Artikel im "Liechtensteiner Volksblatt" [1]
10.9.1919
Protestversammlung des Unterlandes am 8. September
In wenigen Stunden zusammengerufen versammelten sich am Montag in Eschen etwa 300 Männer des Unterlandes, um gegen den voreiligen Entschluss des Landtages, den Zollvertrag "sofort zu kündigen", Stellung zu nehmen. [2] Die ganze Versammlung nahm einen ruhigen, würdigen Verlauf, und es wurde folgende Resolution gefasst:
"Die heute im Kreuz in Eschen versammelten zirka 300 Bürger des Unterlandes haben nach Anhörung mehrerer Referate über unser gegenwärtiges Zollverhältnis und nach gewalteter reger Diskussion folgende
Resolution
gefasst:
Die versammelten Wähler ersuchen durch die Ortsvorsteher und die gewählten Vertreter die fürstliche Regierung dahin zu wirken, dass die durch die kürzlich erfolgte Sperre für das Unterland ganz unhaltbar gewordenen Zustände möglichst sofort beseitigt werden. [3]
Die Versammlung ist der Ansicht, dass der alte Zustand wieder in Kraft gesetzt und solange beibehalten werde, bis neue Verträge ausgearbeitet sind.
Die Versammlung fordert, dass die Regierung Massnahmen trifft, dass die Finanzwache auch in Balzers wieder ihres Amtes walten kann, und dass das Oberland die gleichen Pflichten wie das Unterland hat." [4]
In der Versammlung wurde auch der Wunsch ausgesprochen und ihm lebhaft zugestimmt, das Unterland solle mit den Oberland-Gemeinden Fühlung nehmen.
Zu beachten ist, dass wir in den Feldkircher Geschäftsleuten Bundesgenossen haben im Wunsche nach möglichst regem Warenaustausch. Die Feldkircher werden sich jedenfalls auch bemühen, einen geregelten Verkehr zu bewirken.
Unserem Landtage aber ist der Vorwurf, wieder einmal voreilig gehandelt zu haben, nicht zu ersparen. Die Abgeordneten sollten eben mit ihren Wählern mehr Fühlung nehmen und nicht gar zu selbstherrlich vorgehen. [5]
______________
[1] L.Vo., Nr. 72, 10.9.1919, S. 2-3.
[2] LI LA LTA 1919/S04, Protokoll der Landtagssitzung, 2.8.1919.
[3] Nach der Kündigung des Zollvertrags durch Liechtenstein hatte die Vorarlberger Landesregierung per 1.9.1919 verfügt, dass bis zur endgültigen Verlegung der Zollgrenze die Ausfuhr sämtlicher Waren nach Liechtenstein bewilligungspflichtig sei (LI LA RE 1919/4268 ad 4, Telegramm Vorarlberger Landesregierung an liechtensteinische Regierung, 1.9.1919).
[4] Die Resolution wurde von einer Delegation auch der Regierung unterbreitet (LI LA SF 27/1919/4424a ad 4, Aktennotiz Regierung, 9.9.1919).
[5] Diese Bemerkung des "Liechtensteiner Volksblatts" gab Anlass zu einer kleinen Pressekontroverse, vgl. L.Vo., Nr. 73, 13.9.1919, S. 2 ("Feststellung"); O.N., Nr. 69, 13.9.1919, S. 2 ("Die Volksversammlung in Eschen"); L.Vo., Nr. 73, 13.9.1919, S. 2 ("Unterland – Zollvertrag").