Fürst Johann II. erteilt dem 9-Punkte-Programm der Landtagsabgeordneten zur Verfassungsrevision seine Zustimmung und ernennt seinen Neffen Prinz Karl zum Landesverweser


Schreiben von Fürst Johann II., gez. ders. und gegengez. Landesverweser Prinz Karl, an den Landtag (Abschrift) [1]

13.12.1918, Wien 

Dem in der Zuschrift [2] des Landtages vom 10. Dezember I.J. zum Ausdrucke gebrachten Wünsche entsprechend, bestelle Ich Meinen Neffen Prinzen Carl von und zu Liechtenstein bis auf Weiteres zum Landesverweser.  

Den in der Landtagssitzung vom 10. Dezember I.J. einstimmig gefassten weiteren Beschlüssen hinsichtlich der Neuregelung der Landesangelegenheiten erteile Ich die landesfürstliche Zustimmung mit dem Beifügen, dass Ich auch einem allfälligen einstimmigen Antrage auf Vermehrung der Zahl der zu wählenden Abgeordneten Rechnung zu tragen bereit wäre. [3] Die Frage der Herabsetzung des für die Wahlberechtigung massgebenden Lebensalters stelle Ich der allfälligen neuerlichen Erwägung anheim. [4]  

Der Landtag wird eingeladen, die Wahl der beiden anderen Mitglieder der Regierung sogleich vorzunehmen [5] und die den erwähnten Landtagsbeschlüssen entsprechenden Gesetzesvorlagen ehestens der verfassungsmässigen Behandlung zu unterziehen.

Da Mein Neffe auf die ihm als Landesverweser zukommenden Bezüge verzichtet hat, [6] entfällt bis auf Weiteres die diesfalls gesetzlich vorgesehene Beitragsleistung des Landes. [7]

 

 

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[1] LI LA RE 1918/5491 ad 4851. Weitere Abschrift im Akt LI LA SF 01/1918/039.
[2] LI LA SF 01/1918/044.
[3] Nach § 55 der Verfassung vom 26. September 1862 wurden 12 Abgeordnete vom Volk – bis 1917 mittels Wahlmänner - gewählt, während 3 Abgeordnete vom Fürsten ernannt wurden. In der Volksabstimmung vom 2. März 1919 wurde die Erhöhung der vom Volk zu wählenden Abgeordneten von 12 auf 17 mit 711 Ja-Stimmen zu 863 Nein-Stimmen abgelehnt.
[4] Gemäss § 57 der Verfassung von 1862 waren alle Liechtensteiner männlichen Geschlechts aktiv und passiv wahlberechtigt, welche das 24. Lebensjahr erreicht hatten. Nach Punkt 9 des 9-Punkte-Programmes der Landtagsabgeordneten vom 10.12.1918 sollte das Alter der Wahlfähigkeit und der Grossjährigkeit auf 21 Jahre herabgesetzt werden. In der Volksabstimmung vom 2.3.1919 wurde die Herabsetzung des Grossjährigkeits- und Wahlfähigkeitsalters mit 712 Ja-Stimmen zu 863 Nein-Stimmen abgelehnt.
[5] Der Landtag beschloss in der öffentlichen Sitzung vom 17.12.1918, dem Fürsten Franz Josef Marxer aus Eschen und Wilhelm Beck aus Triesenberg zur Ernennung als Regierungsräte vorzuschlagen (LI LA LTA 1918/S04/02).
[6] Prinz Karl verzichtete nicht nur auf die ihm zustehenden Bezüge – er liess der Notstandskommission vielmehr 2000 Kronen für die Bedürftigen zukommen. L.Vo., Nr. 50, 13.12.1918, Erstes Blatt, S. 1 („Wohltätige Spende").
[7] Gemäss Dorsalvermerk vom 28.12.1918 auf dem gegenständlichen Schreiben wurde die Angelegenheit von Landesverweser Prinz Karl „mit Bezug auf Zl. 39/Präs. Jg 1918" ad acta gelegt. Der angesprochene Akt mit der Signatur LI LA SF 01/1918/039 bezieht sich auf die Ernennung des Prinzen Karl zum Landesverweser, die Wahl der beiden Regierungsräte und die allfällige Vermehrung der Zahl der gewählten Landtagsabgeordneten.