Die Oberrheinischen Nachrichten berichten in polemischer Weise über eine öffentliche Vortragsreihe in den Gemeinden, in der Kaplan Alfons Büchel die Volkspartei und Dr. Wilhelm Beck angriff


Artikel in den Oberrheinischen Nachrichten[1]

9.7.1919

Eine blutrünstige Herausforderung.

r. Am letzten Sonntag [2] hielt Hochwürden Herr Kaplan Alfons Büchel aus Wollerau (Schwyz), Bürger aus Mauren, im „Adler" in Vaduz einen Vortrag über das grosse Thema: „Religion und Politik". Dieser Herr hat bereits schon in andern Gemeinden, so in Balzers, Triesen und Mauren vorgetragen.

In der illustren Zuhörerschaft waren anwesend: Schreiber [Alois] Negele, Ferdinand Nigg, Regierungsschreiber, Vorsteher [Gustav] Ospelt, Landmesser [Josef] Ospelt, Kassenverwalter [Karl] Hartmann, Dr. [Eugen] Nipp, Hauptschriftleiter, Landschreiber [Josef] Ospelt und natürlich auch Hofkaplan [Alfons] Feger... Wie Zuhörer berichten, sprach der Referent mit halbgeschlossenen Augen und sehr erregt. Der Grundton der Rede war: wohl anerkenne die Volkspartei den Fürsten, aber sie wolle ihm alle Rechte wegnehmen, und der Hauptsünder sei Herr Dr. [Wilhelm] Beck. Doch führen wir einige geistvolle Sätze an: Dr. Beck könne nicht neben dem Fürsten bestehen. Der eine von Beiden müsse weichen, entweder gutwillig oder auch wenn es Blut koste! Herr Dr. Beck habe gar keine bestimmte Richtung, er sei weder schwarz, noch weiss, noch rot: er sei einfach der Dr. Beck — d. h. gar nichts! Man solle ihm einen Geistlichen nennen, der bestätigen könne, dass dieser Mann christlichsozial sei. Sein Bruder (der Abg. Peter Büchel) habe gesagt, beständig werde im Landtag und in den Kommissionen gedroht. Einmal müsse diese Droherei aufhören, entweder gutwillig oder auch wenn es Blut koste. Mit dem Zollanschluss müsse man noch abwarten. Man wolle den Kanonikus nicht im Landtage haben, das sei nicht recht, denn es sei doch ein so gescheiter Mann. Die Person des neuen fürstlichen Abgeordneten (Herr Reallehrer [Gustav] Schädler) kenne er nicht. Er sei aber vom Landesfürsten nur aus Furcht vor der Volkspartei ernannt worden. Die Unterländer seien mit der Ernennung des fstl. Abgeordneten nicht einverstanden und es wäre ihm ein Leichtes, einen Protest dagegen im Unterland einzuleiten. Es sei aber Sache der Vaduzer, dies zu tun. Wenn Redner nicht Geistlicher wäre. würde er die Protestbewegung einleiten. Mit Pathos rief er am Schlüsse aus: „Liechtenstein den Liechtensteinern — und nicht dem Dr. Beck!"

Nach Schluss des Vortrages erwähnte dieser noble Redner noch, er habe noch nie so scharf gesprochen wie in Vaduz — offenbar weil er glaubte, es werde ihm alles zujubeln. Um sich in dem weiten Saale bemerkbar zu machen, mussten die 26 Zuhörer und darunter die eifrigsten besonders anstrengend klatschen.

Als gute Katholiken haben wir den geistlichen Stand zu ehren und zu achten. Wir befassen uns daher nur mit dem Herrn Alfons Büchel. Schon längst wies man uns darauf hin, dass Büchel ein von hiesigen Drahtziehern bestellter Agitator sei. Er sollte mehr durch Schein als Sein die Leute im Oberlande der Volkspartei abspenstig machen. Das Manöver aber zieht nicht, es zieht schon gar nicht, wenn man eine so blutrünstige Rede hält. Dieser Herr Büchel möge doch seiner Pflicht als Kaplan in Wollerau obliegen. Es steht ihm bodenlos schlecht an, als in der Schweiz amtierende Person, über seine Leute und ihre Rechtseinrichtung herzufallen. Erfreulich ist das Geständnis, das die Bürgerpartei über ihre Absichten hat ausplaudern lassen. Es ist einmal aufrichtig aus der Schule geschwatzt worden! Die ruhigen Bürger, zu denen Schreiber gehört, und die Volkspartei wird sich eine solche Herausforderung niemals gefallen lassen und das Nötige am richtigen Orte vorkehren. Es ist einfach unglaublich, dass ein Mann, der den Frieden predigen sollte, derart hetzerische Reden und eine mit der Blutdrohung einschüchternde Kompagnie hält. Die Volkspartei verabscheut solche Aussprüche, und gerade der Herr Redner sollte wissen, dass die Kirche nicht nach Blut dürstet. Schamrot muss man werden, dass ein Liechtensteiner sich derart nur zu äussern getraut. Die Volkspartei wird hoffentlich gerichtet dastehen. Dürfte sich vielleicht ausser dem Bischof auch die Regierung und die Staatsanwaltschaft mit der Rede befassen?

Wir unsererseits protestieren gegen solche Hetzreden und lehnen alle verantwortlichen Folgen ab.

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[1] O.N. 9.7.1919, S. 1.
[2] Sonntag, den 6.7.1919.