Die österreichische Generaldirektion für Post-, Telegrafen- und Fernsprechwesen teilt der Regierung mit, dass Deutschösterreich nicht Rechtsnachfolger des früheren österreichischen Staates sei und der Postvertrag von 1911 deshalb nur noch provisorische Anwendung finde


Maschinenschriftliches Schreiben der deutschösterreichischen Generaldirektion für Post-, Telegrafen- und Fernsprechwesen, gez. Generaldirektor Konrad Hoheisel, an die liechtensteinische Regierung in Wien [!] [1]

21.5.1919, Wien

Pauschale an die fürstl.-Liechtenstein'sche Regierung

Der fürstlich Liechtensteinischen Regierung wird unter einem auf Grund des Artikels 10 des zwischen der fürstlich Liechtensteinischen Regierung und dem k.k. Handelsministerium abgeschlossenen Post-, Telegraphen- und Fernsprechübereinkommens vom 4. Oktober 1911 [2] nebst Zusatzartikel vom 21. Jänner 1917 [3] das Pauschale im Betrage von 11'666 K 67 h., das ist für die Zeit vom 1. Jänner – 31. Oktober 1918, für Rechnung des bestandenen k.k. österreichischen Handelsministeriums überwiesen.

Was die Zeit nach dem 31. Oktober 1918 betrifft, so hat sich die Rechtsgrundlage insoferne wesentlich geändert, als mit dem Zerfall des früheren österreichischen Staates und mit der Gründung der Nationalstaaten der eine Vertragsteil, das k.k. Handelsministerium, weggefallen ist. Insbesondere ist die neuentstandene Republik Deutschösterreich nicht als Rechtsnachfolger des früheren österreichischen Staates anzusehen (Ges. vom 12.XI.1918, St.G.Bl. Nr. 5, Art. 4).

Allerdings führt die deutschösterreichische Postverwaltung diesen Dienst auch nach dem 31. Oktober 1918 weiter, allein dies ändert nichts daran, dass mit diesem Zeitpunkte das Übereinkommen von 1911 mit dem Zusatzartikel von 1917 rechtlich zu bestehen aufgehört hat und damit für die deutschösterreichische Postverwaltung die Rechtsgrundlage für die Flüssigmachung des Pauschales über den 31. Oktober fehlt.

Wir beabsichtigen jedoch, in der allernächsten Zeit der Regierung Vorschläge wegen einer vorläufigen Regelung dieses Verkehres zu machen. [4]

______________

[1] LI LA V 003/0207 (Aktenzeichen: 4454/P-1919). Das Schreiben langte am 24.5.1919 bei der Gesandtschaft Wien ein. Diese übermittelte der Regierung am 28.5.1919 eine Abschrift des Schreibens (LI LA SF 03/1919/2649 ad 406) und bat Hoheisel um Mitteilung der angekündigten Vorschläge (LI LA V 003/0207, Prinz Eduard von Liechtenstein an Konrad Hoheisel, 25.5.1919). Die Regierung antwortete am 9.6.1919, Deutschösterreich habe durch die Fortführung des Postdienstes den "tatsächlichen Fortbestand" des Abkommens anerkannt, beziehe die Einnahmen aus dem Postdienst und habe daher auch die Pflichten des Übereinkommens zu übernehmen (LI LA V 003/0207).
[2] LGBl. 1911 Nr. 4. Österreichischerseits wurde das Übereinkommen nicht publiziert.
[3] LGBl. 1917 Nr. 5. Österreichischerseits wurde der Zusatzartikel nicht publiziert.
[4] Mit Schreiben vom 5.6.1919 unterbreitete die Generaldirektion für Post-, Telegrafen- und Fernsprechwesen den Vorschlag, den Post-, Telegraphen- und Fernsprechverkehr auf der Grundlage zu betreiben, dass allfällige Überschüsse zur Gänze Liechtenstein verbleiben würden, dieses hingegen die gesamten Selbstkosten der Verwaltung und des Betriebs zu übernehmen hätte (LI LA SF 03/1919/67/2892 ad 406). Die Regierung erklärte sich mit diesem Vorschlag grundsätzlich einverstanden (LI LA SF 03/1919/72/3907 ad 406, Gesandtschaft Wien an Regierung, 6.8.1919; LI LA SF 03/1919/72/4572 ad 406, Regierung an Gesandtschaft Wien, 17.9.1919), ebenso der Landtag, der die Regierung mit der Einleitung von Verhandlungen beauftragte (LI LA SF 03/1919/72/5056 ad 406, Landtagspräsidium an Regierung, 14.10.1919). Zu den Verhandlungen vgl. LI LA SF 03/1919/72/5957 ad 406, Prinz Eduard an Regierung, 3.12.1919.