Josef Seli schildert in seiner Triesner Chronik das traurige Schicksal eines jungen Deutschen, der freiwillig in den Krieg eingerückt ist


Ausschnitt aus: Die Chronik des Josef Seli [1]

Begebenheit und Schiksal eines Jüngling, der im grossen Weltkieg im Jahr 1914 für sein Vaterland gefallen ist.

Der Kampf im menschlichen Leben um das Dasein, die kurze Spanne Zeit, ist gewaltig gross, und keinem Menschen ist es beschieden, welche Wege er nach den unerforschlichen Rathschlüssen Gottes ihm vorbezeichnet sind, die er hier auf dieser eitlen argen Welt durch zu gechen hat.

Die Gabe vom Erdenglük ist gross verschieden. Wie manchem Mensch ist das Erdenglük hold mit Güter, Geld, Haus und Hof reichlich beschenkt und dazu mit bester Gesund erhalten. Ein anderer dagegen hat von all dem wenig oder nichts und muss sich hart und kümmerlich durch die Welt bringen.

Es gibt Kinder von bitter armen Eltern, die kümmerlich verwahrlost erzogen werden, auch solche Kinder, die ihre guten lieben Eltern nicht zu kennen kommen, sie sterben ihnen jung weg und sind arme verlassene Weisen, auch solche Kinder, die von ihren Eltern aus bitterer Armut an andere mitleidsvolle gute Menschen zur Erhaltung und Erziehung abgetreten und übergeben werden.

Über einen solchen obgenanten Fall und weitere Begebenheiten möge hier angegeben werden.

In der Zeit vom Jahr 1901 hielt sich im Müleholz (Schann) ein Mann mit Famiele auf, der in der Fabrik in Arbeit, von Profession Mechanik[er], gebürtig von Breitbrunn, Königreich Beiern.

Er reiste von Schan ab in seine Heimat. Da er unbemitelt und mehrere Kinder hate, so übergab und überliess er einer Frau in Schann einen Knaben im sechsten Jahr alt, geboren den 15. April 1895 zur weiteren Erziechung.

Im gleichen Jahr 1901 wurde den Echeleuten in Triesen Jakob Erni, Hausnummer 77, und Bertha Erni, geb. Öhri, von Gamprin, die keine Kinder haten, von der obgenanten Frau in Schann, den von ihr übernommene Knabe zur weiterer Erziehung angetragen, wo beide Echeleute einwilligten und der Knabe zu sich nach Triesen nahmen.

Der Knabe wuchs bei guter Pflege und bestem sor[g]samen Unterricht heran und war mit 14 Jahr ein kräftiger gewekter Bursche.

Er trat in Triesen in die Fabrik, lernte die Weberei, wo er dan durch seinen Fleiss den Pflege-Eltern mit seinem verdienten Geld sehr behilflich sein konte. Er war nach ihrer Aussage gehorsam, dankbar und ihnen in Liebe sehr zugethan.

Im Jahre 1914 brach der grosse blutige Weltkrieg aus, wo jeder verbüntete Statt mobielisirte, um ihren Feinden zur Vertheitigung eine gewaltige Arme von Soldaten entgegen zu stellen.

Der junge Bursche, im 19. Jahr alt, von seinen gebornen Eltern mit Name und Geschlecht Paul Gottlieb Ehrenbauer, meldete sich beim Bezirks-Gericht im Königreich Beiern, ohne an ihn gerichteten Aufruf, den in der ersten Zeit wurde diese Altersklasse noch nicht auf- und einberufen, ging aber nicht mehr lange, so wurde auch diese Altersklasse auf- und einberufen. Den 17ten August stelte er sich in Lindau zur Assentierung, wo er von der ärzlichen Millitär-Komission als zum Millitär tauglich befunden wurde. Als er dan wieder zurück nach Hause kam, erklärte er nach Aussage seiner Pflege-Eltern, dass in Lindau, wo noch ein grosser Trup von Soldaten in Garnison war, in ihrer schönen Uneform, mit ihren fungelten Stutzen und Seitengewehr, alles so sauber und rein und in höchster militärischer Begeisterung für ihr Vaterland zu kämpfen.

Da er sich noch einige Zeit in den Kasernen mit ihnen unterhielt, bekam er eine so gewaltige Anregung und Begeisterung, auch [an] der Seite dieser braven muthigen Soldaten gegen den Feind zu maschieren und für sein geborenes Vaterland zur kämpfen, dass er hievon nicht mehr abzuhalten war.

Den 19then August rükte er in Lindau in die Garnison ein, wo er mit vielen Rekruten einexezirt wurde. Er hate dort [mit] den Rekruten Garnisons-Dienst und Felddienst sowie alle weiteren millitärische Ausbildung mit- und durchzumachen.

Wärent dieser Zeit kam er zwei mahl mit Urlaub in Uniform auf Besuch nach Triesen.

Am 26ten Oktober wurde die Kompagnie, in die er eingetheilt war, von Lindau abberufen und mit einem grossen Trasport Millitär an die Grenze von Frankreich zu der Manschaft der Deutschen befördert, wo seine Kompagnie in das 20te Infanteri Regiement Prinz Franz eingetheilt wurde. Sein Regiement lagerte dan noch in letzter Zeit in Fay.

Es ging nicht lange, so kam sein Infanterie Regiement, wo er eingetheilt war, vor den Feind in die Feuerline zu stechen, wo er dan am 16ten Dezember durch einen Kopfschuss fiel.

Den 29ten Dezember wurde vom Regiements Kommando die Todes-Anzeige nach Triesen gesant. Sie lautete (wörtlich): „Ihr Sohn Paul Gottlieb Ehrenbauer ist den 16ten Dezember mit Kopfschuss gefallen. n n. Oberst Kommando.“

Es ist noch anzuführen, dass von seinem Kompagnie-Kommando sein Geldbeütel mit seinem noch vorhandenen Geld, Gebetnoster[5] und einige von Haus an ihn gesante Briefe in einer Papier Schachtel versorgt und andressiert nach Triesen gesant.

Er hate sein junges Leben für sein angestamtes Vaterland geopfert und mit seinem Blute besiegelt.

Den 29ten Dezember wurde hier für ihn das Zeichen Sterbeklöklein geleutet.

Er wurde auf Verlangen seiner Pflege Eltern bestatet, wo ihm auch alle kirchlichen Zermonien und Gebete zu Theil wurden.

Er war hier in Triesen bei der löblichen Feuerwehr eingetheilt, auch Mitglied des löblichen Leseverein. Jeder dieser Vereine liessen für ihn als Anerkenung und stille Teilnahme in der Pfarrkirche zu seiner Seelenruche ein Seelenamt halten, wobei die meisten Vereinsmitglieder beiwohnten.

Ehre, wem Ehre gebührt, und dem gefallenen Soldat Paul Gottlieb Ehrenbauer, ein Held seines Vaterlandes Beiern, möge hier in Triesen noch lange - - - lange Jahre in bestem Andenken sein und im Gebete für seine Seelenruche eingeschlossen sein und bleiben.

 



 

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[1] Josef Seli, "Geschichtliche Ereignisse und Begebenheiten der Gemeinde Triesen" von 1800 bis 1912. Hrsg. von der Gemeinde Triesen. Text Olga Anrig und Paul Vogt. Triesen, 2006, S. 130-133. Die Chronik ist in Privatbesitz (dort die Seiten 180-183).
[5] Paternoster: Rosenkranz.