Das Liechtensteiner Volksblatt fordert, dass alle, die Einfluss auf das Volk haben, den sprunghaft angestiegenen Schmuggel aus moralischen Gründen bekämpfen sollen


Kommentar, nicht gez. [1]

7.12.1917

Vom Schmuggel. (Korr.) Gar häufig kommt gegenwärtig auf den Schmuggel die Rede. Der eine erzählt, wie viel jene verdienen, die Waren hereinschmuggeln und ein anderer meint, das sei nicht nur ein gutes Geschäft und gar nichts Unehrenhaftes, sondern komme dem Inland zum Nutzen. Bei einer andern Gruppe wird mit vielen Einzelheiten erzählt, wie die im Lande erzeugten Lebensmittel mit viel und wenig List über die Nordgrenze und neuerdings aber auch über die West- und Südgrenze hinausbefördert werden und da wird gewettert über die Wucherer und über die nicht genügende Grenzbewachung, über die Riesengewinne und über die Not im Lande. Immer kommt jener schlechter weg, der hinaushandelt, als der, der die Ware über den Rhein bezieht, und während der eine an den Galgen gewünscht wird, findet man am andern wenig Schande. Stellen wir uns nur auf den Standpunkt des liechtensteinischen Verbrauchers, so können wir zwar diese ungleiche Behandlung begreifen. Aber moralisch ist der eine nicht viel besser als der andere. Denn jene, die hereinschmuggeln, fordern für ihre Ware entweder solche Preise, dass sie hier niemand kaufen kann, oder sie haben sie zum vornherein für den Weiterverkauf ins Ausland erworben. Auf keinen Fall hat die hiesige verbrauchende Bevölkerung einen Nutzen davon.

Wie aber verhält es sich mit der Ehrenhaftigkeit dieses Geschäftes? Beide, der Aus- und der Einfuhrschmuggler, übertreten staatliche Gesetze und zwar gegenwärtig häufig genug gleichzeitig die Gesetze zweier Staaten. Es ist anzunehmen, dass eine Absicht, den betreffenden Staat als solchen zu schädigen, bei den wenigsten Schmugglern die Triebfeder ist. Aber die Tatsache, dass die verbotene Einfuhr und Ausfuhr im Entdeckungsfalle Strafen nach sich zieht, zwingt die Schmuggler, geheime Wege zu gehen, stets auf der Hut zu sein, mit den Organen des Gesetzes nicht in Berührung zu kommen, die Gehilfen zu den gleichen unerlaubten Handlungen anzuleiten, und häufig genug spinnt sich der Schmuggler in ein ganzes Netz von Lügen ein, um seine Tat zu verheimlichen, oder den Folgen der Entdeckung zu entgehen. Und mancher schon musste in aller Form Rechtens mehr oder minder lange in Gefällsstrafhaft ausharren, häufig genug aber gerade deshalb, weil er die Untersuchungsbeamten anlog, oder auch, weil er mit dem Bekenntnisse nicht herausrücken wollte.

Wahrlich, die Schmuggler müssten keine schwachen Menschen wie all die anderen sein, sollte nicht dieses Gehen unerlaubter Wege, dieses andauernde Verheimlichen und Lügen und alles, was sonst das Schmuggeln mit sich bringt, auf ihre Denkungs- und Handlungsweise schädigend einwirken. Und entspringt nicht der Trieb zum Schmuggel häufig schon einer bösen Habsucht oder dem Hang, auf leichte Weise, ohne strenge Arbeit viel Geld verdienen zu wollen? Ist es etwas anderes, als krasse Geldgier, was selbst Leute in guten Vermögens- und Erwerbsverhältnissen dazu bringt, sich mit dem Schmuggel als Geschäft abzugeben?

Und was ist eine Gesinnung wert, die es über sich bringt, durch verbotene Ausfuhr von Lebensmitteln die Ernährung der Mitmenschen in Frage zu stellen, um des Geldes willen Leben und Gesundheit jener zu gefährden, deren Arbeitskraft mitgeholfen hat, die Grundstücke zu bearbeiten, ab welchen die hinausgeschmuggelten Früchte stammen?

Die Tatsache, dass der Schmuggel auf den moralischen Wert des Volkes einen sehr nachteiligen Einfluss ausübt, wird dadurch bestätigt, dass im heurigen Jahre allein soviel Verbrechensfälle im Lande vorkamen, als sonst in mehreren Jahren zusammen und dass ein Teil dieser Straffälle aus Schmuggeleien herausgewachsen ist.

Geradezu abstossend war es, als man jüngst Im Gerichtssaale hören konnte, wie sich ganz junge Leute mit dem Schmuggel und Verhandeln von Gegenständen abgaben, deren Benennung man nur mit Widerwillen ausspricht. Wenn zwar im Vorstehenden in erster Linie das Schmuggeln im Grossen gemeint ist, so darf aber doch nicht Übergangen werden, dass auch das Schmuggeln im Kleinen einen sehr verderblichen Einfluss haben kann. Man denke sich nur, welchen Eindruck es auf ein Schulkind haben muss, wenn es von seiner Mutter angewiesen wird, diese oder jene Kleinigkeit, mitunter Dinge, ohne die man gut auskommen kann, auf heimliche Weise einzukaufen, so oder so zu verstecken und die Zollorgane so und so anzulügen.

Es wäre wahrlich an der Zeit, den Kampf gegen den Schmuggel nicht allein den Zoll- und Grenzwachorganen zu überlassen. Alle Jene, welche auf das Volk irgend einen namhafteren Einfluss haben, sollten sich im Kampf gegen dieses schleichende Gift vereinigen.

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[1] L.Vo. 7.12.1917, S. 1.