als „Rupfung“. Ein Billett Buchs - Feldkirch- Buchs II. Klasse Schnellzug kostete nicht weniger als 2 mal 80 Schilling plus 2 mal 4 Schweizerfranken gleich total 14 Franken. Dass darum die II. Klasse gemieden wird, ist klar; man begnügt sich mit der III. Klasse mit 7 Fr. Auslage. Die Fremden und der Sache unkundigen Reisenden berappen wohl die Grenztaxe; das gilt von der Grosszahl der Transitreisenden. Dass dieser Zuschlag grösstes Ärgernis bereitet und der Route einen schlimmen Namen einträgt, braucht nicht näher ausgeführt zu werden.

Ist nun dieser „Örtliche Betriebskostenzuschlag der österreichischen Bundesbahnen“ heute noch gerechtfertigt? Diese Frage zu beantworten muss dem Kenner aller Verhältnisse vorbehalten bleiben. Die Ausrichtung der Gehalte an die liechtensteinischen Eisenbahner in Schweizerfranken oder in liechtensteinischen Franken begegnet heute wohl keinen wesentlichen Schwierigkeiten mehr. Offenbar bildet dies heute auch nicht mehr den Grund für die Beibehaltung des Zuschlages. Die neu eingeführte, stabile Schillingwährung hat die Finanzlage etwas gebessert. Die österreichische Bundesbahnverwaltung dürfte aber aus diversen andern Gründen auf diese Schweizerfranken nicht verzichten wollen. (Man darf hier an die Zahlung an den Gemeinschaftsbahnhof Buchs denken, der mit den rund 30 Prozent Betriebskostenzahlung zu Lasten Österreichs die neue Republik sehr hoch zu stehen kommt.)“

Nachschrift der Redaktion.

Unzweifelhaft wird die Bureaukratie immer einen Grund finden, um die Fortexistenz dieses berüchtigten Grenzzuschlages zu „rechtfertigen“. Zum mindesten wird aber Liechtenstein fordern dürfen, dass der Zuschlag ausdrücklich auch in den Wagen als „Örtlicher Betriebszuschlag der österreichischen Bundesbahn“ erhoben werde; so fällt das Odium dieser Schröpfung nicht mehr auf Liechtenstein. Man muss den Zuschlag aber als eine Schröpfung der Transitreisenden bezeichnen, nachdem der Grund, der seinerzeit zur Anordnung der Massnahme geführt hat, völlig dahingefallen ist. Man mag sich in Österreich einmal die Frage vorlegen, ob dieser Zuschlag, der, wie uns nur allzu zahlreich eingehende Klagen beweisen, als Schikane aufgefasst wird, der Beliebtheit der gesamten Route nicht schade und dem Verkehr nicht grösseren Schaden zufüge, als der Zuschlag abzuwerfen vermag. Geht es absolut nicht ohne eine etwelche Mehrbelastung, so sollte man die direkt in den Billettpreis einkalkulieren. Dann fielen die üblen Kommentare von selbst weg.

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[1] Neue Zürcher Zeitung 16.7.1925 (LI LA SgZs 16.7.1925)