Artikel über das Konzertleben der Kgl. Musikschule.


Augsburg, 26. 11. 1887

Die königliche Musikschule veranstaltete letzten Montag (21.11.87) im grossen Odeonssaale ein Konzert zugunsten des Stipendienfonds der Anstalt, in welchem von Mitgliedern des Lehrkörpers unter Zuziehung der Orchester und obersten Chorklasse eine Reihe von zum Theil hochbedeutenden Tonstücken in durchaus vortrefflicher, mustergiltiger Weise zur Aufführung gebracht wurde.

Nach einer, von Herrn L. Maier gut vorgetragenen Orgelfuge (C-dur) von Joh. Seb. Bach, spielten die Herren M. Hieber und Schwartz eine Violinsonate von Mozart, F-dur (Köchel 376), eine der reizvollsten dieser Sonaten. Es folgte dann ein Konzert in c-moll für zwei Klaviere mit Streichorchester von Joh. Seb. Bach. Das Konzert wurde von den Herren Kellermann und Thuille[1] kraftvoll und mit richtigem Ausdruck vorgetragen; ausnehmend gelungen war die Begleitung des von Herrn Abel trefflich dirigierten Orchesters. Der vokale Theil brachte Kompositionen für gemischten Chor von K. v. Perfall und M. Zenger; von ersterem zwei hübsche und frische vierstimmige Chöre,"Gleichheit" und "0, lasst den König ein", von letzterem ein sehr originelles fünfstimmiges "Mailied" mit obligater Trompete (von Herrn Meichelt virtuos geblasen), sämmtliche von dem Publikum sehr beifällig aufgenommen. Einen Genuss der feinsten Art gewahrte alsdann das im Mozart'schen Geiste komponierte herrliche Quintett für Klavier, Oboe, Klarinette, Fagott und Horn Es-dur op. 16 von Beethoven. Herr Giehrl trug den Klavierpart mit vollendetem künstlerischem Geschmack vor; die Maser , Herren Reichenbächer, Hartmann, Chr. Mayer und Strauss, erwiesen sich sämmtlich als gediegene Meister ihres Faches.

Den Schluss bildete J. Rheinberger's Konzert[2] in F-dur für Orgel, Streichorchester und 3 Hörner, welches vor drei Jahren zum ersten Mal in einem Akademiekonzert aufgeführt wurde. Dasselbe ist, wie es die Natur des Instrumentes gewissermassen fordert, in all seinen drei Sätzen im strengen kontrapunktischen Styl geschrieben und gehört unstreitig zu den besten Werken des Komponisten, der ja hier auf seinem eigensten Felde sich befindet. Die Prinzipalstimme wurde von Herrn O. Hieber meisterhaft vorgetragen, wodurch uns, namentlich bei der im dritten Satz eingelegten Kadenz, auch Gelegenheit geboten war, die Vorzüge der neuen Orgel in ihrem ganzen Umfang zu würdigen. Bekanntlich war im Odeons-Saal bisher ein Werk aufgestellt, welches dem Namen "Königin der Instrumente" in sehr geringem Masse entsprach. Durch die nun dem Gebrauch übergebene, von Herrn Merz, hier, gebaute neue Orgel hat der, unsern grossen Konzerten zu Gebote stehende Apparat einen sehr erfreulichen Zuwachs erhalten.

Das Publikum hatte sich leider nicht so zahlreich eingefunden, als das schöne Programm erwarten liess; doch wurden sämtliche Vorträge mit dem lebhaftesten Beifall aufgenommen.

 

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[1] Thuille = Ludwig Thuille (1861-1907), Schüler von Rheinberger, später dessen Nachfolger an der Kgl. Bayerischen Akademie der Tonkunst. Schrieb die Opern "Theuerdank" und "Lobetanz ", Orchester- und Kammermusik, Lieder, Werke für Klavier und Orgel u.a.
[2] J.Rheinberger's Konzert = 1. Orgelkonzert op. 137, komponiert 1884