Eugen Meier legt der Regierung eine Fabrikordnung für seine mechanische Bau- und Möbelschreinerei in Mauren vor


Vorgedrucktes Formular mit maschinenschriftlichen Einfügungen, gez. Eugen Meier [1]

30.9.1926, Mauren

Fabrik-Ordnung

der Firma Eugen Meier mech. Werkstätte f. Holzbearbeitung, Bau- und Möbelschreinerei, Mauren, Liechtenstein

1. Die Dauer der täglichen Arbeit beträgt 8 ¾ Stunden, an Samstagen 4 ¼ Stunden. An Vorabenden gesetzlicher Feiertage endigt die Arbeit spätestens um 5 Uhr. Die Einteilung der Arbeitszeit und deren allfällige Änderungen [2] werden in einem Stundenplan [3] angeschlagen und der Ortsbehörde jeweilen angezeigt. Diese Arbeitszeit gilt nur für Arbeiten in der Werkstätte.

2. Die Arbeit muss pünktlich begonnen und darf ohne Erlaubnis vor der festgesetzten Zeit nicht verlassen werden.

3. Wer von der Arbeit wegzubleiben wünscht, soll dem Vorgesetzten zum voraus davon Anzeige machen. Wer durch unvorhergesehene Ereignisse verhindert ist, zur Arbeit zu erscheinen, hat sich nachher beim Vorgesetzten zu melden und den Grund der Verspätung oder des Ausbleibens anzugeben. Von eingetretener Krankheit und von Unfall ist so bald als möglich Meldung zu machen.

4. Grösste Gewissenhaftigkeit in der Ausführung der übertragenen Arbeiten, sorgfältige Behandlung des Arbeitsmaterials, der Maschinen und Werkzeuge, Reinlichkeit, anständiges Benehmen gegen Vorgesetzte, Untergebene und Mitarbeiter ist jedermanns Pflicht.

5. Die zum Schutze von Gesundheit und Leben der Arbeiter getroffenen Vorkehren sind gewissenhaft zu benützen, zu jenem Zweck erlassene Vorschriften pünktlich zu befolgen. Das Rauchen und das Ausspucken auf den Boden sind verboten. Die zum Aufbewahren von Kleidern und andern Gegenständen bestimmten Einrichtungen müssen benützt werden.

6. Übertretungen der Fabrikordnung, sowie der genehmigten besondern Reglemente und der Vorschriften zum Schutze von Gesundheit und Leben der Arbeiter können mit Bussen bis zu einem Viertel des Taglohnes bestraft werden. Schwerere Fälle können Kündigung zur Folge haben oder im Sinne von Art. 41. G.O. [Gewerbeordnung] [4] als wichtige Gründe zur sofortigen Auflösung des Dienstverhältnisses geltend gemacht werden.

7. Die Auszahlung des Lohnes erfolgt alle 14 Tage am Freitag. Der Arbeiter soll den Lohnbetrag mit der Abrechnung vergleichen. Beschwerden sind bis spätestens am folgenden Arbeitstag bei der Zahlstelle vorzubringen. Der Lohn von 5 Tagen bleibt bis zur folgenden Lohnzahlung ausstehen.

8. Als Kündigungstermin gilt der Zahltag oder der Samstag. Die Kündigungsfrist wird im Arbeitsvertrag geregelt.

9. Diese Fabrikordnung tritt sofort nach der regierungsrätlichen Genehmigung in Kraft. [5]

Der Arbeitgeber:

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[1] LI LA RE 1926/4226 ad 0753. Stempel der liechtensteinischen Regierung. Die Fabrikordnung wurde von der Regierung bzw. Regierungschef Gustav Schädler am 27.10.1926 genehmigt. – Das Eidgenössische Fabrikinspektorat des IV. Kreises hatte zum Entwurf der Fabrikordnung u.a. mit Schreiben an die liechtensteinische Regierung vom 14.9.1926 Stellung genommen. Insbesondere war bemängelt worden, dass die in Ziffer 1 des zunächst vorgelegten Entwurfes von einer Wochenarbeitszeit von 52 Stunden ausgegangen worden war. Massgebend für die Festlegung der Dauer der täglichen Arbeit war jedoch die gesetzliche Normalarbeitswoche von 48 Stunden; Überschreitungen derselben bedurften einer besonderen Bewilligung und waren befristet (LI LA RE 1926/3563 ad 0753). – Die Anwendung der eidgenössischen Fabrikgesetzgebung im Fürstentum Liechtenstein erfolgte aufgrund von Art. 4 Abs. 1 iVm Anlage I des Zollanschlussvertrages vom 29.3.1923, LGBl. 1923 Nr. 24. Vgl. auch die Art. 89 ff. des liechtensteinischen Einführungsgesetzes zum Zollanschlussvertrag vom 13.5.1924, LGBl. 1924 Nr. 11.
[2] Im Sinne von Art. 41 Bst. a des schweizerischen Fabrikgesetzes von 1914/1919 wurde der Schreinerei vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement (Abteilung für Industrie und Gewerbe) mit Schreiben vom 16.9.1926 eine Überzeitbewilligung für höchstens 52 Wochenstunden bis Ende Februar 1927 erteilt (LI LA RE 1026/3598 ad 0753/2935). Mit Schreiben des Volkswirtschaftsdepartements vom 11.3.1927 wurde diese Bewilligung bis Ende August 1927 verlängert (LI LA RE 1927/1093 ad 0014).
[3] Vgl. den Stundenplan der Schreinerei für eine abgeänderte Normalarbeitswoche vom 16.3.1927 (LI LA RE 1927/1453 ad 0014 (Beilage)).
[4] Der Verweis auf Art. 352 des schweizerischen Obligationenrechts wurde durch einen Hinweis auf § 41 der liechtensteinischen Gewerbeordnung vom 13.12.1915, LGBl. 1915 Nr. 14, ersetzt. Vgl. hiezu das Schreiben des Eidgenössischen Fabrikinspektorates des IV. Kreises an die liechtensteinische Regierung vom 23.10.1926, in dem im Übrigen die Genehmigung des revidierten Entwurfes empfohlen wurde (LI LA RE 1926/4226 ad 0753).
[5] Vgl. auch die Fabrikordnung der Firma Jenny, Spoerry & Cie vom 23.6.1926 für die Spinnerei in Vaduz und die Weberei in Triesen (LI LA RE 1926/2575 ad 0753).