Landesverweser Karl von In der Maur erörtert mit den Ortsvorstehern Massnahmen zur Bekämpfung des drohenden Mangels an Viehfutter


Artikel im „Liechtensteiner Volksblatt“ [1]

21.11.1913

Landwirtschaft

Unter Vorsitz des Herrn Regierungschefs [Karl von In der Maur] und im Beisein des Herrn Vorstandes des landwirtschaftlichen Vereins [Rudolf Schädler] hat am 14. d. M. eine Besprechung mit sämtlichen Ortsvorstehern über Massnahmen zur Bekämpfung der in Aussicht stehenden Futternot in den landwirtschaftlichen Betrieben stattgefunden.

Einleitend bemerkte der Herr Regierungschef, dass er über Anregung des landwirtschaftlichen Vereins [2] beim Landtage die Gewährung eines entsprechenden Kredites vorgeschlagen habe [3] und dass es sich zunächst darum handeln würde, über das Ausmass dieses Kredites einen Überblick zu gewinnen. Da die fürstl. Regierung im Sommer ein Futterausfuhrverbot erlassen habe, [4] sei anzunehmen, dass dem Lande eine grössere Quantität Futter erhalten geblieben sei, als unter anderen Umständen anzunehmen gewesen wäre; die Futternot werde daher kaum so empfindlich werden, als sonst zu befürchten gewesen wäre. Wenn die fürstl. Regierung sich zu einer Aktion entschlossen habe, so sei dies unter der bestimmten Voraussetzung geschehen, dass kein Missbrauch vorkomme; es soll nur jenen geholfen werden, die tatsächlich einer Hilfe bedürfen; daher kämen solche Landwirte, die selbst genug Futter für ihr Vieh haben oder die überhaupt kein Vieh besitzen, selbstverständlich nicht in Betracht. Ein allfälliger Zwischenhandel, der vielleicht zu Preistreibereien ausgebeutet werden könnte, sei unstatthaft. Aufgrund der hiernach gepflogenen Diskussion wurde folgendes bestimmt: An Futtermitteln kämen in Betracht: Heu, Türken, Hafer und Leinsamenmehl. In jeder Gemeinde soll eine Kommission zur Beschaffung von Futtermitteln gebildet werden; an der Spitze der Kommission soll der Ortsvorsteher stehen, dem 2 – 4 Viehzüchter beigegeben werden, die vom Gemeinderate gewählt werden. In jeder Gemeinde soll die Kommission nach öffentlichem Ausruf Anmeldungen über den Bedarf an Futtermitteln und Anmeldungen über die zum Verkaufe verfügbaren Quantitäten solcher Futtermittel entgegennehmen, die bezüglichen Anmeldungen sind zur Vermeidung späterer Schwierigkeiten schriftlich zu machen. Die Kommission hat sie eingehend und gewissenhaft zu prüfen und unter Mitteilung über das Ergebnis der Prüfung spätestens Ende November im Wege des Ortsvorstehers an die fürstl. Regierung gelangen zu lassen. Sobald dann die nötige Übersicht über Bedarf und Anbot gewonnen sein wird, wird die fürstl. Regierung das Weitere veranlassen, insbesondere eine eigene Landeskommission [Notstandskommission] für die Abwicklung dieser Sache bilden und soweit erforderlich, sich der Mitwirkung des landwirtschaftlichen Vereins bedienen. In Aussicht sei zu nehmen, die Bezahlung der Futtermittel für ein Jahr zu stunden, d. h. zur Rückzahlung einen zinsfreien Termin von einem Jahre zu gewähren; wer sofort bar bezahlt, erhält einen entsprechenden Rabatt; Missbrauch zieht nicht nur den Verlust der Begünstigung, sondern auch eine entsprechende Konventionalstrafe nach sich. [5]

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[1] L.Vo., Nr. 47, 21.11.1913, S. 1. Durch die in Liechtenstein ab Juni 1913 grassierende Maul- und Klauenseuche war der Viehexport lahmgelegt, was zu einem Überbestand an Vieh und damit zu einem Mehrbedarf an Futtermitteln führte. Zum Stand der Maul- und Klauenseuche im Fürstentum am 4.9.1913 vgl. LI LA RE 1913/2614 ad 0004/1897.
[2] Vgl. hiezu L.Vo., Nr. 41, 10.10.1913, S. 1-2 („Landwirtschaft“).
[3] Vgl. das Schreiben von Landesverweser Karl von In der Maur an den Landtag vom 5.11.1913 (LI LA LTA 1913/L06 (Aktenzeichen der Regierung: 2998)).
[4] Am 9.7.1913 hatte Landesverweser In der Maur bis auf weiteres ein Ausfuhrverbot für folgende in Liechtenstein gewachsenen Futtermittel angeordnet: Fettheu, Magerheu, Emd, Gras und Klee (L.Vo., Nr. 28, 11.7.1913, S. 1 („Kundmachung“)). 
[5] Auf Empfehlung der Finanzkommission genehmigte der Landtag in der öffentlichen Sitzung vom 18.12.1913 einstimmig einen zinslosen Kredit von 50'000 Kronen für ein Jahr zur Beschaffung der erforderlichen Futtermittel. Gleichzeitig wurde die Regierung ersucht, im Einvernehmen mit dem landwirtschaftlichen Verein eine landschäftliche Notstandskommission aus Fachleuten zu bestellen (LI LA LTA 1913/S04/2). Zur Tätigkeit dieser Kommission vgl. den Bericht von Regierungssekretär Josef Ospelt an die fürstliche Hofkanzlei bzw. an Hermann von Hampe vom 12.2.1914 (LI LA RE 1914/0446 ad 0075/0354).