Landesverweser Karl von In der Maur, Landesvikar Johann Baptist Büchel und Landtagspräsident Albert Schädler laden zur Gründung des historischen Vereins ein


Einblattdruck [1]

14.7.1901

Einladung

Am Sonntag, den 10. Februar 1901, Nachmittags 3 Uhr wird im Saale von Herrn Kirchthaler in Vaduz eine Versammlung stattfinden, welche den Zweck hat,

einen historischen Verein für das Fürstentum Liechtenstein

zu gründen.

Es ergeht daher an alle Geschichtsfreunde des Landes die Einladung, recht zahlreich bei dieser Versammlung zu erscheinen.

Unserem Lande wurde durch das Walten der Vorsehung eine ganz eigenartige geschichtliche Entwicklung beschieden. Es hat eine interessante Vergangenheit und erfreut sich in seinem jetzigen Zustande einer glücklichen Gegenwart. Wie jeder richtig denkende und fühlende Mensch für die Vorkommnisse und Schicksale seiner Familie Interesse zeigt, so hat er auch einen Zug zu seinem Volke und zu seinem Lande, und hierin ist sein Bestreben begründet, die alten Zustände seines Volkes, und die Thaten und Geschicke seiner Vorfahren kennen zu lernen. Die Gründung eines historischen Vereines kommt daher diesem Bestreben sehr zu statten, weil durch die Arbeit mehrerer das Studium der vaterländischen Geschichte am besten gefördert wird. Wie aus dem Entwurfe der Statuten zu entnehmen ist, beabsichtigt der Verein, grössere und kleinere Aufsätze über die ältere und neuere Geschichte unseres Landes, sowie eine Sammlung aller noch vorhandenen, die geschichtliche und culturelle Entwicklung unseres Landes berührenden Urkunden von den ältesten Zeiten an in einem Jahrbuche zu veröffentlichen. Gewiss liegen noch viele derartige Urkunden zum Theile unbeachtet und unverstanden in Gemeindearchiven oder bei einzelnen Privaten. Die Veröffentlichung solcher Dokumente wird daher auch den praktischen und nützlichen Zweck erfüllen, das Interesse der Gemeinden zu wecken und Ordnung in die bis jetzt vielfach vernachlässigten Gemeindearchive zu bringen. Aus diesem Grunde darf wohl auch eine entsprechende Betheiligung der Gemeinden an dem neu zu gründenden Vereine erwartet werden.

Die geplante Organisation des Vereines kann aus folgendem Entwurfe der Statuten ersehen werden:

Statuten

§ 1. Der historische Verein des Fürstentums Liechtenstein hat den Zweck, die vaterländische Geschichtskunde zu fördern.

§ 2. Um diesen Zweck zu erreichen, wird der Verein ein historisches Jahrbuch herausgeben. Dasselbe soll enthalten:
a) Die Protokolle über die Verhandlungen des Vereines.
b)
Grössere und kleinere Aufsätze über die ältere, neuere und neueste Geschichte des Landes und einzelner liechtensteinischen Gemeinden.
c)
Eine vollständige Sammlung aller noch vorhandenen unser Land und unsere Gemeinden betreffenden wichtigeren Urkunden von den ältesten Zeiten an.

§ 3. Mitglied des Vereines kann jeder unbescholtene In- und Ausländer werden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat.
Die Aufnahme der Mitglieder erfolgt durch den Vorstand des Vereines.

§ 4. Die Einnahmen des Vereines bestehen:
a)
In Jahresbeiträgen der Mitglieder.
b)
In freiwilligen Vergebungen aller Art.
Der Jahresbeitrag eines Mitgliedes beträgt 4 Kronen ö. W.

§ 5. Der Verein versammelt sich ordentlicher Weise alljährlich einmal im Frühling und beschäftigt sich dabei mit der im § 2 bezeichneten Aufgaben, mit der Anhörung von Vorträgen einzelner Mitglieder über Gegenstände der vaterländischen Geschichte und freier Discussion über dieselben.

§ 6. Jedes Mitglied des Vereines erhält ein Exemplar des Jahrbuches unentgeldlich. Nichtmitglieder können das Jahrbuch gegen Bezahlung eines vom Vereinsvorstande jeweils zu bestimmenden Preises erwerben.

§ 7. Der Verein wählt aus seiner Mitte einen Vorstand, bestehend aus einem Präsidenten, einem Aktuar, einem Quästor und zwei anderen Mitgliedern. Dieser Vorstand hat die Beschlüsse des Vereines zu vollziehen und insbesondere die Redaction des Jahrbuches zu besorgen. Die Amtsdauer des Vereinsvorstandes erstreckt sich auf 5 Jahre.

§ 8. Bei den Vereinsversammlungen werden die Beschlüsse durch Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder gefasst.

§ 9. Die Auflösung des Vereines kann nur in einer ausserordentlichen, eigens zu diesem Zwecke einzuberufenden Hauptversammlung erfolgen.

Wie aus diesem Statutenentwurfe entnommen werden kann, stellt der Verein an seine Mitglieder nur geringe finanzielle Ansprüche.

Das Programm der Versammlung, für welche diese Einladung ergeht, ist folgendes:

  1. Eröffnung der Versammlung und Erklärung der Anwesenden, die dem zu gründenden Vereine beitreten wollen.
    Es sei hier bemerkt, dass solche, welche verhindert sind, der Versammlung beizuwohnen, aber dem Vereine beizutreten wünschen, ihre Beitrittserklärung einem der Unterzeichnetem anmelden wollen.
  2. Berathung und Feststellung der Statuten auf Grundlage des mitgeteilten Entwurfes.
  3. Wahl des Vereinsvorstandes.
  4. Vortrag des Herrn Landesvicars Canonicus Büchel von Triesen über die Herren von Schellenberg.

Vaduz, 4. Februar 1901

Von In der Maur, f. Cabinetsrat
J. B. Büchel, Landesvicar
Dr. Albert Schädler
 

Druck von N. Sausgruber, Feldkirch

______________

[1] LI LA PA Hs 46/8 (Sammlung Matt).