Abdruck einer nicht gez. Einsendung in den „Oberrheinischen Nachrichten“ [1]
20.10.1923
Mahnruf. (Einges.)
Mit voller Berechtigung macht sich ein Einsender in Nr. 81 dieses Blattes [2] Bedenken über die wahllose Aufnahme von Ausländern als Bürger und die Gefährdung unserer völkischen Eigenart, besonders da letzthin das Unglaubliche geschehen ist, dass ein Jude Bürger von Ruggell wurde. [3] Dieses bedauerliche Geschehnis zeigt wahrlich, dass auch in Liechtenstein der Zeitpunkt zu kommen droht, wo die Juden, durch Erwerbung des Bürgerrechts, beginnen, sich bei uns niederzulassen. Auch in Deutschland und Österreich war er einst nur ein Jude, der sich das Bürgerrecht erwarb und heute – werden die beiden und andere Völker von den Fremdlingen beherrscht. Die eigentlichen Stammesbürger werden aus ihrem Vaterlande verbannt, damit diesen Fremdlingen, die noch fortwährend dank des marxistischen Einflusses, in die Volksgemeinschaft aufgenommen werden, Platz geschaffen wird. Nebenbei haben sie sich durch Untergrabung jeglicher Sitte und Verbreitung der freimaurerischen Welt-„Religion" als die grimmigsten Feinde des Christentums erwiesen. Ganz sicher kann man sagen, dass diese Einwanderer eine Hauptschuld an dem allgemeinen Niedergang und sozialen Elend der genannten und anderer Staaten tragen, was sich heute klar beweisen lässt und darum auch in der wachsenden, internationalen, antisemitischen Flut den gerufenen Rächer finden wird.
Selbstverständlich würden in Liechtenstein, kraft des erwachten liechtensteinischen Nationalstolzes, nie ähnliche Verhältnisse zustande kommen können wie in den genannten Staaten, haben wir uns endlich doch auch vor zwei Jahren zu der eigentlich selbstverständlichen Tat durchgerungen, uns der ausländischen Landvögte zu entledigen, um einem Liechtensteiner die Regierung zu übertragen. Aber auch bei der blossen Einbürgerung von Ausländern wolle man neben dem Gelde auch noch den Menschen betrachten. Die Einbürgerung eines Juden in eine Gemeinde unseres christlich-arischen Staatswesens sollte eine Unmöglichkeit sein, die Einbürgerung eines Angehörigen jenes Judentums, das im Verein mit der Weltfreimaurerei (welche Begriffe übrigens heute beinahe identisch sind) als Hochziele die Errichtung einer religionslosen Weltrepublik anstrebt oder beinahe schon verwirklicht hat. Lassen wir uns nicht durch Geld und falsche Tatsachen betören, erwidern wir vielmehr auf solche Zumutungen ein für allemal mit einem schroffen Nein! Und wenn bis heute auch nur ein Hebräer in unsere Volksgemeinschaft aufgenommen sein soll, so soll dies eine dringende Mahnung für die Zukunft ein. „Ein Jude soll Liechtensteiner sein!" – klingt das nicht wie ein Hohn!
Ich glaube klar und fest, dass sich unsere Gemeinde- und Volkswirtschaft wieder emporringen wird durch Gottvertrauen aus eigener Kraft und ohne – Juden! [4]
______________
[1] O.N., Nr. 83, 20.10.1923, S. 1.
[2] Vgl. O.N., Nr. 81, 13.10.1923, S. 1 („Einbürgerungen“). Diese Einsendung löste eine eigentliche antisemitische Pressekampagne in Liechtenstein aus.
[3] Später wurde das betreffende Einbürgerungsgesuch vom Antragsteller offenbar wieder zurückgezogen: „Also wird jedenfalls auch das Bauen einer Synagoge unterbleiben. Dies zur Beruhigung aufgeregter Gemüter“ (O.N., Nr. 91, 17.11.1923, S. 2 („Ruggell“)).
[4] Vgl. in weiterer Folge O.N., Nr. 84, 24.10.1923, S. 1-2 („Eingesandt“) und S. 2 („Eingesandt“); O.N., Nr. 86, 31.10.1923, S. 1 („Einbürgerungen“) und S. 1-2 („Ruggell“); L.Vo., Nr. 87, 3.11.1923, S. 3 („Eingesandt“); L.Vo., Nr. 88, 7.11.1923, S. 2 (Einsendung von Josef Ospelt); O.N., Nr. 95, 1.12.1923, S. 1 („Einbürgerung“); O.N., Nr. 96, 5.12.1923, S. 1 („Einbürgerung“ und „Eingesandt“) und L.Vo., Nr. 102, 29.12.1923, Erstes Blatt, S. 2 („Empfindlich. Abwehr“).