Handschriftliches Originalschreiben der Emma Rheinberger, Arosa (Graubünden), an Alois Rheinberger, Nauvoo (Illinois) [1]
28.11.1905, Arosa (Graubünden)
Mein lieber, gutester Vetter!
Das hätten Sie sehen sol-
len, diesen Sonnenschein den Sie mit Ihrem lieben, lieben
Brief, dessen kostbaren, grossherzigen Innhalt über
Arosa verbreitet. So glückliche Stunden darf ich
nur wenige geniessen in meinem Leben. – Vorgestern
Abend empfing ich diese grosse, grosse Freude, –
Alles jubelte in mir u. glückselig ging ich in die arme
Behausung des lb. göttlichen Heilands hinunter, ihm
erzählend, was Sie ihm in grosser Opferwilligkeit
getan, geschenkt. Aber es war ein sonderbares Ge-
spräch mit unserm Herrn, – jener lb. 20 Dollarschein war
dazwischen jeder 2. Gedanke, u.: „vergilt es ihm doch“ [2]
bat u. bettelte ich immer wieder, – dann habe ich mich wieder
gefreut, vielleicht wie ein Kind beim beladnen Christ-
baum. Die Leute hier guckten mich verwundert an,
was ich nur hätte, mich so zu freuen? – Wie soll
ich Ihnen nur danken? Ach ich kann es nicht einmal
genug. – Aber nicht wahr, Gott d. Allmächtige kann
es, er wird Sie glücklich machen, unaussprechlich [3]
glücklich Ihre lb. verklärte Frau [Margarethe Rheinberger [-Brasser]] im Himmel, die dem
lb. armen Heiland in ihrer Heimat ein Denkmal der
Liebe geschenkt. – Als ich Herrn Pfarrer das kostbare
Papierchen gebracht, stellte es sich heraus, dass es ge-
rade sein Namenstag Albertus war, – wie wunderbar die Fü-
gungen – Gottes nicht wahr? – Er wollte diesem armen
Missions-Priester in seiner schwierigen Aufgabe eine be-
sondere Freude an seinem Namensfeste bereiten u. wie
glücklich [4] war er darüber! Danke, Vergelts – Gott sagte
er immer wieder. „Der Herr lässt sich nicht über-
treffen“ meinte er, – ach ja doppelt, doppelt soll er
Ihnen Ihre herrliche, opferwille Gabe wiedergeben. – Hätte
ich aber gewusst, wie sehr Sie von so vielen Missi-
onen beansprucht u. wie unendlich viel Gutes Sie
spenden, würde ich es nicht gewagt haben so un-
bescheiden zu sein. – Und trozdem gab Ihr edles,
gutes, gutes Herz so lieb u. herzig u. unverdrossen.
Könnte ich nur genug danken! Selbstverständlich
gehörte die nächste hl. Messe meinem lieben, lieben
herrlichen Vetter. – Ihr lieber Brief, was war er mir
wieder! – Auf Lange will ich wieder zufrieden sein [5]
mich freuen an dieser Freude. – Dank, Dank 1000 X,
Sie haben einem kranken Menschen Kind damit eine
Medicin geschenkt. – Was, wie viel, viel [6] möchte ich
Ihnen auf Ihren lieben Brief, diese einzig lieben Worte,
die so woltuend u. beruhigend auf mich wirken, erwiedern,
aber leider meine Lunge, dies dumme, kranke Ding hemmt
mich in Arosa an Allem. – Stärken, erholen will ich
mich denn von Neuem immer wieder an d. Innhalt Ihres Schrei-
bens, an Ihrer selten edlen, grossen Seele, an Ihrem lieben,
lieben Herzen, [7] dem ich so sehr vertraue. – Ja auch
Sie haben mit Ihrer lb. selg. Frau, wie ich das beson-
ders in Ihrem letzten lb. Schreiben sehe, Tage des Kummers,
der Krankheit durchgekämpft, gekämpft mit jenem
guten, hl. Willen, der hohen Seelen so eigen, ich habe
mich erbaut daran, besonders an jenem ganz Wunder-
baren Ihrer Krankheit aus dem Jahre wo es geheissen: „er soll leben.“ [8] Gottes
Walten ist so ganz, ganz bewunderungswür-
dig. – Dieser seiner treuen Liebe empfehle ich
Sie, dann weiss ich, dass mein lieber Vetter
Väterlich beschützt ist immer. – Meine Lunge
schien, wie ich das letzte Mal erwähnte, Fort- [9]
schritte zu machen, der Doctor versicherte mich ja bereits
des Auszuges m. Bazillen, wofür ich Gott von
Herzen danke, – denn sterben – ach schon sterben, –
doch immer wie Gott will. – Inzwischen hat mich der
Arzt mit dem Antrage der Tuberculin-Impfung
erschreckt. – Es ist dies gewiss auch bei Ihnen
schon Jahre lang bekannt, d. Anwendung dieses
Giftes bei Tuberculose? – Bisher leider mit we-
nig gutem Erfolg, zur Zeit jedoch wird es hier u.
in Davos neuerdings u. mit gutem Erfolg
versucht. – So werde denn auch ich geimpft, wiewol
es zu Hause erst Kampf gekostet, – mein Arzt
ist aber d. Ansicht, ich wäre sehr geeignet dafür. –
Ich glaube es war d. hl. Augustinus, der 1 X un-
gefähr behauptet: „ich sträube mich nicht zu
leben u. nicht zu sterben.“ – Am 14. Tage erst
wird sich’s entscheiden, ob d. Tuberculin-Impfung
bei mir angewandt werden darf, ich werde Ihnen dann
berichten. – Im Ganzen werden es 30-50 Impfung-
gen sein, während etwa 3 Monaten. – In die
Thatsache, den ganzen Winter hier bleiben zu müssen, [10]
füge ich mich ja bereits, – Tag um Tag werde ich
nehmen dann wird es fern v. d. Heimat (freilich nicht
ohne Thränlein hie u. da) mit Gottes Gnade gehen. –
Ein ganzes, grosses Buch hätte ich Ihnen heute schrei-
ben mögen, wie viel, viel [11] sollte, wollte ich Ihnen
erzählen, aber bei dieser Tuberkulin-Kur kommt
eben Alles darauf an Fieber, zu vermeiden, darf dess-
halb nicht geschrieben werden, es ist dies wahrschein-
lich der letzte Brief für Lange, höchstens Karten werde
ich noch schreiben können. Aber trotz Impfung brachte
ich es nicht über’s Herz noch einmal geschwind zu mei-
nem lieben Vetterchen zu eilen, ihm zu erzählen, wie
sehr, sehr lieb ich es habe. – Unterdessen, nicht
wahr, erlauben Sie mir hie u. da eine Karte
zu schicken? – Und noch etwas, aber Sie dür-
fen es mir nicht abschlagen [12], – recht, recht herzl.
möchte ich Sie bitten, nicht mehr „Sie“ sondern
„Du“ zu mir zu sagen, bitte, bitte, bitte, ich genire
mich stets, zu einem so kleinen nichtsnutzigen Ding
dürfen Sie v. nun an nicht mehr Sie sagen u. Sie
machen mir damit eine ungeheuer grosse Freude [13].
Etwas Anderes liegt mir noch schwer auf d. Herzen.
Nicht wahr, lb. Vetter, Sie haben mich wegen Bertha
Schauer, ihr v. meinem Lungenleiden [14] nichts zu er- [15]
wähnen, nicht missverstanden. – Auch ich verehre, schätze
d. g. Bertha wie Sie, ich wollte damit nur das
Bekanntwerden meines Lungenleidens vermeiden, wie
es denn in Vaduz ausser meinen Lieben u. noch 2
Basen Niemand weiss. Es ist dies eine grosse Ei-
gentümlichkeit, vielleicht Hochmut an mir. Ver-
zeihung denn noch einmal! Dass ich Lungencatarrh
u. in Arosa bin weiss ja Alles, aber d. Wort tubercu-
lös [16], dies wehmütige – ach wie möchte man es umgehen.
Wie sehr kann ich mich in d. schmerzl. Pflicht Ihres
lb. Sohnes Franz, seine 2 herzigen Kinder in d. hei-
matliche Erde zu übertragen, denken. – Aber auch
wieder nicht wahr, welch unbezahlbare Schätze
2 Engelein im Himmel zu wissen! –
Mein Bruder Egon [Rheinberger] baut zur Zeit neben d. Burg
„Gutenberg“ eine Villa für einen Herrn in Japan u.
zwar auf Masescha neben Schauers, ein herrlicher
Punkt. – Von d. Burg Gutenberg nahm es ihm bei
einem kürzlichen fürchterlichen Sturm [17] 1500 Stück
Ziegel v. d. bereits gedeckten Dache, – aber besser
als wenn es ein Arbeiter gewesen wäre. – Ihren letzten
lb. Brief schickte ich natürlich heim, damit sie
sich auch daran erfreuen können. – Ein langes [18] Weilchen
möchte ich noch bei Ihnen bleiben, aber ich bin hier unter gar
strenger Controlle, schreibe noch nicht ganz fieberfrei. Lassen
Sie mich dennoch Ihnen nahe sein, in grossem, grossem Danke [19]
in grosser Anhäng-
lichkeit. – Sie beteten,
beten für mich, dieser
Trost birgt für mich
ein golden Kästlein,
das ich aufschliesse
wenn sinken will der
schwache Mut. –
Um Vergebung, dass
sich der Dank für
Ihre hochherzige Tat
um 2-3 Tage verspätet,
das dumme Tubercu-
lin ist Schuld daran. –
Das liebe, süsse Himmels-
mütterchen schütze
Sie! –
Von ganzer Seele
dankbar
Ihr getreu
Bäschen
Emma [20]
Denken
Sie sich
eine an-
dere Freude
noch: meine
brav Schwes-
terchen Olga [Rheinberger]
schickte die
Summe zu
dem so
höchst
notwendigen
Kelche, Gott
sei Dank,
dass d. arme Heiland
nun doch sicherer Woh-
nung darin nehmen darf,
man musste
früher immer
Angst haben,
dass das
arme Kelchlein zusam-
menbreche, od. umfalle. [21]