Die Postangestellten streiken für eine bessere finanzielle Entschädigung


Nicht gez. Zeitungsberichte [1]

22.5.1920

Liechtenstein

Wir machen noch speziell aufmerksam auf die heute Samstag abend halb 8 Uhr stattfindende Vertrauensmänner-Versammlung und erwarten angesichts der Wichtigkeit der Verhandlungsgegenstände einen vollzähligen Aufmarsch.

Zum Poststreik. (Mitteilung) Am 5. Mai wurde durch die Ortsgruppe Feldkirch des Gewerkschafts-Verbandes der Postangestellten Deutschösterreichs eine von der Mehrzahl der liechtensteinischen Postbeamten und Postbediensteten unterzeichnete Eingabe bei der fürstlichen Regierung eingebracht, in welcher gefordert wurde:

a)ein Betrag von 300 Franken für jeden Beamten, 50 Franken für die Frauen und 20 Franken für jedes Kind.

b)200 Franken für die vollbeschäftigten Landbriefträger.

c) 100 Franken für die nicht vollbeschäftigten Landpostdiener, 20 Franken für deren Frauen und 10 Franken für jedes unversorgte Kind

d) für Besorgung der Postverbindung Schaan - Balzers 500 Franken.

Diese Beträge sind monatlich ab 1. Mai zu verstehen. Für den Fall der Nichterfüllung dieser Forderungen wurde mit Einstellung des gesamten Post- und Telegraphen- und Telephondienstes auf den 15. Mai abends 6 Uhr gedroht. Schliesslich wurde verlangt, dass Erledigungen über dieses Gesuch an die obgenannte Gewerkschaftsgruppe in Feldkirch zu richten seien.

Über dieses Gesuch wurde sofort eine verstärkte Regierungssitzung auf 7. Mai einberufen, in welcher die Notwendigkeit einer Neuregelung der Bezüge der Postangestellten grundsätzlich anerkannt, aber die Auffassung vertreten wurde, dass die finanziellen Forderungen zu weit gehen; in dieser Sitzung wurde dann bestimmt, dass auf die Forderung im Gegenstande mit der Gewerkschaft zu verkehren nicht eingegangen werde, dass im übrigen die Eingabe der Finanzkommission des Landtages vorzulegen und dass dieser Sitzung der Finanzkommission der seit vielen Jahren die Postinspektion im Lande besorge Postrat Dr. Zingerle aus Innsbruck beizuziehen sei.

Die Finanzkommission befasste sich sodann am 12. Mai gemeinsam mit Postrat Dr. Zingerle mit dieser Eingabe der Postangestellten und teilte den Standpunkt der Regierungssitzung. Hinsichtlich der finanziellen Forderungen glaubte man an eine ähnliche Behandlung der Postangestellten wie der fürstlich liechtensteinischen Staatsbediensteten und Lehrer etwa in Aussicht nehmen zu sollen und es wurde Postrat Dr. Zingerle ersucht, mit den Postangestellten Liechtensteins zu verhandeln, sowie das Ergebnis dieser Verhandlung einer neuerlichen Sitzung der Finanzkommission vorzutragen. Da die Postangestellten im Gegenstande eine neuerliche Versammlung auf 14. Mai einberufen wollten, konnte sich die Finanzkommission nicht vor Samstag den 15. Mai weiter mit dem Gegenstande beschäftigen. Während dieser Sitzung langte von der eingangs genannten Gewerkschaftsgruppe eine neuerliche Eingabe an die Regierung ein, in welcher die obgenannten Forderungen aufrecht erhalten wurden und nur die Bereitwilligkeit erklärt wurde, wegen des Fortbezuges der Kronengehälter in Verhandlungen einzutreten. Die Streitdrohung wurde wiederholt und die Wiederaufnahme der Arbeit an die Bewilligung sämtlicher Forderungen gebunden, dass während und nach dem Streike keinerlei Massregelung der Postangestellten erfolge.

Nach längerer Besprechung des Gegenstandes und nach dem die Herren Postrat Dr. Zingerle und Landtagspräsident Postmeister [Fritz] Walser bereitwilligst erklärt haben, den Post- und Telephondienst im Falle eines Streikes so gut als möglich einzurichten und aufrecht zu erhalten, wurde im Sinne der Finanzkommission von der fürstl. Regierung ein Erlass an sämtliche Postbeamten und Postbedienstete hinausgegeben, der noch am 15. Mai allen zugestellt worden ist und in welchem die Bereitwilligkeit erklärt worden ist und in welchem die Bereitwilligkeit erklärt wurde, wegen des Überganges zur Bezahlung der Dienstbezüge in Franken mit den liechtensteinischen Postbeamten und Postbediensteten über deren Anlagen unmittelbar zu verhandeln, wobei die Gleichstellung der Postangestellten mit den liechtensteinischen Staatsbediensteten als Verhandlungsgrundlage in Aussicht genommen und ein Hinweis auf die persönlichen Folgen des Streikes beigefügt wurde.

Zunächst schien es, dass die Postangestellten auf dieser Grundlage in Verhandlung eintreten und vom Streike absehen wollten; sie setzten sich jedoch neuerlich mit der Gewerkschaft in Vorarlberg in Verbindung und die Folge davon war, dass der Streik tatsächlich am Samstag-Abend einsetzte.

Es ist jedoch Aussicht vorhanden, dass der Postdienst im Inlande in den meisten Gemeinden weiterversehen wird und dass auch die Verbindung mit der Schweiz aufrecht erhalten werden kann. Dagegen wird eine Verbindung mit Österreich bis weiteres nicht möglich sein.

Es wird beigefügt, dass nach dem gegenwärtig geltenden Postübereinkommen zwar die Postangestellten hinsichtlich ihrer dienstlichen Stellung und ihrer Bezüge der Postdirektion Innsbruck unterstehen, weshalb auch Herr Postrat Dr. Zingerle die Angelegenheit in die Hand nahm, dass aber nach dem gleichen Übereinkommen sämtliche Ausgaben für den Postdienst zu Lasten und sämtliche Einnahmen zu Gute das Landes gehen und dass es daher im Hinblicke auf die Wichtigkeit der Aufrechterhaltung des Post- und Fernsprechdienstes angezeigt erschien, mit den liechtensteinischen Postangestellten unmittelbar in Verhandlung eintreten zu wollen, anstatt dieselben an ihre vorgesetzte Dienststelle zu verweisen.

Poststreik. (Einges.) Es ist unseren Lesern bekannt, dass am 16. und 17. Mai vom Postpersonal (mit wenigen Ausnahmen) gestreikt wurde. Diesbezügliche Eingabe an die Regierung forderte:

a) 300 Franken pro Beamter, 50 Fr. für dessen Frau und 20 Franken für ein unversorgtes Kind:

b) 200 Fr. für die vollbeschäftigten Landbriefträger, 40 Franken für deren Frauen und 15 Franken für jedes unversorgte Kind;

c) 100 Franken für die nicht vollbeschäftigten Landpostdiener, 20 Franken für deren Frauen und 10 Franken für jedes unversorgte Kind.

d) 500 Franken für die Postverbindung Schaan - Balzers.

Da sich Regierung und Finanzkommission auf den Standpunkt stellten, den Postangestellten nur soviel bewilligen zu können, wie den Beamten und Lehrern, traten die Postbeamten tatsächlich in Streik, gestützt vom österr. Gewerkschaftsverband. Es konnte jedoch am Montag den 17. Mai eine Einigung erzielt werden, so dass am 18. die Arbeit wieder vollständig aufgenommen wurde. In der Landtagssitzung v. 22. Mai wird der Landtag das tun, was die Staatskasse zu tun erlaubt. [2] Der diesbezügliche Beschluss wird in nächster Nummer mitgeteilt werden.

______________

[1] Der erste Abschnitt ist ein selbständiger Aufruf zur Teilnahme an der Vertrauensmänner-Versammlung (vermutlich der Postangestellten), die beiden folgenden Berichte sind nichtredaktionelle "Mitteilungen" (vermutlich der Regierung) zum Poststreik. In den O.N. vom 22.5.1920, S. 2 sind alle Texte am gleichen Tag publiziert. Im L. Vo. vom 19.5.1620, S. 2 ist die erste "Mitteilung" zum Poststreik veröffentlicht, die zweite wurde nicht publiziert. Die in den beiden Mitteilung enthaltenen Informationen lassen vermuten, dass diese von der Regierung verfasst wurden.
[2] Der Landtag beschloss am 22.5.1920 die Postangestellten gleich zu behandeln wie die Staatsangestellten und Lehrer.