Die Oberrheinischen Nachrichten wehren sich gegen einen Bericht im "Vorarlberger Tagblatt", in dem die Briefmarken-Demonstration in Vaduz als "neuerlicher Putschversuch" dargestellt wird


Zeitungsbericht, nicht gez. [1]

5.3.1921

Wer ist Berichterstatter?

(Eingesandt.)

Folgende Darstellung über die Demonstration vom letzten Samstag [2] bot in seiner Nummer vom 2. März das „Vorarlberger Tagblatt":

„Vaduz. Neuerlicher Putschversuch. Freitag nachmittags fuhren mehrere Radfahrer im ganzen Lande herum und verstreuten Flugschriften des Inhalts, dass Samstags früh eine grosse Kundgebung vor dem Regierungsgebäude stattfindet zwecks Aufhebung des Vertrages betr. der Beschaffung neuer Briefmarken. Von gut unterrichteter Seite wurde jedoch mitgeteilt, dass damit ein ganz anderer Zweck verfolgt werde, nämlich die Aufhebung der Regierung und Einsetzung einer neuen Regierung (Räteregierung). Das Auto stehe schon bereit in Buchs, um Herrn Dr. [Josef] Peer über die Grenze zu bringen. Zur Vereitelung einer solchen Gewalttat taten sich die Gemeinden Schaan, Mauren, Eschen, Gamprin, Ruggell, Schellenberg noch am selben Abend zusammen, hielten Ausschusssitzungen ab und beschlossen, dass sich am nächsten Tage, 7 Uhr früh, aus jedem Hause mindestens ein Mann zu stellen habe, bereit zum Abmarsche nach Vaduz, unterstützt durch einen Aufruf des Landtagspräsidenten Friedrich Walser. Auf diese Art kam die ansehnliche Zahl von mindestens siebenhundert Männern zur Abwehr bereit, in Vaduz an, noch bevor die zur Ausführung obigen Vorhabens bestimmten Männer eintrafen. Von diesen erschienen nun an siebzig Mann, welche den auf der Stiege des Regierungsgebäudes erschienenen Dr. Peer aufforderten, die Regierungsgeschäfte zu übergeben und das Land zu verlassen, worauf Dr. Peer erwiderte, er sei vom Fürsten und nicht vom Volke angestellt, welcher allein das Recht zu seiner Enthebung habe. Ferner verlangten sie, er solle den Vertrag betr. die Briefmarkenbeschaffung herausgeben oder vernichten bezw. ungültig erklären, auf welches Ansinnen sich Dr. Peer dahin äusserte, er habe bisher nicht Gelegenheit gehabt, sich damit zu befassen, übrigens solle eine Abordnung von 5 Mann bestimmt werden, mit der er verhandeln wolle. Nun begab man sich ins Regierungsgebäude und es fand dort unter dem Vorsitze die Verhandlung statt, in der beschlossen wurde, eine Bürgerwehr zum Schutze der Regierung zu bestellen, sowie andere Massnahmen zu treffen. Währenddem fehlte es nicht an gegenseitigen Beschimpfungen vor dem Gebäude. Dass an der Sache blutiger Ernst war, ist daraus zu ersehen, dass man beiderseits mit Revolvern oder Pistolen bewaffnet war, ja dass man von der Beschaffung von Maschinengewehren sprach. Auffallend ist, dass sich die eigentlichen Hetzer fernhielten, indem der eine in die Schweiz verreiste [3], der andere in der Realschule seinem Berufe oblag, aber herbeigeholt wurde [4] und der dritte sich sonst „drückte" [5]. Diese würden wahrscheinlich die „Räteregierung" zu bilden gehabt haben. Es wird dafür gesorgt, dass das Land nicht zur Ruhe kommt."

Man muss staunen über die Phantasie des Verfassers, denn Augenzeuge kann er nicht gewesen sein. Von einem Auto war keine Spur!!

1. Ein Putschversuch war es nicht nach der Absicht der Demonstranten, es handelte sich nur um die Marken. Wenn eine einzelne Person etwas anderes geäussert haben sollte, so ist sie auch allein dafür verantwortlich.

2. Von der Einsetzung einer Räte-Regierung war gar nicht die Rede, es ist unbegreiflich, dass so was geschrieben werden kann.

3. Dass die 70 Teilnehmer an der Demonstration den auf der Stiege des Regierungsgebäudes erschienenen Dr. Peer aufgefordert hätten, die Regierungsgeschäfte zu übergeben, ist bekanntlich gänzlich unwahr; Dr. Peer sprach mit denselben überhaupt nicht.

4. Dr. Peer war nicht bereit, eine Abordnung von 5 Mann anzuhören.

5. Von Revolvern, Pistolen und Maschinengewehren hat der Schreiber dieser Zeilen nichts gehört und nichts gesehen.

6. Mehr als Hetze ist es aber, wenn am Schlusse des Artikels noch die elende Unwahrheit aufgetischt wird, dass drei ganz bestimmte Personen die Hetzer für die Demonstration gewesen seien. Eine solche Darstellung wird beim Volke die gebührende Beurteilung finden. Es ist schändlich, solche Behauptungen aufzustellen, ohne Beweise zu haben. Dass diese Drei die Räteregierung zu bilden gehabt hätten, über diese Meldung wird in Liechtenstein jeder über die Angelegenheit richtig Aufgeklärte herzlich lachen. Somit fällt der Artikel völlig in sich zusammen; denn er baut sich auf Unwahrheiten und falschen Verdächtigungen auf.

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[1] O.N. 5.3.1921, Seite 1.
[2] Samstag, 26.2.1921. Vgl. den Bericht vom 10.12.1921 der Landtagskommission mit Anhang der Veranstalter.
[3] Gemeint ist Dr. Wilhelm Beck.
[4] Gemeint ist Gustav Schädler.
[5] Gemeint ist vermutlich Anton Walser.