Kaspar Vogt und Lorenz Kindle als Vertreter der Auslandliechtensteiner werden von Fürst Johnn II. in einer Privataudienz empfangen und tragen ihm ihre Wünsche vor


Zeitungsbericht "Eingesandt", gez. Kaspar Vogt und Lorenz Kindle [1]

1.9.1920

Eingesandt.

Die Auslandliechtensteiner nehmen von jeher regen Anteil an den Geschicken unseres Landes Bekanntlich bezeugten sie dies durch ihre Versammlungen im Ausland, speziell in der Schweiz. Um aber ihren Wünschen mehr Nachdruck verleihen zu können, ersuchten sie durch zwei Vertrauensmänner, die Herren Kaspar Vogt und Lorenz Kindle, dem Landesfürsten [Johann II.] direkt vortragen zu dürfen. Zu ihrer Freude wurde denselben am 28. August eine Privataudienz [2] bewilligt. Der Landesfürst zeigte in der Sache der Arbeiter ein reges Interesse und entsprach den Wünschen derselben im vollen Umfange. Gewiss werden alle Auslandliechtensteiner dem Fürsten hiefür dankbar sein. Gemäss seinem Wunsche überreichten die zwei Vertreter ihre Wünsche nach der Audienz noch schriftlich einem fürstl. Beamten. Diese Wünsche von denen Punkt 3 in der Audienz nicht zur Sprache kam, sind folgende:

1. Arbeitsgelegenheit im Lande. Infolge Mangel an Arbeitsgelegenheit in Liechtenstein ist der liechtensteinische Arbeiter gezwungen, im Ausland Arbeit zu suchen. Die neuen Gesetze und Bestimmungen, die fast überall im Ausland gegen fremde Nationen geschaffen werden, erschweren deren Lage immer mehr, so dass die Gründung einer Existenz und ein dauernder Aufenthalt ausgeschlossen sind. Wir Liechtensteiner sind in der Fremde der Ausbeutung unserer körperlichen und geistigen Kräfte preisgegeben.

2. Unser Lohn entspricht den heutigen Lebensmittelpreisen nicht, zudem werden noch Staatsbeiträge und Steuern erhoben, so dass es uns bei der grössten Sparsamkeit nicht mehr möglich ist für das Alter etwas zu ersparen. Das Ausland bietet uns bei Unfällen nur zum Teil Entschädigung. Invaliden- und Altersversorgung bietet es gar keine. Die liechtensteinischen Arbeiter haben den Wunsch ihre körperlichen und geistigen Kräfte in den Dienst des Vaterlandes zu stellen. Durch Schaffung von Arbeitsgelegenheit würde die Unzufriedenheit der Liechtensteiner beseitigt und das Volk würde auf einen friedlichen Weg geführt.

3. Wir verlangen eine sofortige Änderung der Verfassung nach Entwurf des Abgeordneten Dr. Beck und eine einheimische parlamentarische Regierung.

Kaspar Vogt.
Lorenz Kindle.

(Zu obigen Ausführungen bemerken wir: Regierung und Landtag sollten von der Arbeiterschaft praktische Vorschläge erhalten, wie sich die Arbeiter die Arbeitsverschaffung vorstellen und wünschen. Über Punkt 3 Verfassung erklärte sich der Vertreter der Arbeiter uns gegenüber ein zweiter Verfassungsentwurf sei ihm nicht bekannt. Selbstverständlich aber solle das Gute auch aus anderen Verfassungsentwürfen entnommen werden.

Die Schriftleitung.)

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[1] L.Vo. 1.9.1920, S. 2 und O.N. 1.9.1902, S. 2. - Im L.Vo vom 11.9.1920, S. 1 folgte dann eine nicht gez. Klarstellung dahingehend, dass es zwar richtig sei, dass der Landesfürst mit "grösstem Interesse" die Ausführungen von Kapar Vogt und Lorenz Kindle entgegengenommen habe, dass er aber keine "bindenden Erklärungen über Erfüllung der Wünsche" habe abgeben können, "Weil die Erledigung mehrerer Fragen die Mitwirkung des Landtages bedingen" werde.
[2] Fürst Johann II. von Liechtenstein, der seit dem 21.8.1920 zu einem Besuch in Vaduz war, empfing die beiden Vertreter der Auslandliechtensteiner am 28.8.1920. L.Vo. 25.8.1920 und 11.9.1920.