Der neue Liechtensteinische Krankenkassen-Unterstützungsverein führt in den Gemeinden Informationsveranstaltungen durch und wirbt um Mitglieder


Zeitungsbericht, nicht gez. [1]

16.8.1895

Mauren. (Eingesendet.) Letzten Sonntag erhielten wir hier im Unterlande den Besuch einiger Herren der obern Landschaft. Es waren dies die Komiteemitglieder des Krankenkassenvereins [2], die auf diesen Sonntag eine ausserordentliche Versammlung nach Mauren einberufen hatten, um auch hier das Volk mit dem Vereine bekannt und vertraut und durch Verlesung und Erklärung der Statuten einem jeden Einblick in das Wesen desselben zu gestatten. Leider waren der Einladung nicht gerade sehr viele nachgekommen, jedoch ist es sicher, dass die Worte des Referenten und die Statuten an und für sich einen günstigen Eindruck auf die Anwesenden machten, wie denn auch mehrere sofort nach Schluss der Versammlung ihren Namen in die Liste der Mitglieder eintragen liessen und jedenfalls wird noch mancher, welcher vielleicht die Sache noch reiflicher überlegen wollte, nach und nach zum Entschlusse kommen, ihrem Beispiele zu folgen.

Die Versammlung wurde eröffnet mit einem Vortrage des Herrn Kaplan [Franz Anton] v. Reding, worin er, ausgehend von einem ermutigenden Beispiele seiner Heimatgemeinde Schwyz, wo neben dem obligatorischen noch ein freiwilliger Verein mit über 400 Mitgliedern bestehe, ausführlich den Nutzen und Vorteil eines Vereins zum Zwecke der Krankenunterstützung überhaupt besprach und daran anschliessend die wichtigsten Punkte der Statuten kurz berührte. Er wies auf die nennenswerten Auszahlungen hin, welche der Verein gewähre, 1 fl., 80 kr., 60 kr., und auf die Dauer der Unterstützungen, 3 Monate den vollen Betrag, 3 weitere Monate den halben und nach Aussetzen der folgenden 4 Monate wieder den vollen Betrag und so fort. Der Kranke bekomme das Geld direkt zu Handen und niemand anderer, z. B . ein Gläubiger, könne das Geld aus der Kasse erheben, es sei die direkte Auszahlung weiter vernünftiger, als, wie es manchenorts der Fall sei, Arzt und Apotheker zu bezahlen, weil auf diese Weise der Kranke nach eigenem Ermessen über die ihm zugekommenen Mittel verfügen könne und überdies noch andere Bedürfnisse zu decken habe. Man sehe es erst in der Zeit der Not ein, was es bedeute, einem Verein anzugehören, welcher im Unglück solchen Ersatz biete. Wie froh wären z. B. die Leute hier in Mauren gewesen, wenn sie ihre Felder gegen Hagelschaden versichert gehabt hätten. Der Bauer versichere ja sein Haus und Hof und seine Haustiere, warum nicht auch sein höchstes irdisches Gut, die Gesundheit. Die Krankheit sei für den armen Mann ein doppeltes Übel, zu dem körperlichen Übel geselle sich auch das Unvermögen, für sein irdisches Fortkommen zu sorgen, wofür eben dieser Verein so reichlichen Ersatz biete.

Schliesslich führte Redner noch an Hand der Statuten aus, auf wie gewissenhafte Weise, besonders durch die leicht durchführbare strenge Kontrolle, der Verein vor Ausbeutung gesichert sei.

Nach dem Vortrage schritt man zur Verlesung der Statuten, welche an wichtigeren Stellen noch besonders durch den Herrn Kaplan und Herrn [Josef] Amann erläutert und erklärt wurden. Jeder Anwesende konnte Fragen stellen und um nähere Aufklärung bitten, so dass es bei einzelnen Punkten interessante Dispute absetzte, so z.B. als ein Herr, ein Fremder, offenbar geistesverwandt mit jener Richtung, welche seit [August] Bebels „Die Frau" die Frauen-Emancipation zu einem der ersten Programmpunkte erhoben haben für die Frau dieselben Rechte (auch passives Wahlrecht) forderte.

Jedem, dem das Wohl des Nächsten und das Interesse des Landes am Herzen liegt, wird dem Verein seine Sympathie nicht versagen können. Es ist allerdings richtig, dass die Einlagen ein wenig hoch gestellt sind, dabei ist aber zu berücksichtigen: 1) die grossen Auszahlungen; 2) ist der Verein neu und hat er einmal einen sichern Fond angesetzt, werden die Beiträge gewiss nach Möglichkeit herabgemindert werden, was um so eher der Fall sein wird, als edle Wohlthäter sich seiner annehmen und bei der jetzigen Anzahl von gegen 80 Mitgliedern, trotz der kurzen Zeit seines Bestandes, wird er bald den Beweis seiner Lebensfähigkeit erbringen können. Den Häuptern aber ist zuzurufen, in ihrem jetzigen Eifer fortzufahren und sich stets das Wort Windthorst's vor Augen zu haben: „Ohne Agitation wird im öffentlichen Leben nichts erreicht".

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[1] L.Vo. 16.8.1895, S.1 f.
[2] Die ersten Statuten des "Allgemeinen Kranken-Unterstützungs-Vreines für das Fürstenthum Liechtenstein" datieren vom 21.1.1894. Das Komitee setzte sich zusammen aus: Theodor Jehle, Präsident; Aman Josef, Aktuar; Anton Fleischmann; Josef Amann, Kassier; Arnold Thöny. LI LA RE 1896/377.