Die Finanzkommission empfiehlt dem Landtag, das Doppelbesteuerungsabkommen mit Österreich zur Kenntnis zu nehmen


Gedruckter Bericht der Finanzkommission (Referent Albert Schädler) an den Landtag [1]

o.D. (vor dem 20.7.1901)

1. Übereinkommen der liechtensteinischen und österreichischen Regierung betreffend die Vermeidung von Doppelbesteuerungen

Die fürstl. Regierung bringt dieses Übereinkommen, welches bereits mit Verordnung des österr. Finanzministeriums vom 18. Mai 1901 in dem am 20. Juni 1901 ausgegebenen österr. Reichsgesetzblatte kundgemacht worden ist, [2] dem Landtage zur Kenntnis und bemerkt, dass in demselben weder auf Staatshoheitsrechte zu Gunsten Österreichs verzichtet oder über ein solches irgendwie verfügt wurde, noch eine neue Last auf das Fürstentum oder dessen Angehörige übernommen wurde, sondern dass sich die in Rede stehende Übereinkunft lediglich als zu Gunsten der Landesangehörigen getroffen darstelle. [3]

Art. 1 des Übereinkommens [4] stellt fest, dass der Grund- und Gebäudebesitz sowie die Ausübung eines stehenden Gewerbes in Österreich bezw. in Liechtenstein nur von demjenigen Staate zu direkten Ertragssteuern herangezogen werden sollen, in dessen Gebiet der Grund- und Gebäudebesitz gelegen ist bezw. eine Betriebsstätte zur Ausübung des Gewerbes unterhalten wird. Befinden sich Betriebsstätten desselben gewerblichen Unternehmens in beiden Gebieten, so soll die Heranziehung zu direkten Ertragssteuern in jenem Gebiet immer nur nach Massgabe des von den inländischen Betriebsstätten aus stattfindenden Betriebes erfolge[n].

Die Richtigkeit dieser Bestimmungen bedarf keiner weitern Erklärung. Thatsächlich wurde auch bisher in diesem Sinne verfahren; einzig das Vorgehen bei den zuletzt genannten Zweigniederlassungen hätte zu andern Auffassungen im gegebenen Falle führen können, was jedoch durch die klare Schlussbestimmung des Artikels künftig vermieden wird.

Art. 2 bestimmt, dass anderweitige Bezüge Angehöriger Österreichs oder Liechtensteins, sofern sich aus den Artikeln 3, 4 und 6 nichts anderes ergibt, nur in jenem Staate der Besteuerung unterliegen, in welchem die Empfänger ihren Wohnsitz haben. Nach Art. 3 unterliegen aber Zinsen von Hypothekar-Kapitalien der Ertragsbesteuerung nur in dem Lande, in welchem das Realpfand liegt. [5] 

Art. 4 stellt fest, dass die aus einer Staatskasse erfolgenden Besoldungen und Pensionen nur in dem Staate, der die Zahlung leistet, zu den direkten Staatssteuern herangezogen werden.

In Art. 5 wird die liechtensteinische Personalklassensteuer als eine spezielle direkte Ertragssteuer im Sinne des § 127 des österreichischen Personalsteuergesetzes vom 25. Okt. 1896 [6] angesehen. 

Der Art. 6 fixiert, dass, sofern die Art. 2 und 4 nicht anderes anordnen, die Anwendung der österr. Personaleinkommensteuer von den gegenwärtigen Abmachungen unberührt bleibt. Demnach haben Angehörige Österreichs, die in Liechtenstein Hypothekarkapitalien besitzen, entsprechend in Liechtenstein zu steuern und werden aber in Österreich dennoch zur Personaleinkommenssteuer, aber nicht zur Rentensteuer - weil diese als Äquivalent mit der liechtenst. Kapitalsteuer betrachtet wird - herangezogen.  

Die Schlussartikel bestimmen, dass das Übereinkommen als mit dem Beginne der Wirksamkeit des österr. Gesetzes vom 25. Okt. 1896 in Kraft getreten [7] betrachtet wird und beiderseits bis zum 1. Oktober eines jeden Jahres mit der Wirksamkeit für das folgende Jahr gekündet werden kann.

Das Übereinkommen hat hauptsächlich durch die Art. 1 und 4 aktuelles Interesse für uns, weil laut Art. 4 in Österreich wohnende liechtenst. Staatsangestellte, welche eine liechtenst. Pension beziehen, nur der liechtenst. Staatssteuer unterliegen, und weil durch die Schlussbestimmung des Art. 1 die Steuerpflicht allfälliger gewerblicher Zweigniederlassungen in wünschenswerter Weise klargestellt ist. Im wohlverstandenen Interesse beider Länder wäre es gelegen gewesen, wenn die im Art. 3 fixierte Ausnahme betreffend die Hypothekarkapitalien nicht aufgenommen worden wäre, sondern die Bestimmungen des Art. 2 auch für diese Ertragsquellen massgebend geblieben wären. Unsere f. Regierung strengte in dieser Beziehung alles an, um eine entsprechende Änderung in diesem Sinne zu erzielen. Von Seite des österr. Finanzministeriums wurde jedoch unbedingt an dem Prinzipe festgehalten, dass Zinsen aus Hypothekar-Kapitalien im Staate der haftenden Realität zu den Ertragssteuern heranzuziehen seien, und zwar dies umso mehr, als auch anderen benachbarten Staaten gegenüber von diesem Standpunkte nicht abgegangen worden sei. [8] Es ist diese Stellungnahme wegen des engen Verkehrs zwischen Liechtenstein und Vorarlberg zu bedauern und muss dazu führen, dass Angehörige Liechtensteins, welche Hypotheken in Österreich haben, dieselben wegen der hohen Besteuerung - besonders wegen der namhaften Gemeindezuschläge - zurückziehen. - Immerhin bedeutet das Übereinkommen in mehrfacher Hinsicht, wie bereits oben geschildert wurde, eine Besserung gegenüber dem Zustande der letzten Jahre und es wird daher von der Finanzkommission beantragt, dasselbe zur zustimmenden Kenntnis zu nehmen. [9]

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[1] LI LA LTA 1901/L01 (Tagesordnung Nr. 2 für die auf den 20.7.1901 anberaumte Landtagssitzung, Traktandum 1, S. 3-4).
[2] Verordnung des Finanzministeriums vom 18.5.1901, betreffend das Übereinkommen zwischen der k.k. österreichischen und der fürstlich Liechtenstein'schen Regierung zum Zwecke der Vermeidung von Doppelbesteuerungen, öst. RGBl. 1901 Nr. 68.
[3] Vgl. § 23 der liechtensteinischen Verfassung vom 26.9.1862 (LI LA SgRV 1862/5).
[4] Siehe die Verordnung vom 27.7.1901 betreffend das Übereinkommen zwischen der k.k. österreichischen und der Fürstlich Liechtenstein'schen Regierung zum Zwecke der Vermeidung von Doppelbesteuerungen, LGBl. 1901 Nr. 4.
[5] Vgl. hiezu die Ausführungen des Landesverwesers Karl von In der Maur und des Landtagspräsidenten Albert Schädler in der öffentlichen Landtagssitzung vom 20.7.1901 (LI LA LTA 1901/S04/2).
[6] Gesetz vom 25.10.1896, betreffend die directen Personalsteuern, öst. RGBl. 1896 Nr. 220. § 127 dieses Gesetzes traf Bestimmungen betreffend die Begrenzung der Steuerpflicht gegenüber dem Ausland.
[7] Nach Art. XIV Abs. 1 des genannten Gesetzes trat dieses am 1.1.1898 mit der Massgabe in Wirksamkeit, dass diejenigen auf die Steuerbemessung für das Jahr 1898 abzielenden Massnahmen, welche behufs rechtzeitigen Vollzugs dieser Bemessung schon im Vorjahr vorgenommen werden mussten, schon vom 1.7.1897 an nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu vollziehen waren.
[8] Vgl. hiezu die Note des k.k. Finanzministeriums an die fürstliche Hofkanzlei vom 22.1.1901 (LI LA RE 1901/0019 (Aktenzeichen: 3493)).
[9] Der Landtag nahm das Doppelbesteuerungsabkommen in der öffentlichen Landtagssitzung vom 20.7.1901 einstimmig zur „zustimmenden Kenntnis" (LI LA LTA 1901/S04/2).