Karolina Büchel an Ulrich Öhri über die Andacht der Rosenkranzbruderschaft für den verstorbenen Andreas Öhri, die Arbeitslosigkeit unter den Arbeitern, den Brand der Fabrik der Textil AG in Eschen, die Arbeiten am Binnenkanal sowie den Kauf einer Wiese in Ruggell


Handschriftliches Originalschreiben der Karolina Büchel [Karolina Büchel [-Hasler]], Gamprin, an Onkel Ulrich Öhri und Tante Balbina Gstöhl [Marie Balbina Öhri [-Gstöhl]], Spencer (Nebraska) [1]

16.08.1931, Gamprin

Lieber Onkel, Tante und Familie!

Es ist schon mehr als ein halbes
Jahr verflossen [2], seit wir den
letzten Brief von Euch erhalten
haben und wir würden wieder
gerne etwas von Euch hören.
Wie geht es Euch? Wir hoffen
Ihr seit gesund und munter,
was wir zur Zeit auch sind.

Vor 14 Tagen stand in unserer [3]
Zeitung [4] in Nebraska habe es gar
Heuschreckenschwärme wie in Asien,
wir konnten aber so was nicht
glauben, oder ist es wirklich so?
Was machen unsere andern Verwandten?
Bei uns daheim ist alles gesund
auch Tante Kresenz [Crescentia Marxer [-Öhri]]. Gestern war
sie auch in Bendern in der Kirche,
es werden [5] jährlich an Maria
Himmelfahrt alle herunter gelesen
die während einem Jahr aus der [6]
Rosenkranzbruderschaft gestorben sind,
und für dieselben eine kurze Andacht
gehalten, heuer wurde auch unseres
lb. Onkels [Andreas Öhri] gedacht. Tante Kresenz
hat ein schönes Sterbandenken be-
kommen es wäre uns lieb gewesen
auch ein solches zu besitzen. Mama
hat bis jetzt auch noch keins bekommen.
Über Ostern war Adolf Peterhans
hier auf Besuch samt Frau und
Dienstmagd. Wir unterhielten [7]
uns einen ganzen Nachmittag,
indem er uns von Euch und
Euerem Gewerbe erzählte. Er ging
auch mit uns ins Feld um Türken
zu stecken und wir glaubten
wir stecken noch ziemlich viel,
da sagte er das sei nicht der
Rede wert was da bei uns so
ein Bauer pflanze da sollten
wir mahl Euere Türkenfelder
sehen, das sei halt was und er
zeigt uns im Vergleich unser ganzes
Feld von Gamprin bis Ruggel das wäre Euch. [8] [9]
Über unsere hiesigen Neuigkeiten
weiss ich nicht viel zu berichten, es geht
zur Zeit nicht gerade gut, viele
Berufsarbeiter leiden an den
Folgen der Arbeitslosigkeit.
Vor etwa 14 Tagen ist in Eschen
die Fabrik abgebrant [Textil AG, vormals Eschenwerke AG]. Mit dem
Kannal geht’s auch noch nicht recht
vom Fleck der Flugletten macht grosse
Schwierigkeiten denn wir haben
viel Regenweter und ziemlich
hochen Wassertruck vom Rhein [10]
Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen
wie viel höcher der Wasserspiegel
des Rheines liegt alls das Land.
Die Rheinbrücke von Ruggell würde
wenn sie verlängert werden würde
auf die Hausdächer in Ruggell
zu ruhen kommen. Vom Rhein bis
bereits zur Schule geht die Strasse
immer abwärts. Das Land ist wieder gut
hergerichtet worden, es hat Wiesen
die mehr abtragen alls vor der
Rheinkatatstrofe. Vor zwei Jahren [11]
kaufte mein Mann [Andreas Büchel] eine Wiese
vom Sternen Wirt [Andreas Öhri] von Ruggell,
er war nämlich in Konkurs. [12]
Da stellte es sich heraus, dass es die
nähmliche Wiese war die einmal
Euch gehörte. Es freute uns wirklich
sehr, dass uns der Zufall diesen
Spass machte, wer hätte wohl gedacht
dass es gerade die Wiese vom Grossvater
wäre wir kannten eben nur die Gegend
in der sie etwa sein könnte er
kaufte sie ungesehen, auf dem
Betreibungsamt in Vaduz. [13]
Wir haben vernommen,
dass Ihr gewillt seit nächsten Sommer
nach hierzukommen mit Bernhards
Söhnen, ist es wirklich wahr, dass Ihr uns
diese grosse Freude machen wollt?
Wenn ja, so heute schon ein herzliches
„Willkommen“!

Nun lebet wohl und seit von
uns allen bestens

gegrüsst besonders

von Euerer Nichte Karolina.

Gruss von Tante und von daheim.
Grüsst uns alle unsere lb. Verwandten.

______________

[1] LI LA PA 016/3/05/08.
[2] Ursprüngliche Fassung: „verfloẞen“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[3] Seitenwechsel.
[4] Vgl. L.Vo., Nr. 90, 1.8.1931, S. 7 („Newyork, 30. Juli“).
[5] Durchstreichung.
[6] Seitenwechsel.
[7] Seitenwechsel.
[8] Diese Zeile am Seitenrand der 4. Seite.
[9] Seitenwechsel.
[10] Seitenwechsel.
[11] Seitenwechsel.
[12] Vgl. L.Vo., Nr. 31, 9.3.1929, S. 3 („Versteigerungs-Bewilligung“).
[13] Seitenwechsel.